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"Dein Bruder hätte etwas dagegen gehabt!" - "Davon durfte dein Bruder nichts wissen!" - Immer wenn Albert Grusinsky (Robert Duvall) etwas zu einem seiner Söhne sagt, dann nennt er kaum einmal den Vornamen des anderen Sohnes, sondern spricht immer von "deinem Bruder" - als ob der Familienzusammenhalt noch durch die Sprache betont werden müsste.

"Helden der Nacht" erzählt zwar vordergründig den Kampf der New Yorker Polizei gegen die russische Drogen-Mafia Ende der 80er Jahre, aber tatsächlich handelt es sich um einen Familienfilm. Genauer um die Auseinandersetzung zwischen zwei Familienclans - auf der einen Seite die Polizistenfamilie Grusinsky, auf der anderen die russische Familie des Marat Buzhayev (Moni Moshonov), der einen gut laufenden Pelzhandel betreibt und zudem Besitzer einer großen Diskothek ist.

Eine klare Trennung zwischen diesen Gruppierungen ist zu Beginn nicht zu erkennen, denn Robert Green (Joaquin Phoenix) leitet erfolgreich diese Diskothek und geht bei Buzhayevs Familie ein und aus. Das er sich bei ihm um den Sohn des Polizeichefs Grusinsky handelt und das seinem Bruder Joseph (Mark Wahlberg) gerade die Leitung der Drogenfahndung in New York übertragen wurde, weiß in seiner Umgebung Niemand.

"Helden der Nacht" entwirft zwei Lebensentwürfe, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Kamera begleitet zu Beginn Robert bei seinem Parforce-Ritt durch die Disco- und Drogenszene, ständig von Freunden und Bewunderern begrüßt, begleitet von seiner schönen Freundin Amada (Eva Mendes) und immer auf dem Weg zum nächsten Event. Ein Leben voller Sex, Ausschweifungen und Ablenkung. Dagegen wirkt das Polizeifest zu Ehren seines Bruders Joseph, auf das Robert eher gezwungenermaßen mit seiner Freundin geht, äußerst trist und spartanisch. Nicht erstaunlich, dass er bald wieder weg will, besonders nachdem ihm sein Bruder auch noch ins Gewissen redet, damit Robert für ihn als Spitzel in seiner Disco agiert.

Dort verkehrt nämlich der Neffe seines Chefs - Vadim Nezhinski (Alex Veadov), ein berüchtigter Dealer und Killer - den die Polizei endlich überführen will. Sein Onkel weiß angeblich nichts davon, aber angesichts der engen familiären Bindungen, die immer wieder innerhalb der russischen Familie gezeigt werden, scheint das zumindest fragwürdig. Robert, der viel von seinem Boss hält, lehnt das Ansinnen seines Bruders ab, worauf dieser kurz danach eine Razzia in dessen Laden durchführt und auch Robert im Knast landet. Als man ihn freilässt kommt es zu einer Prügelei zwischen den beiden Brüdern und dem anschließenden Schwur, nichts mehr miteinander zu tun haben zu wollen.

Bis zu diesem Zeitpunkt entwickelt „Helden der Nacht“ sein Konfliktpotential überzeugend, und auch wenn die Darstellung der zwei Seiten – hier die moralisch einwandfreie, bescheiden agierende Polizei, dort das dekadente Party-Leben – schon leichte Sympathie-Tendenzen zeigt, so ist es vor allem Joaquin Phoenix zu verdanken, dass noch ein Gleichgewicht vorhanden ist. Trotz Drogen und Oberflächlichkeit, ist ihm auch in seiner Tätigkeit als Disco-Manager eine professionelle Ernsthaftigkeit anzumerken, der Umgang mit seinen Geschäftspartnern zeugt von gegenseitigem Respekt und vor allem seine Liebe zu Amada lässt promiskuitives Verhalten vermissen. Stattdessen reden sie von Kindern und einer langen gemeinsamen Zukunft.

Auf Grund dieser charakterlichen Tiefe wären die Voraussetzungen für eine komplexe Betrachtung von Moral und Verantwortung gegeben gewesen. Gerade in Phoenix’ Rolle steckte das Potential für innere Zerrissenheit, für fehlende Eindeutigkeiten im gewohnt plakativen Stil – hier die Guten, dort die Bösen. Regisseur James Gray und seine beiden Hauptdarsteller hatten in „The Yards“ schon bewiesen, dass man differenziert an solche Konflikte herangehen kann. Phoenix zeigte in der Rolle des scheinbar rücksichtslosen Aufsteigers auch menschlich respektvolle Seiten und Wahlberg war als Sympathieträger gleichzeitig schwach und unkonkret in seiner Haltung. „The Yards“ bewies, dass das jeweilige Handeln auch von der anderen Seite abhängig ist, und das Schuld selten eindeutig bestimmbar ist.

„Helden der Nacht“ verschenkt dieses Potential, denn als Joseph einen Tag nach der Razzia beinahe von einem Killer erschossen wird und schwer verletzt im Krankenhaus liegt, zögert Robert keine Sekunde, stellt sich sofort und freiwillig in den Dienst der Polizei und mutiert quasi im Schnelltempo zum „Musterbullen“. Innere Kämpfe, Trauer über den Verlust des früheren Lebens oder gar Abschied von Freunden (die es in diesem Milieu letztlich bekanntlich nicht gibt) finden nicht statt. Der äußere Stil des Films, der sich optisch und erzählerisch in den Zeitkontext vor 20 Jahren stimmig einfügt, bleibt scheinbar gleich, aber die Komplexität der Story geht verloren. Auch wenn einzelne Szenen – wie Roberts Spitzelgang in die Höhlen der Drogenmafia – spannend erzählt werden, so schwindet die allgemeine Spannung zusehends, da die Verteilung der Sympathien an Eindeutigkeit nicht zu überbieten ist.

Die Bösen um den Drogenneffen und seine Gang treten nur noch als schwer bewaffnete Killer auf und in der Polizeitruppe menschelt es zusehends. Robert, Joseph und ihr Vater finden immer mehr zusammen und gleichen auch die jeweiligen psychischen Probleme des Anderen aus – erst der angeschlagene Robert, der unter dem Zeugenschutzprogramm und der ständigen Lebensgefahr leidet, dann der auf Grund des beinahe tödlichen Anschlags verunsicherte Joseph, den Robert aktionistisch ersetzt. Das Amada dabei eine immer geringere Rolle spielt, ist nur konsequent – einerseits gehört sie nicht zur Familie, andererseits wirkt sie zunehmend wie ein Relikt aus vergangenen Dekadenz-Zeiten.

„Helden der Nacht“ idealisiert das anständige Polizeileben, dass zwar zu Bescheidenheit zwingt, aber letztlich seine Erfüllung in der Umsetzung seiner gesellschaftlich wichtigen, moralisch einwandfreien Aufgabe findet. Die Verbrecher werden ähnlich undifferenziert als geldgierige Mörder dargestellt. Sämtliche Figuren, die zu Beginn weniger plakativ angelegt waren – wie Roberts Freund Jumbo (Danny Hoch), sein väterlicher Chef, Amada und nicht zuletzt Robert selbst, werden zum Ende hin entweder als Mitläufer degradiert, verschwinden ganz oder verwandeln sich in einen wunderschönen, uniformierten Schwan (3/10).

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