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Das Buddy-Konzept ist beinahe so alt wie der Film an sich, was es nicht sehr einfach macht, hier noch großartig Innovationen zu setzen. Wirkliche Innovationen sind da auch beinahe unmöglich, gab es doch schon vor Jahrzehnten gute Vertreter wie "Ein seltsames Paar" oder auch die Spencer/Hill-Filme. Selbst "Lethal Weapon", vielleicht die beste Buddy-Reihe, kocht auch nur mit Wasser, das schon lange vor Riggs und Murtaugh verwendet wurde.

Nix Neues bietet erwartungsgemäß auch Brett Ratners "Rush Hour", der ein unerwartet großer Erfolg wurde und Jackie Chan zum einem neuen Schub verhalf. Überhaupt scheint Jackie im Westen gerade als die Hälfte eines Duos ein absoluter Erfolgsgarant zu sein. Stets mimt er den zurückhaltenden netten Kerl, den er in "Mr. Nice Guy" ja sogar parodiert. Sein Humor ist brav, seine Kampfkünste setzt er nur ein, wenn es nötig ist. Da bietet sich auf der anderen Seite ein Sprücheklopfer an, der als Pausenclown die Lücken füllt. Gegensätze ziehen sich an, und das Publikum liebt es. Warum also ein Erfolgskonzept ändern, wenn es nach wie vor gut läuft?

So bekommt Jackie neben dem Sunnyboy Owen Wilson in "Shang-High Noon" diesmal das schwarze Plappermaul Chris Tucker zur Seite gestellt, der sich in seinen vorangehenden Filmen vor allem durch den Versuch in den Vordergrund spielte, möglichst viele gesprochene Worte pro Sekunde zu sprechen. In "Das Fünfte Element" funktionierte das gut, in "Money Talks" hingegen nur mäßig. In "Rush Hour" klappt es wiederum ganz gut, was aber vor allem daran liegt, dass sein Partner Jackie nun umso mehr durch seine minimalistische Art glänzen kann. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rolle des Carter nicht auf Tucker zugeschnitten ist. Ein Martin Lawrence hätte sie ebensogut spielen können.

Auf jeden Fall wurde das an sich abgenudelte Buddy-Konzept gut in die Story integriert. Auslöser für alles ist die Entführung der Tochter eines chinesischen Konsuls, die in der titelgebenden Rush Hour stattfindet (was für ein blöder Filmtitel). Inspektor Lee (Chan) ist mit dem Konsul befreundet, weshalb er von dem Fall persönlich betroffen ist. Der Konsul traut dem FBI die Lösung des Falles alleine nicht zu und besteht darauf, Lee in die USA einfliegen zu lassen, damit er bei der Lösung des Falls behilflich sein kann. Das passt dem FBI gar nicht in den Kram. So braucht man einen "Babysitter" für Lee, der den aus dem Fall heraushält. Weil man hierfür keinen Mann aus den eigenen Reihen entbehren will, wendet man sich an die Polizei. Und die ist froh darüber, endlich mal den aufmüpfigen Carter (Tucker) loszuwerden, weil der gerade mal wieder unnötigerweise jede Menge Kollateralschaden bei der Verfolgung eines Verdächtigen verursacht hat.

Die Konzeption in diesen ersten Minuten wird von Ratner sehr gut eingearbeitet. Wenn die ganzen Entwicklungen in den Anfangsminuten auch etwas realitätsfern erscheinen mögen, kann man doch nicht abstreiten, dass alles fließend und angenehm unauffällig auf die zielgesetzte Buddykonstruktion Tucker/Chan hinausläuft. So ist keine Szene überflüssig: Chans Einleitung auf dem Schiff in Hong Kong dient dazu, dem Konsul einen Bericht abliefern zu können und damit die Freundschaft und persönliche Nähe zwischen beiden zu verdeutlichen, während das Gespräch zwischen Chris Tucker und Chris Penn vor dem Kofferraum und die anschließende Flucht mit Explosion dafür sorgen, dass die Entscheidung des Polizeikommissars verständlich wird, einen seiner Leute für den etwas erniedrigenden Kindermädchenjob beim FBI zu entbehren. Außerdem werden hier einige Leute vorgestellt, die später noch einen nicht zu verachtenden Anteil am Verlauf der Geschichte haben werden: der Bösewicht beim Buffet, der kleine Gauner (Chris Penn) oder Carters Partnerin. Letztere dient weiterhin dazu, zu verdeutlichen, dass Carter erstens ein Frauenheld ist und zweitens keinen Partner haben will.
So kommen wir langsam zum ersten Buddy-Gesetz: Die Buddies dürfen sich nicht ausstehen, wenn sie sich kennenlernen. Dies ist nun beidseitig garantiert. Lee ist voller Ernst bei der Sache. Ihn interessiert nur, dass das Mädchen heil aus der Sache herauskommt, sonst nichts und niemand. Als sich Carter auch noch als nerviges Hindernis herausstellt, das ihn bei der Suche behindert, ist es bereits um jegliche freundschaftlichen Züge geschehen.
Carter im Gegenzug will ja erstens gar keine Partner haben (weshalb, wird später auch noch erklärt) und zweitens will er sich nicht vom FBI als Kindermädchen ausnutzen lassen. Letzteres mutet schon etwas seltsam an, denn naiv wie Carter ist, hinterfragt er das Jobangebot des FBI zu keiner Zeit. Er freut sich wie Schneewittchen, dass das FBI ihn haben will. Aber als er dann hört, worum es geht, blickt er schlagartig durch und weiß sofort, dass er hier verarscht wird. Aber gut, schließlich benötigte man ein Motiv, um Buddy-Regel Nr. 1 einzuhalten.
Bei der Ankunft Lees am Flughafen ist Carter nun also besonders stinkig, und Lee mag seinen neuen Partner offenbar genauso wenig. Dann folgen ein paar nette Momente, in denen Lee Carter einfach quasseln lässt und damit gründlich verarscht (wie genau, das kann man sich dann ja ansehen; jedenfalls sind stille Wassr tief).

Buddy-Regel Nr. 2: Buddies ergänzen sich. Bei den etwas ungewöhnlichen Ermittlungen offenbaren sich die besonderen Fähigkeiten von beiden sowie die besonderen Vorlieben. Carter quatscht seine Gegner zu Tode, Lee bringt sie durch seine Kampfkünste zum Schweigen; Carter steht auf Hip Hop, Lee mag die Beach Boys. Noch spielen sich beide gegenseitig aus und behindern sich damit, obwohl sie das gleiche Ziel haben. Sie müssen sich also erst aufeinander abstimmen. Und das führt uns direkt zu Buddy-Regel Nr. 3: Je mehr Zeit Buddies miteinander verbringen, desto mehr mögen sie sich. Ja, langsam erfahren sie immer mehr übereinander und stellen gewisse Parallelen fest, wie zB. das Verhältnis zu ihren Vätern. So sind sie sich bei all ihrer oberflächlichen Unterschiedlichkeit doch eigentlich ziemlich ähnlich. Und nur so wird am Ende das Abenteuer bestanden. Man kann sogar genau den Zeitpunkt festmachen: bei der Observation und dem unterlegten "Uh...ah...what is it good for? Absolutely Nothing!" weicht der ernste Umgang miteinander der langsam aufkommenden Freundschaft, die dabei hilft, den Fall zu lösen.

Der Fall an sich ist eigentlich eher belanglos; das Finale als solches auch, jedoch hat es ein paar wirklich gute Stunts zu bieten, wie etwa der "Vasenkampf" oder der Sprung über den riesigen Wandteppich, der auch wieder das Teamwork der beiden Protagonisten erfordert.
Weitere Action-Highlights sind die Bus-Akrobatik in Chinatown, die ein wenig an die Alien-Verfolgungsszene aus "Men in Black" erinnert, sowie vor allem der toll choreographierte Kampf im Restaurant, der allerdings etwas erzwungen hergeleitet wirkt. Carters Entscheidung, sich mutterseelenallein mitten in einen Haufen von Triaden zu begeben, so ganz ohne Rückendeckung, ist jedenfalls nur wenig nachvollziehbar.
Was ein wenig fehlt, ist ein markanter, greifbarer Gegenspieler. Der blondierte Asiate ist zwar ziemlich präsent, stellt sich am Ende jedoch als zittriger Handlanger heraus, der zuvor noch mit sicherer Stimme Forderungen gestellt hatte. Der Big Boss hingegen hat seinen Titel überhaupt nicht verdient, tritt er doch nur ziemlich versteckt und anonym in Erscheinung.

Trotzdem ist "Rush Hour" eine überaus unterhaltsame Buddy-Actionkomödie, die sich penibel an die Regeln des Spiels hält und gerade dadurch punktet. Denn die Chemie zwischen Chan und Tucker stimmt dank des ausgefeilten Drehbuchs, welches zwar doch einige Logiklöcher aufweist, die aber in Anbetracht der Fokussierung auf das asiatisch-amerikanische Zweigespann im Mittelpunkt zu verschmerzen sind. Der große Publikumserfolg wird der Qualität von Ratners Film gerecht - nicht mehr, nicht weniger.
7,5/10

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