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Sehr geehrter Peter Jackson!

Ich komme nicht umhin, Ihnen diesen Brief zu schreiben, um zum Ausdruck zu bringen, wie froh ich bin, dass es auf dieser Welt noch einen Regisseur gibt, der großes Blockbuster-Kino adäquat umzusetzen instande ist. Wie ich darauf komme? Nun, ich habe mir kürzlich Michael Bays „Transformers“ im Kino angesehen, dessen Scheitern mir erneut vor Augen führte, wie sehr wir Sie, Mr. Jackson, und Filme wie „King Kong“ brauchen. Blockbuster mit Seele.

Gerade Ihr Affenfilm zeigte zuletzt noch einmal überdeutlich, dass es mehr benötigt als ein hohes Budget und bizarre Kreaturen. Der Zuschauer muss einbezogen werden, das Spektakel muss irgendwie bei ihm verfangen, sonst rauscht es haltlos vorbei. Da nützen dann nämlich auch keine grandiosen Effekte als Rettungsanker mehr.

Denn die sind heutzutage bei weitem das geringste Problem: Sie sind mittlerweile so gereift, dass man wirklich Metallgiganten zu sehen glaubt. Ein guter Regisseur würde diesen Effekten vertrauen, ihr Objekt in den Mittelpunkt stellen. So wie Sie es mit Gollum und dem großen Affen getan haben. In langen Einstellungen haben Sie King Kong eingefangen, mitunter die Leinwand gar nur mit seiner Augenpartie gefüllt.
Denn Sie wussten, wer das Zentrum des Films ist. Wer den Zuschauer zu packen hat.
Ihr Kollege Bay scheint das etwas anders zu sehen, denn kaum eine Aufnahme seiner stählernen Kolosse ist länger als ein Wimpernschlag. Und das, obwohl die Roboter bis zum kleinsten Lackkratzer ausgestaltet sind. Bay demontiert die wunderbare Arbeit der Trickstudios mit seinem, seit den Neunzigern patentiert-vorhersehbaren Videoclip-Stil und stellt lieber großflächig Army-Material zur Schau. Nur: Was soll mich als geneigten Zuschauer amerikanisches Kriegsgerät interessieren, wenn ich sehen kann, wie ein Sportwagen sich in einen Kampfroboter verwandelt? Die Transformationen hätten ein zentrales Element des Films sein müssen, gehen aber dermaßen schnell vonstatten, dass auf der Netzhaut nur vage Erinnerungen an wirbelndes Metall verbleiben, wo sich großartige Kinobilder eingeprägt haben sollten. Man stelle sich vor: Eine langsame Kamerafahrt an Bumblebee heran… hat sich da eben der Seitenspiegel bewegt?... es beginnt zu knirschen… die Stoßstange klappt weg… die Räder verschwinden in der Karosserie… usw. Die einzigen Geräusche in dieser Szene wären die metallischen Klänge des sich verformenden Autos. Keine Musik. Ganz so, wie Sie es mit Kankras Auftritt in "Rückkehr des Königs" machten, oder mit dem ekligen Getier in der Schlucht in "King Kong". Zurücknahme für maximale Aufmerksamkeit. Man möchte doch den Ablauf der Transformation verfolgen, so wie das titelgebende Spielzeug auch Schritt für Schritt umgebastelt werden musste. Das Kind in sich erwecken. Doch dafür hat Bay keine Zeit, 140 Minuten Laufzeit wollen besser genutzt werden, beispielsweise mit nebensächlichen Hackerplots und heimtelefonierenden Wüstenkriegern. Wen interessiert da schon eine Verwandlung, die ja nur die Action einleiten soll? So scheint mir zumindest der „Armageddon“-Regisseur zu denken.

Sie, Mr. Jackson, denken da anders, Sie wissen, auf welche kleinen Details es zu achten gilt, deshalb möchte man ihre Filme ja auch immer wieder sehen. Weil sie die richtigen Prioritäten setzen. In diesem Fall wären dies die titelgebenden Transformers. Doch was tut Bay? Möchte die Ankunft der Besucher aus dem All lieber zum Anlaß nehmen, uns eine Kette menschlicher Krisenteams aufzureihen. Politiker. Militär. Wissenschaftler. Und die unvermeidlichen Hacker. Denn: Ihm geht es um die Menschen. Das ist zwar in Filmbesprechungen eine allgemein beliebte Habenseiten-Floskel, hier aber ein großes Problem. Ausgerechnet hier sollte es nämlich mal nicht um die Menschen gehen! Halloho! Riesenroboter!

Nach „Bad Boys 2“ und dessen bedenklicher Eigenart, Menschen eher als amüsanten Kollateralschaden in die Handlung einzubauen, war ich durchaus geneigt, Bay für den Richtigen für das Kampfroboter-Projekt zu halten. Spielten die Menschen in der Vorlage doch auch immer die zweite Geige hinter den handlungs- und sympathietragenden Bots. Waren wir mal zu sehen, dann nur, um die Überlegenheit der Besucher aus dem All durch technische Unzulänglichkeit zur Schau zu stellen. Auf diesen Kurs schwenkt der Film auch zunächst ein, als allerlei irdisches Kriegsgerät zerdeppert und darauf hingewiesen wird, dass sämtliche technologische Errungenschaften der Neuzeit sich auf den Fund und die Erforschung eines Transformers im Kälteschlaf gründen. Doch spätestens mit dem Triumph eines kleinen Trupps Soldaten über einen Skorpion-Bot in einem Wüstenscharmützel hat dies ein Ende (die Spezialität des bösen Robos war es übrigens, sich hinterhältig im Sand zu verbuddeln, viel Fantasie fehlt hier nicht zum Husseinicon). Irdische Zähigkeit und Firepower machen den metallischen Schurken flugs den Garaus, was die Ankunft der Autobots natürlich dramaturgisch auf ganz wacklige Beine stellt. Eigentlich als deus ex machina unsere letzte Hoffnung vom Dienst, werden sie nun Zeuge unserer recht wehrhaften Natur, mittels derer wir sogar in der Lage sind, auf dem Rücken über Asphalt wie auf Eis gleitend die fiesen Decepticons zu Altmetall verarbeiten (ja, das passiert zum Showdown hin, und es ist exakt so brechreizerregend heroisch, wie nur irgend möglich). Irgendwie scheinen wir ganz gut alleine zurecht zu kommen, wozu braucht es eigentlich die Autobots. Höchstens zum Foltern. Was wir dann auch tun. Das hatte man sich nach der markigen „Their War – Our World“-Werbekampagne aber ganz anders vorgestellt!

Welche Traumata Bay hier über ein Familienspektakel abzuarbeiten versucht, ich will es mir nicht genauer ausmalen. Ich bin nur sicher, Mr. Jackson, Sie hätten das anders hinbekommen. Sie hätten die simple Schwarz-Weiß-Konstruktion der Geschichte wirken lassen. Die Decepticons bedrohlich wirken lassen, und die Autobots entsprechend sympathisch demgegenüber zu stellen gewusst, ohne übertrieben kindische Szenen wie das Autobot-Versteckspiel im Vorgarten des Helden inszenieren zu müssen (welche sich ohnehin extrem mit den vorangegangenen Kriegsszenen beißen; da zeigt sich mal wieder, dass nichts Gutes dabei herauskommt, wenn man es allen Zuschauern recht machen will). Aus den Kämpfen zwischen den beiden Roboterlagern hätten Sie die Menschen herauszuhalten gewusst. Die gewisse, entscheidende Balance gewahrt. Denn wenn Sie eines mit Ihren Filmen unter Beweis gestellt haben, dann Einfühlungsvermögen. Ein Wort wie ein Fremdkörper in einem Atemzug mit dem vorliegenden „Transformers“, aber ich sehe mir lieber eine Geschichte von jemandem an, der auch eine Geschichte erzählen möchte. Jemand, dessen Phantasie vom zugrunde liegenden Spielzeug zu mehr befeuert wird als zu gestelzten Lobgesängen auf Militär und Opferbereitschaft. „Transformers“ hatte die Chance, im Roboterzirkus menschliche Schwächen und Eigenarten zu karikieren. Aus dem Blick von außen seinen Reiz zu beziehen. Aber hier liegt das Problem; eine Menschheit in der Opferrolle ist des Bays Sache nicht. Sein Film sollte eher Humans: And how we kick metal asses which happen to be Transformers heißen.

Die Frage bleibt: Warum nur? Warum nur betont der an menschlichen Problemen sonst nicht im Geringsten interessierte Bay ausgerechnet in einem Projekt, dem diese Eigenschaft tatsächlich einmal zum Vorteil gereichen würde, das Menschliche? Sollte Produzent Spielberg am Ende gar auf diese Komponente gedrungen haben? Wäre dem so, er hätte den „Transformers“ damit einen Bärendienst erwiesen. Ich wünsche mir für die Zukunft keine weiteren Kollaborationen dieser zwei Herren. Spielbergs "War of the Worlds" zeigt eh, wie´s geht mit der "Bedrohung von Außen". Da benötigt man nicht diese hier vorliegende Elefantenhochzeit mit Kater.

Damit möchte ich jetzt nicht sagen, dass der Film komplett ohne menschliche Handlungsträger funktionieren müsse (das wäre im Hinblick auf das Zielpublikum dann doch der nerdigen Entfremdung zuviel), aber ich behaupte, eine Verschiebung des Fokus hätte dem Projekt gut getan. Man stelle sich das Ganze aus Sicht der Autobots erzählt vor, die auf der Erde landen, ihre seltsamen Begegnungen mit Tankstellen und Verkehrsregeln haben und schließlich unseren menschlichen Helden treffen, der in einem Parallelstrang in die Handlung eingeführt wurde. Dann stelle man sich die ganze Chose um die dämlich-überflüssigen Hacker- und Geheimdienstplots bereinigt vor, entferne auch den schicksalsgebeutelten Armeehelden… man merkt erst im Nachhinein, wie sinnlos überfrachtet dieser Film ist. Dabei könnte, nein, MÜSSTE alles doch so einfach sein. Platz genug für grandiose Roboteraction.

Stattdessen nur Fragen:
Warum tarnt sich ein Spionage-Decepticon umständlich als Ghettoblaster, um Minuten später gemütlich über ein Rollfeld voller Menschen zu flanieren? Wie kann ein vom Himmel fallender Roboter in einen Gartenpool passen, wenn seine Kollegen in ihren Transportkapseln ganze Lagerhallen abfackeln oder ein Baseballstadion umdekorieren? Welche Wettschuld löst John Turturro mit dem Spielen einer unglaublich peinlichen Rolle als Chef einer Geheimbehörde ein? Warum kann er bei einer Vorführung einen Mini-Decepticon mit einem augenscheinlich selbstentwickelten elektromagnetischen Impuls grillen, diese Waffe aber nicht zur Anwendung gegen die großen Exemplare kommen lassen? Weshalb spielt Jon Voight nur noch in Mistfilmen mit? Wieso sind die Transformers in ihrem eigenen Film nur Nebendarsteller? Warum wird ausdrücklich Bumblebees Wunsch, auf der Erde zu bleiben, betont, wenn danach sowieso die ganze Kompanie bei uns einkehrt? Ach ja, klar… Fortsetzung. Himmel hilf. Nicht mit mir. Oder nicht mit Bay. Dann gerne mit mir.

Dabei hatte ich so schöne Vorstellungen von diesem Film. Sie auch, Mr. Jackson? Hätten Sie nicht auch dem Superbösewicht Megatron mehr als ein paar kümmerliche Minuten Leinwandpräsenz gegönnt? Hätten Sie auch gerne mehr gesehen als zweieinhalbstündigen Trümmerregen?

Wenn dem so ist, dann sei es mir zum Abschluss gestattet, ein wenig ins Träumen zu geraten und mir vorzustellen, „Transformers“ sei von Ihnen inszeniert worden. Ja, ich sehe den Film richtig vor mir… nicht schlecht, Mr. Jackson. Genau so muss das sein. Und wäre es doch nur so.

Alles Gute,
Chili

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