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Bei so einer Traumkombination erwartet man eigentlich etwas mehr. Ridley Scott („Alien“, „Blade Runner“) inszeniert mit „American Gangster“ einen zweieinhalbstündigen Gangsterkrimi nach einer wahren Begebenheit, kann sich auf die gewohnt souveränen, im vorliegenden Fall aber keinesfalls extrem leidenschaftlichen, Topleistungen von Denzel Washington („Crimson Tide“, „Man on Fire“) und Russell Crowe („The Insider“, „Gladiator“) verlassen und beeindruckt mit einer authentischen Ausstattung, dass man meinen könnte, die gesamte Crew wäre in die Zeitmaschine gestiegen, um an den originalen Schauplätzen zu drehen, bekommt das Duell zwischen den beiden Kontrahenten aber nicht richtig in den Griff. Dieses Problem ist aber vermutlich der Vorlage geschuldet, denn Frank Lucas blieb lange Zeit eine anonyme Größe im Drogengeschäft, weil er Aufsehen vermied.

Seinen Großteil verbringt der Film mit der Charakterisierung seiner beiden Hauptfiguren, die, obwohl sie nicht auf der selben Seite stehen, sich gar nicht mal unähnlich sind. Lucas importiert Drogen direkt von den Mohnfeldern Vietnams ohne Mittelsmänner, missbraucht dafür die Särge gefallener G.I.s und kann beste Ware zu Dumpingpreise auf den Markt werfen, während Richie Roberts als unbestechlicher Cop mit beruflichen Ambitionen die Ausnahme unter den Kollegen darstellt, von ihnen deshalb gemieden wird und auf Wunsch von höchster Stelle ein Sonderdezernat aufziehen darf, das den Drogensumpf in New York endlich trocken legen soll. Dabei kommt zunächst niemand auf die Idee, dass ein Afroamerikaner in einen Geschäftszweig eingedrungen ist, den die italienische Mafia fest in der Hand hält.

„American Gangster“ schildert den Aufstieg und Fall von Frank Lucas sehr detailliert, untersucht die Strukturen seines Imperiums, und lässt Richie Roberts dadurch etwas in den Hintergrund treten. Der Cop hat größere Probleme mit seinem Privatleben, seiner Herkunft und natürlich den bestechlichen Kollegen, die ihn mit Misstrauen begegnen und jede Form von Unterstützung versagen, während Lucas als jahrelanger Helfershelfer die Märkte genau beobachtet hat, ein neues Modell entwirft und sich die letzten Worte seines Mentors zu Herzen nimmt, um ein besseres Leben zu führen. Nach dessen Tod nimmt er seine Position ein, setzt die verinnerlichten Mechanismen der freien Markwirtschaft im Drogenhandel um und setzt sich mit ausgefahrenen Ellenbogen gegen die Konkurrenz durch, ohne in der Öffentlichkeit aufzufallen. Darin begründet sich der Geheimnis seines Erfolgs.

Der Einblick in das organisierte Verbrechen und der darin mehrheitlich verstrickte Polizeiapparat spült unter anderem nach jahrelanger Kinoabstinenz auch Armand Assante („Judge Dredd“, „1492: Conquest of Paradise) wieder auf die große Leinwand und wurde überhaupt bis in die kleinste Nebenrolle (besonders gut: Josh Brolin als korrupter Cop) exquisit besetzt, fördert interessante Fakten zutage, wird dem Publikum aber relativ distanziert vorgeführt. Der letzte Funke springt einfach nicht über.

Vielleicht liegt es an den beiden Hauptfiguren, die sich gegenseitig mit viel Respekt begegnen, aber beide keine Identifikationsfiguren darstellen, weil sie kaum positive Seiten haben, sondern nur ihren eigenen Prinzipien folgen beziehungsweise das tun, was sie für richtig erachten.
Scott gelingt es nur sehr mühevoll ihre Profile herauszuarbeiten. Es fehlt an Reibungspunkten, in die Augen schauen sie sich zum ersten Mal gar erst zum Schluss in einer immerhin imposanten Szene und obwohl keiner von beiden sich in das Raster seiner Kollegen einordnen will, mangelt es am Außergewöhnlichen abseits der Denkweisen und Ansichten, die nicht der Norm ihres Metiers entsprechen.


Fazit:
Es bleibt dabei: Die bildgewaltigen Stoffe liegen Ridley Scott wesentlich besser. Ein großer Erzähler wird er nicht mehr und sollte solche Stoffe deswegen auch lieber Kollegen wie Francis Ford Coppola, Martin Scorsese oder Michael Mann überlassen. „Kingdom of Heaven“ hatte ein ähnliches Problem. Obwohl er visuell überzeugte und technisch perfekt umgesetzt war, riss der Plot kaum mit. Scott wirkt phasenweise erneut müde und ausgebrannt. Vielleicht täte eine Pause mal ganz gut.
Das interessante Drehbuch bietet viel Potential, genutzt wird davon leider zu wenig. Es fehlt vor allem an Spannung und der Einbindung des damaligen Zeitgeistes. Die Auswahl erlesener Musikklassiker und Harris Savides („The Game“, „Zodiac“) erstklassige Kameraarbeit sind zwar für die nostalgische Atmosphäre mitverantwortlich, können die inhaltlichen Mängel aber nicht kaschieren. „American Gangster“ überzeugt letztlich inszenatorisch und weitestgehend auch schauspielerisch, bleibt trotz seines unkonventionellen Endes aber die erwartete Klasse schuldig.

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