Fragt man den Durchschnitts-Filmgucker nach einem Jackie Chan Film, bekommt man zu 95% die Antwort "Rush Hour".
Die beiden Rush Hour Filme sind die einzigen Chan Filme, die weltweit mehrere Hundert Mio Dollar eingespielt haben. Rush Hour ist somit Chans weltweit populärster und bekanntester Film, was eigentlich überhaupt nichts zu sagen. Der Erfolg ist dem Marketing und nicht der Qualität zuzuschreiben.
Konsul Han's Tochter wurde entführt. Die Kidnapper fordern 50 Mio Dollar Lösegeld. Han besteht darauf, dass sein persönlicher Freund Lee (Jackie Chan) zusammen mit dem FBI ermittelt. Das FBI will keinen Chinesen im Team haben, schon gar nicht, wenn dieser eine persönliche Bindung zum entführten Kind hat. Der Polizist Carter (Chris Tucker) soll ihn von den FBI-Ermittlungen fernhalten, was diesem genausowenig passt, wie Lee selbst. Die beiden bilden ihr eigenes Team um die Tochter zu retten, was ihnen zum Schluss natürlich auch gelingt...
Ja, aus dieser recht simplen Alibi-Story hat Brett Ratner einen ganz unterhaltsamen Popcorn Streifen gemacht.
Das ungleiche Paar Jackie Chan und Chris Tucker, welches zu Beginn gar nicht miteinander auskommt, sorgt für einige gute Gags. Lee, der seriöse, pflichtbewusste und dennoch sympatische Cop aus Hong Kong ist ein guter Kontrapunkt zu seinem großmäuligen, egoistischen, aber stilvollen Plappermaul Carter. Die Chemie zwischen den beiden funktioniert wunderbar, und programmiert somit einen Großteil des Unterhaltungsfaktors des Films vor.
Dazu kommt noch eine gute Portion jugendgerechte Action, einigen netten Schiessereien, Explosionen und natürlich Chan spezifischen Fights und Stunts. Nur leider handelt es sich dabei allesamt um eine Light-Edition des wahren Jackie Chans.
Jackie Chans erstes Hollywodprojekt "Battle Creek Brawl" im Jahre 1980 scheiterte (trotz großer Publicity). Grund: Chan konnte sich nicht nach seinen Regeln austoben!
Jackie Chans zweiter Angriff auf den US-Markt "The Protector" 5 Jahre später wurde zu einem noch größeren Desaster, was wieder hauptsächlich daran lag, dass Chan sogut wie keine Kontrolle über den Film hatte.
Mit "Rumble in the Bronx" konnte Jackie endlich Erfolg in den USA verbuchen. War ja auch eine HK-Produktion, die jedoch für den amerikanischen Markt bestimmt war.
Darauf hin kamen einige ältere Chan-Schinken nochmals in die US-Kinos mit zwar mäßigem ERfolg, aber immerhin.
Aber Rush Hour sollte dann der endgültige Durchbruch für den Chinesen sein, und das obwohl er auch hier wieder ganz schön in seinen Fähigkeiten eingeschränkt wurde.
Und das sieht man jeder Kampfszene an. Man erkennt dass es sich um einen typischen Chan Fight handelt, doch es fehlt die ungeheure Dynamik aus seinen HK-Filmen sowie auch die "Autsch, das muss doch weh tun" Szenen, die der Zuschauer erleben darf.
Ich versuche Filme immer möglichst objektiv und nüchtern zu betrachten, doch die Tatsache, dass dieser qualetativ weniger ansprechende Film einen überdimensional größeren Erfolg verbuchen kann, als die wahren Vorzeigefilme des Hauptdarstellers, veranlasst mich doch zu einem detailierten Vergleich.
-Die Fights in Rush Hour erreichen nicht die furiose Dynamik von Police Story, Wheels on Meals oder Drunken Master 2.
-Die Stunts, sind kaum der Rede wert. Nichts dabei, wo der Zuschauer im Sessel zusammen zuckt, wegen dem Schmerz den der Stuntman erleiden muss. Die Klasse von Project A, nochmals Police Story oder Mission Condor nirgends auch nur annährend erreicht.
-Shootouts, sind zwar kein Markenzeichen von Jackie Chan, jedoch hat man in Police Story 3 oder Crime Story viel aufwendigere und fetzigere Schiessereien gesehen als in Rush Hour.
-Explosionen können hier ebenfalls kaum überzeugen. Mit Police Story 2 konnte Chan die beeindruckendsten Feuerbälle zeigen (ok, das waren eher die pyrotechniker), und dieser ist 10 Jahre älter als Rush Hour.
Nur die Comedy kann mithalten, auch wenn sie nicht mit asiatischem Humor verglichen werden kann. Die Gags können unterhalten, jedoch habe ich bei Dragons Forever (Action Hunter), oder Wheels on Meals wesentlich mehr gelacht.
Rush Hour verliert so ziemlich in allen Punkten gegen einen klassischen Chan Film. Selbst die Regie, kann sich gegen Chans Meisterleistung in "Miracles" nicht behaupten. Der Film liegt in allen cineastischen Bereichen unter Jackie's Fähigkeiten. Nur der stylische Look des Films (da es sich eben um einen Hollywoodfilm handelt) kann einen Punkt für sich gewinnen, sowie der Humor, der meist den Geschmack der Masse trifft.
So unfair der kommerzielle Unterschied zwischen Rush Hour und Police Story (Jackie Chans wahrer Vorzeigefilm) ist, möchte ich doch fair bleiben, und Rush Hour als das ansehen was er ist. Ein unterhaltsamer, mainstreamiger, Popcorn Streifen, der Spass macht, und hungrige Filmgucker gut sättigt. In eine Jackie Chan Top 20 schafft es dieser hier jedoch nicht.