Review

"28 Wochen später" beginnt in der Dunkelheit eines Hauses, in der wir einem Gespräch zwischen Donald (Robert Carlyle) und Alice Harris (Catherine McCormack) lauschen. Die Atmosphäre ist gezeichnet von der Angst der Eltern um ihre Kinder Tammy und Andy, die sich aber nach Aussage des Vaters weit entfernt in Sicherheit befinden. Zuerst glaubt man, dass sie allein sind, aber nach und nach erscheinen immer mehr Bewohner des Hauses, um sich zu einem gemeinsamen Mahl zusammenfinden.

Angesichts dieser Ruhe und teilweisen Gelassenheit wirken die überfallartigen Vorfälle, die dann über das einsam gelegene Cottage hereinbrechen, fast unwirklich. Regisseur Juan Carlos Fresnadillo führt uns nochmals zurück in die Zeit des Ausbruchs der Seuche - der Vorspann bis zu Donalds Flucht wirkt wie eine kurzzeitiger Rausch, der uns mit allen Ingredenzien des ersten von Danny Boyle inszenierten Teils "28 Tage später" wieder vertraut macht. Doch er fügt dem Ganzen noch einen Samen hinzu, der die kommenden Ereignisse beeinflussen wird, denn Donald hat seine Frau im Stich gelassen, um seine eigene Haut zu retten. Eine Vorgehensweise ,die verständlich ist angesichts der Chancenlosigkeit gegenüber der anrennenden Übermacht, an der aber das Gefühl der Feigheit kleben bleibt...

Die nach diesem fulminanten Einstieg eingeblendeten Textzeilen verdeutlichen einen der Hauptirrtümer, die kritikerseitig gemacht werden. Denn die infizierten Menschen werden gerne und häufig als "Zombies" bezeichnet, was die interessanteste Aussage des Films torpediert. Fresnadillo schildert in wenigen Textzeilen, dass es nur einige Wochen benötigte, bis England menschenleer war, da die Infizierten verhungert waren, nachdem sie kein uninfiziertes Menschenfleisch mehr zum Verzehr fanden. Sogenannte "Untote" können unter normalen Bedingungen gar nicht sterben ,hier dagegen werden die durch eine bakterielle Infektion beeinflussten Menschen im weiteren Verlauf des Films zum Beispiel einfach erschossen.

Allerdings ist Fresnadillo auch selber mitschuldig an der falschen "Zombie-Theorie", denn er hat Boyles bakteriellen Auslöser völlig in den Hintergrund gedrängt. Das dieser Film wieder die "28" im Titel trägt, ist nur der Kenntlichmachung der Fortsetzung geschuldet, während Boyle mit der kurzen Zeitspanne betonen wollte, dass es dank der Faktorisierung nur vier Wochen braucht, um ein riesiges Millionenvolk komplett zu verseuchen. Dagegen bleiben die "28 Wochen", nachdem das Land wieder neu besiedelt werden kann, in ihrer Aussage undeutlich (normalerweise stirbt man ohne Nahrung nach spätestens 4 bis 6 Wochen - wieso also 28 ?).

Trotzdem kann auch Fresnadillo gerade in der ersten Hälfte des Films mit einer düsteren Vision überzeugen, indem er die menschliche Arroganz zeigt, die glaubt, man könnte eine solche Seuche in den Griff bekommen, wenn man sich möglichst diszipliniert an vorgefasste Regeln hält. So erleben wir hier die amerikanische Armee, unter deren Federführung England neu besiedelt werden soll, wofür man Londons Zentrum in eine schwer überwachte seuchenfreie Zone verwandelt. Die wenigen Überlebenden wie Donals Harris wurden ausführlich untersucht und jetzt lässt man die Engländer, die sich während des Ausbruchs im Ausland befanden, wieder ins Land zurück - darunter Donalds Kinder Tammy und Andy.

Angesichts der real vorhandenen Seuchen, deren Eindämmung auch nicht gelingt, zeigt "28 Wochen später" sehr schön, dass der Faktor Mensch einer unerbittlichen Bedrohung nicht gewachsen ist. Gerade die sympathischste Figur Sgt. Doyle (Jeremy Renner), die angesichts der ruhigen Lage in London die ganze Aufregung nicht nachvollziehen kann (so haben die Amerikaner die Infizierten bisher gar nicht in Aktion erlebt), ist in ihrer Lässigkeit und Nichtachtung der Befehle letztendlich einer der Auslöser der Katastrophe. Genauso wie Donald Harris, der sich nicht einmal traut seinen Kindern die Wahrheit über den Tod der Mutter mitzuteilen, und dessen schlechtes Gewissen ihn zu einem menschlich verständlichen Fehler treibt.

Das die hier geschilderten äußeren Umstände manchmal etwas unlogisch sind, wenn zum Beispiel Donald Harris mit seinem Hausmeisterchip sämtliche Sicherheitsbereiche betreten kann, ändert nichts an der wachsenden Spannung, die den Weg in die Katastrophe begleitet. Bis zu dem Zeitpunkt, indem die amerikanische Armee die Bevölkerung uninformiert und dilettantisch in einen Keller einsperrt, kann "28 Wochen später" voll überzeugen und zeigt sehr schön die klaustrophobe Situation der Anwohner und die hilflose Perfektion (Stichwort "Code Red") ihrer Aufpasser.

Doch dann gerät Fresnadillo in die konventionellen Fahrwasser des Horrorfilms. Man hofft, dass es noch einmal einen Break in Richtung der bakteriellen Seuche gibt, da immer wieder die Wichtigkeit des Genmaterials der Kinder Tammy und Andy betont wird, aber dieses Potential wird gar nicht mehr genutzt (außer für einen banalen Schlussgag). Stattdessen verkommt "28 Wochen später" zu einer Hetzjagd, in deren Folge die Flüchtenden immer weiter dezimiert werden. Das ist spannend erzählt und filmisch gut umgesetzt, gerade mit der manchmal etwas übertrieben eingesetzten Handkamera, die aber sehr gut das entstehende Chaos vermitteln kann. Manche Effekte wie in dem dunklen U-Bahnschacht sind überzeugend, aber in der Storyentwicklung recht vorhersehbar, die dazu noch einige gewollte Dramatisierungen hervorzaubert (wie das zufällige Erscheinen des infizierten Vaters kurz vor dem Ende der Flucht).

Fazit : "28 Wochen später" ist eine gelungene Fortsetzung zu Danny Boyles Vorlage, auch wenn sie dessen kritisches Potential weiter abschwächt. Die Schilderung der Neubesiedlung in der ersten Hälfte des Films ist überzeugend und erschreckend, aber sobald die Katastrophe dann eintritt, verfällt der Film leider in übliche Fahrwasser.

Für Horrorfilmfans mag die zweite Hälfte dank der gelungenen Action, Gore-Effekte und einigen Spannungsmomenten durchaus auf Gegenliebe stossen, aber bei genauer Betrachtung fällt die sehr konstruierte Handlung negativ ins Gewicht. Trotzdem insgesamt ein gelungener Genre-Beitrag, auch wenn die viel beschriebenen Zombies hier gar nicht vorkommen - allerdings halte ich eine Fortsetzung a lá "28 Monate später" für Unsinn, denn wenn man das Szenario konsequent zu Ende denkt, scheinen mir "28 Stunden" angemessener (6,5/10).

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