Review

Den kometenhaften Aufstieg von Steve McQueen („The Getaway“, „Papillon“) schien nichts stoppen zu können. Auch wenn die Filme nur durchschnittlich waren, allein seine Präsenz und der Typ den er verkörperte, in dem auch ein Großteil von ihm selbst steckte, zog die Zuschauer an. Mit „The Sand Peebles“ reichte es seinerzeit zum ersten Mal auch zu einem Film epischen Ausmaßes (immerhin stattliche drei Stunden Laufzeit). Unter der Regie von Robert Wise („The Haunting“, „Star Trek: The Motion Picture“) trat die Adaption des gleichnamigen Romans von Richard McKenna einen bis heute sich fortsetzenden Siegeszug an, ohne etwas von seiner Aktualität einzubüßen.

Denn, auch wenn er sich erst auf den zweiten Blick als solches zu erkennen gibt, ist der Film ein politisches Statement, das 1966, also während der Vietnam-Krieg bereits begonnen hatte, sich zutraute die arrogante Haltung der amerikanischen Außenpolitik, an der sich bis heute so schrecklich viel bekanntlich nicht geändert hat, zu kritisieren.

China, 1926: Das Land steht vor dem Umbruch, einem Sturz ins Chaos und einer Neuordnung. Das alte U.S. - Kanonenboot San Pablo patrouilliert auf dem Yangtse-Kiang, um die dortigen amerikanischen Missionen und Handelskolonien zu beschützen. Frisch an Bord ist der neue Maschinenmaat Jake Holman (McQueen). Der einfache Mann, der sich aus Politik nichts macht, grundsätzlich seine Ruhe will und dafür liebevoll um seine Maschine kümmert, trifft an seinem neuen Arbeitsplatz auf ausgebeutete Chinesen, die für eine Schüssel Reis jegliche Drecksarbeit erledigen, eine Besatzung die sie akzeptiert und wie Sklaven behandelt, sowie eine angespannte Lage an Land, die jederzeit zu eskalieren droht. Captain Collins („Rambo“ – Vater Richard Crenna) soll schnell merken, warum Holman, trotz seines makellosen Dienstzeugnisses, in neun Jahren ganze sieben Mal versetzt wurde. Er hat einen Einzelgänger an Bord geholt, der seinem gesunden Menschenverstand und seinem zielstrebigen Sinn für Gerechtigkeit folgt und auf den Einzelnen Wert legt, anstatt sich politischem Kalkül zu unterwerfen. Seine Haltung soll Probleme nach sich ziehen...

Auch heute noch imponiert Wise Bebilderung des Abenteuers, das vorwiegend in Hongkong und Taiwan gedrehte wurde. Immens beeindruckende Naturkulissen, vor allem der mächtige Strom und die überfüllten, geschäftigen Städte, vermitteln einen ganz ureigene, authentische Atmosphäre. Das Flussdelta, immer wieder im Hintergrund auftauchend, die verruchten Kneipen und nicht zuletzt das ehrwürdig alternde Boot sind weitere Highlights. Optisch ist der Film eine Wucht.

Zügig schränkt Wise das Geschehen auf den Mikrokosmos an Bord ein, wo Holman sich schnell mehr Feinde als Freunde macht. Abseits seines Kumpels Frenchy Burgoyne (Richard Attenborough, „The Flight of the Phoenix”, „Jurassic Park”) muss er sich mit Kameraden herumschlagen, für die Rassismus, Unterdrückung und Ausbeutung längst zum Tagesgeschäft gehört. Nach einem tödlichen Unfall muss er dem Captain Rede und Antwort stehen, ist aber unschuldig und im Recht, wird also nicht bestraft.

In den kurzweiligen drei Stunden darf man freilich keine durchgehende Spannung erwarten. Der Film kombiniert ziemlich geschickt das, für Holman erstmal ungewohnte, weil vom Captain umstrukturierte (u.a. muss er als Maschinenmaat auch Wache schieben, was ihm nicht sonderlich passt) Leben auf dem Boot, zarte Romanzen und persönliche Schicksale mit Kampf und Tod. Denn die Lage in China spitzt sich zu, so dass Collins schließlich selbst dazu gezwungen sieht gegen Befehle und mit seinem Gewissen zu operieren.

Mit den politischen Wirren in China scheint auch das einst so harmonische Gefüge auf dem Boot, auch dank Holman, ins Wanken zu geraten. Der rebellische Matrose macht seinen Freund Frenchy mit dessen großer Liebe, einer in Ungnade gefallenen Chinesin bekannt und bringt es nicht übers Herz beide aus ihrem Tagtraum zu reißen, der offensichtlich jeden Augenblick wie eine Seifenblase zu zerplatzen droht, weil politisch nicht tragbar und spricht dem an Bord arbeitenden, versklavten, ihm aber sehr sympathischen Chinesen Po-han (ein ganz junger hierfür sogar Oscar-nominierter Mako in seiner erst zweiten Rolle) den nötigen Mut zu, um gegen seinen Peiniger in einen Boxkampf anzutreten. Er selbst entdeckt zu der Zeit schon die Liebe seines Lebens und damit zum ersten Mal auch einen Ort an dem er sich heimisch fühlen könnte.

Längen treten innerhalb des Szenarios trotz einer gemächlichen Erzählweise keine auf. Dafür vermag Wise den Zuschauer zu tief in diese Welt zu entführen. Einen Bärendienst erweisen ihm dabei die Darsteller. Steve McQueen ist ohnehin ein Selbstläufer (Kaum jemand, der mit so wenigen Gesichtsausdrücken und Blicken soviel sagen kann) , wird jedoch vom sensiblen Richard Attenborough und einem zweifelnden Richard Crenna, der später, als man zum Überwintern auf dem Wasser gezwungen wird, sich auch mit Disziplinlosigkeit und einer daraus resultierenden Fast-Meuterei auseinandersetzen muss, phänomenal ergänzt. Die hier debütierende Candice Bergen („The Domino Principle“, „Gandhi“) gibt noch den gutaussehenden love interest, der sich für den wortkargen Matrosen fasziniert. In ihrer weiteren Karriere sollten bessere Rollen, aber auch bessere Leistungen warten.

Zwar ging der Film trotz seiner acht Oscar-Nominierungen, vielleicht aufgrund seiner politischen Aussage (Auch hier mischen sich die Amerikaner in landesinterne Angelegenheiten ein..), in allen Kategorien leer aus, durfte sich allerdings über gute Einspielergebnisse und dementsprechende Kritiken freuen.

Sofern man mit der nötigen Geduld ausgestattet ist, sich ganze drei Stunden von diesem inzwischen natürlich altmodisch anmutenden, aber nichts von seiner Klasse eingebüßten Werk fesseln zu lassen, steht einem unterhaltsamen Filmabend nichts im Weg. Den Charakteren wird ihre Zeit gegeben, um sich zu entwickeln, die Gesamtlage wird erläutert und auch der Krieg gerät, besonders zum Schluss nicht ins Hintertreffen. Zusammengehalten wird alles von Wises souveräner Inszenierung, die einige unvergessliche Momente und Aufnahmen bereit hält.


Fazit:
Filmklassiker zum Eintauchen und Versinken, der über seine dreistündige Dauer nie langweilt, sondern seine Charaktere mit der Situation in Einklang bringt, sich für alles Zeit nimmt und persönliches Schicksal mit neuen Ansichten, Kampf, Krieg, Tod, aber auch Liebe und Romantik montiert, ohne dass hier das Gefühl einen Flickenteppich vorgesetzt zu bekommen, entsteht. Nicht zuletzt dank Steve McQueen und atemberaubender Kulissen ein echter Klassiker.

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