Review

Es war ein harter Schlag für die Filmemacher der DDR, als Mitte der 60er eine Zensurwelle ungeheuren Ausmaßes über ihr Schaffenswerk hineinbrach. Nach aufkommenden Liberalisierungsversuchen in einer noch jungen Republik und der damit aufkeimenden Hoffnung, mittels Kunst den Menschen Missstände im eigenen Land aufzeigen zu können, platzte das 11. Plenum des ZK der SED und zeigte einer Reihe von bekannten Regisseuren die Rote Karte. Fortan war der Begriff „Kellerfilm" geboren, oder aber auch „Kaninchenfilm". Bei dieser Wortschöpfung stand tatsächlich Kurt Maetzig's „Das Kaninchen bin ich" Pate. Ulbricht selbst soll sich mit „Kaninchenfilm" abfällig über diese Filme geäußert haben.

Erst nach der Wende erfuhr der Film seine Neuaufführung und es stellt sich natürlich die Frage, ob er heute noch auf ein interessiertes Publikum trifft. Wer will sich heute noch mit gesellschaftspolitischen Problemen eines untergegangenen Systems beschäftigen? Besitzt der Film eine wie auch immer geartete Essenz, besitzt er sogar mit Blick auf heutige Verhältnisse noch eine Brisanz? Oder ist er nur noch ein Relikt aus alten Tagen, ein zeitgeschichtliches Kuriosum. Ich bin mir sicher, dass viele mit der Thematik nichts anzufangen wissen oder aber es auch nicht wollen. Aber der Film hat auch heute noch einen Blick verdient, da er im Gegensatz zum epochalen „Spur der Steine" nicht nur auf typische DDR-Verhältnisse fixiert ist. Denn es geht hier um die Selbstverwirklichung, um die Gestaltung seines eigenen Lebens. Um den Willen, im Leben zu kämpfen und nicht auf der Stelle zu stehen. Und der Film ist auch ein Liebesdrama, in dem durch unglückliche Umstände nicht nur eine Liebe scheitern musste, sondern auch eine familiäre Liebe auf den Prüfstand gerät.

Im Mittelpunkt des Filmes steht die junge Maria Morzeck. Eine hübsche und selbstbewusste Frau, die beizeiten gelernt hat, auf eigenen Beinen zu stehen. Keine Eltern mehr und deshalb bei einer Tante lebend, ein harter Job in der Gastronomie, oftmals mit Nachtschichten verbunden und der Traum von einem besseren Leben. Insbesondere der Wunsch, Slawistik zu studieren und Dolmetscherin zu werden, zeugt von einem offenbar entwicklungsfreudigen Menschen, der Stillstand hasst und im Leben vorankommen will. Ein Charakter, der äußerst sympathisch gezeichnet ist und auch in der Männerwelt für begehrenswert gehalten wird, dabei muss sie den plumpen Anmachsprüchen am Arbeitsplatz auf gewitzte Art und Weise ein ums andere Mal kontern.

Die heile Welt Marias kommt allerdings zeitig Risse. Ihr Bruder wird wegen „Staatshetze" zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und nach Brandenburg gebracht. Als dann auch noch aufgrund dieser Geschehnisse ihr der Studienplatz verweigert wird, gewissermaßen als eine Vorstufe zum Berufsverbot, ist sie am Boden zerstört. Als sie sich in den ältern Paul Deister verliebt, glaubt sie Halt finden zu können. Doch dann kommt heraus, dass Deister als Richter dafür verantwortlich war, dass ihr Bruder verurteilt wurde. Für Maria beginnt eine gefährliche Gratwanderung, bei der sie abzustürzen droht.

Obwohl in diesem Film für damalige Verhältnisse recht unverblümt Kritik an der Strafjustiz geübt wird, nimmt Maetzig darüber hinaus eine überraschend zurückhaltende Stellung ein und überlässt es vielmehr den Zuschauern, sich ein eigenes Urteil zu bilden, was aufgrund der mangelnden Fakten allerdings - zumindest damals - durchaus schwer gefallen sein dürfte. Das wird dadurch deutlich, dass das Vergehen des Bruders hier gar nicht näher untersucht wird. „Staatshetze" - in jener Zeit ein wirklich weitläufiger Begriff, wir wissen heute, dass das auch für ein Bagatellvergehen hätte stehen können. Der Zuschauer weiß damit genauso wenig wie Maria und man ist fast gezwungen, auch ihre Position einzunehmen. Dabei sorgt auch die geschickte Dramaturgie, bei der sie aus dem Off ihre Gefühle in der Ich-Form nach außen kehrt. Ihr eigentliches Unverständnis erstreckt sich so auch nicht auf die Strafe ihres Bruders an sich, sondern darauf, dass in einem anderen Fall, bei dem sie als Zeuge auftreten soll, ein Angeklagter auf Bewährung plädiert wird. Hier kommen ihr Zweifel an der sozialistischen Gerichtsbarkeit auf, da offenbar mit zweierlei Maß gemessen wird. Es wachsen daraus auch die Zweifel, ob ihrer Liebe zu Deister Bestand haben kann.

Und dennoch, einige Längen in der zweiten Hälfte des Filmes fordern vom Zuschauer einiges an Konzentration. Marias langes Festhalten an der Beziehung, ihr Zusammentreffen mit Deisters Frau auf dem Wochenengrundstück und ihre Auseinandersetzungen mit dem Geliebten, all dass ist zwar sehr dicht inszeniert worden, lässt allerdings den gesellschaftlichen Kontext fast fallen und wird so zu einer losgelösten Dreiecksgeschichte, die ab hier fast nur noch auf der melodramatischen Seite punkten kann. Auch Deisters Karrieredenken wird nur verkürzt wiedergegeben und verliert somit an Schärfe, was ein wenig schade ist. Vielleicht hat Maetzig auch geahnt, was da auf ihn zugekommen wäre, wenn er hier tiefgründiger geschürft hätte. Das ist auch der nach meiner Meinung gravierendste Unterschied zum ansonsten ähnlich angelegten Klassiker „Spur der Steine". Dort entwickelt sich ebenfalls eine verhängnisvolle Liebensbeziehung zwischen drei Personen, die Ingenieurin Kati Klee muss hier ihre Gefühle zum Parteisekretär Horrath und dem Bauarbeiter Balla ausloten. Doch hier wird die Entwicklung dieser zwischenmenschlichen Beziehungen noch enger herangerückt an den sozialistischen Alltag und durchwirkt von den Problemen auf der Baustelle, eine dadurch für den Zuschauer für das Verständnis der Geschichte irgendwie greifbarere Illustration der damaligen Zeit.

Maetzig's Films setzt zum Schluss traurige als auch optimistische Bilder in einen seltsamen Kontrast. Es kommt einerseits zum offenen Bruch zwischen Maria und ihrem Bruder, der nach seiner Entlassung aus der Haft von der Affäre Wind bekommt. Dieser emotionale Ausbruch in der Wohnung Marias lässt die leise ausklingende Beziehung zwischen Maria und Deister fast in den Hintergrund rücken. Das Schlussbild ist jedoch symptomatisch für den damaligen Willen, in der noch im Aufbau begriffenen ostdeutschen Republik Veränderungen zu bewirken. Denn Maria ist am Ende keine gebrochene Frau, erst recht keine Gescheiterte. Sie verlässt ihre Tante und zieht mit ihren gepackten Sachen durch die vollen Straßen, mit festem Schritt ausschreitend. Ihr Blick ist geradeaus gerichtet, sie macht den Eindruck, als wenn sie ein festes Ziel vor Augen hätte. Und auch die Männer schauen ihr schon wieder nach. Hundertprozentig, aus der Frau wird mal was, vielleicht sogar eines Tages Dolmetscherin...

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