Review

Auf erstaunliche Weise sind die Filme der Twins - Mädels Sargnagel und Rettungsanker zugleich für die darbende HK - Industrie, die seit spätestens 1997 nicht mehr richtig blüht, die wachsende Konkurrenz aus dem plötzlich florierenden Korea wirklich derb zu spüren bekam und mittlerweile nur noch auf Sparflamme arbeitet. Die momentan angekündigten Grossprojekte wie The Battle of Red Cliff, Three Kingdoms: Resurrection of the Dragon, Howling Arrow und The Warlords sowie die modern day Actioner Invisible Target und Flashpoint täuschen nicht darüber hinweg, dass die Produktion weitgehend brachliegt und das wenige vorhandene Angebot zumeist aus niederen Komödien und aufgewärmten Liebesgeschichten schröpft. Die Mittel sind ebenso wie die Nachfrage enorm zurückgegangen, das Publikum ist zu homogen, die Interessen zu gering, der Markt zu klein. Die Tage scheinen gezählt.

Die Twins, bestehend aus Charlene Choi und Gillian Chung - die mitnichten verwandt sind -, können bestärkt durch eine erfolgreiche Gesangskarriere, der Unterstützung einer vorherrschend minderjährigen Käuferschar und des finanziellen backups vom einflussreichen Emperor Group Gründer und Vorsitzenden Albert Yeung allerdings auf eine arbeitssame Zeit blicken. Ihre Ausflüge ins Filmgeschäft mögen bei den Kritikern kaum Anklang gefunden haben, aber wurden mit massiven Werbeaktionen und einer geschickten Merchandising - Strategie auch zuweilen ertragreich ins Ausland verkauft und erreichten bisher immer ihr wirtschaftlich profitorientiertes Ziel. Die Masche ist entsprechend einfach gehalten und wird seit den auffälligsten Marken The Twins Effect [ 2003 ], The Twins Effect 2: Blade of the Rose - Die Chroniken von Huadu [ 2004 ] und House of Fury [ 2005 ] sowie den hierzulande unbekannten The Death Curse [ 2003 ] und Protégé de la rose noire [ 2004 ] mit konstanter Repertoirepolitik durchgezogen. Eine Kurzweilmethode für krisenfeste Kassenschlager, die primär auf die Anziehungskraft der beiden Twens zielt und drumherum ein sehr buntes und reziprok dünnes Popcornallerlei bauen. An bewährte Muster verhaftet und folglich mehr seicht als leicht. Ein fluffig-gehaltloses Etwas, das gesehen und vergessen ist und keine schädlichen Neben- oder gar Nachwirkungen haben sollte. Manchmal gelingt dies und meistens nicht; das häufig infantile Gehabe mitsamt Bubblegum-Ästhetik stösst nicht bei Allen auf Freude und verlangt vom Betrachter schon ein gewisses Maß an kindlichem Wohlgefallen.

Wie auch sonst darf man sich bei Twins Mission, der pünktlich zum Chinesischen Neujahr anlief und das antithetische Kontrastprogramm zum düsteren Protégé bereithielt, auf eine leider viel zu gute Besetzung vor allem in den Nebenrollen freuen. Leider, weil Darsteller wie Jacky Wu Jing, Sammo Hung, Yuen Wah und Sam Lee eigentlich etwas Besseres verdient haben, als als Stichwortgeber für zwei schmächtige Mädels mit grossen Augen herzuhalten; dennoch bedankt man sich beim casting director, dass man wenigstens nicht die akkurate Beigabe an etablierten Identifikationsangeboten vergessen hat und so eine egozentrische Perspektive von vornherein vermeidet.
Wo man auf dem Regiestuhl normalerweise gestandene Filmemacher wie Dante Lam, Corey Yuen Kwai, Patrick Leung, Cheang Pou-Soi, Donnie Yen oder Barbara Wong vorfindet - was ebenfalls für einen wesentlichen Anreiz sorgt -, verzichtet man hier auf einen Altgedienten und stellt das Regiedebüt vom langjährigen Action Director Benz Kong dar. Dieser greift mit der Skriptidee von Tsui Siu Ming ebenfalls auf einen Zuverlässigen der Filmlandschaft zurück, so dass derartig abgepuffert eigentlich nicht viel schiefgehen kann:

Die beiden buddhistischen Mönche Uncle Luck [ Sammo Hung ] und Lau Hay [ Jacky Wu ] wollen die "heaven bead" nach HK bringen; eine rundliche Porzellanschatulle, die vorgeblich Leben heilen kann. Professor Mok [ Sek Sau ] ist allerdings genauso hinter dem Wundermittel her, weswegen er auch die reiche Lilian Li [ Jess Zhang ] erpresst. Als die Lage ernst wird, schaltet sich der Prinzipal [ Yuen Wah ] ein, der u.a. seine Zöglinge Pearl [ Charlene Choi ] und Jade [ Gillian Chung ] als Hilfe hat.

Der Aufhänger der Nonsenskapriole ist klein, die jeweiligen Zusammenführungen brauchen schon mehr Zeit; obwohl eigentlich alles nach wenigen Minuten klar ist, veranschlagt man noch etwas Dehnung, um die Gesamtheit geistiger Gestaltungskraft so richtig in die Gänge zu bringen.
Dabei werden im Erzählhintergrund ausgerechnet die falschen Beigaben eingebunden: Ein kleines krebskrankes Mädchen namens Happy [ Qiu Lier ], die ihrem Namen überhaupt keine Ehre macht. Einen zeitraubenden Abstecher in den Zirkus, wo man gleich mehrere Zwillinge vorstellen möchte, die in ihrer geballten Einheit dem Film seinen Titel geben. Und die völlig nutzlose Episode mit Fred [ Steven Cheung ], der ausser den Zuschauer zu nerven überhaupt keine Bewandtnis hat, aber durch Zufall in Besitz der Schatulle gekommen ist und deswegen durch die kulissenartigen Tableaus eines vollgestopften, das konsumistische Motiv perfekt wiedergebenden Kaufhauses stolpert. Ausserdem noch Officer Lam [ Sam Lee ], der zwar die Ermittlungen eines Ausgangsmordes leitet, aber auf wenig Zuspruch bei befragten Zeugen stösst und trotz Gespür für Farce auch vom Skript alleine gelassen wird.
Sowieso ist Mehrwissen derart unnötig, dass man bei einer strikten Konzentration auf Wesentliches wahrscheinlich nur ein Drittel Bildmaterial vorrätig hätte und alles Weitere - Komplette Lebensgeschichten, Überbau von Aktion und Reaktion, Metaebene der Familienzusammenführung - mehr verzögert, vielleicht sogar umständlich verwirrend als subsidiär förderlich ist.

Das Versagen eines konsequent inspirierenden Plots zugunsten von durchschnittlich mitreissendem Komödienstoff mit viel kommerziellen Beigeschmack überrascht sicherlich Niemanden. Weder waren die Erwartungen basierend auf den Vorgängern sonderlich hoch noch liessen die Unkenrufe und ersten Rezensionen auf Kunst im Kino deuten, auch sind einige berechtigte Vorwürfe an die Adresse der Filmemacher nicht von der Hand zu weisen.
So trifft man im gelegentlich faden Gaudium statt auf pointillistische Witze auf zeitlich völlig unkoordinierte running gags, die bestimmt fünfzehn Jahre zu spät gebracht werden. Auf einen absolut ermattenden, mit Tränen auf Knopfdruck konternden Dramaaspekt. Und allgemein oberflächlichen Passagen, die viel zu sehr auf Stereotypen, Klischess und Patentrezepten vertrauen, und in ihrer ennuyantem Sterilität den Schneideraum normalerweise nicht mehr verlassen dürften.

Dennoch kann das vernommene Zeter und Mordio - Geschreie samt einhelliger Ablehnung nicht ganz nachverfolgt werden. Wenn man sich auf das absurde Setting ein- und die Attentate der Geschmacksnerven mit einem blauen Auge passieren lässt, oder gar ein Faible für optisch süsse Zuckerwatte in ausgewogenem Tempo hat, kann man sich auf jeden Fall von 100min Bonbonkitschwelt weitab reproduzierter Wirklichkeit erlaben lassen. Ähnlich wie beim identisch unreif gehaltenen Rob-B-Hood erfolgt die mehrseitige Orientierung mitten einer jahrmarktsartigen Phantasiewelt, werden romantische Episoden entsprechend kurz angerissen und versucht man die charakterliche Gleichförmigkeit, visuelle Penetranz und normativ-schematische Dramaturgie durch eine beschränkt artifizielle Individualität auszuhebeln. Neuling Kong arbeitet mit einer im Kontext annähernd originellen Montage, die mit ein wenig agiler Experimentierfreude split screens, Animationen, Maskierungen und spielerisch schweifende Kamerafahrten einbindet, ohne sich gleich aberwitzig kakophonisch in den Vordergrund zu drängen. Ausnehmend teuer aussehende Aufnahmen mit verlockenden Landschaften, bombastischen Prunkbauten, grosszügig konstruierten Innenräumen mit meilenweiten Dekorationen lassen das auf HK$32 Millionen angehobene Budget für sich sprechen und konturieren die materiell keimfreie Luftblase mit b - movie concept zusätzlich mit einer formal intensivierten, sporadisch auch mal etwas düsteren Rahmenfassade.
Noch gesteigert mit einer immerhin situativen Nachvollziehbarkeit der Konfliktlinien, der Allgegenwart kräftiger Farbtupfer, Comictouch, spy-Zusatz und der physischen Präsenz seiner Darsteller.

Man steigt mit einer schlagfreudigen Martial Arts Variante ein, und lässt auch zwischendurch gerecht verteilt aphrodisierende Action - Versatzstücke in Form von schwerelosen Bewegungsübungen, Tanzspielen und handfesteren Choreographien mit Frontalangriffen anklingen. Wie es sich für die postmodern-schrille Gegenwart und das Milieu von Akrobaten, Gauklern und Clowns gehört natürlich mit [gelungenem] wirework und [schlechtem] CGI aufgerüstet; beides dürfte die Puristen ohne medialem Hintersinn für die 'Segnungen' aktuellen Handwerks eher ent- statt begeistern. Auch bleibt selbst in Momenten höchster Gefahr das Spielerische im Vordergrund, selbst wenn die koordinative Bewegung festen Vorgaben folgt. Mehrere hochmultiplizierte Destruktionssequenzen möchten gerne den Glasbruchrekord von Police Story brechen, und würden dies auch schaffen, wenn nicht das verwendete Zuckerwasser als Utensil zu auffällig wäre. Symptomatisch für die veränderte Zeit arbeitet man hier eben nicht mit ausgespielter Härte, strapazierfähig-schmerzenden Widerständen und Wut im Bauch, sondern mit viel fast-paced Fake Kung Fu, technischen Anstrengungen, stabilisierenden Halteseilen und einer phantasiebegabten, aber grösstenteils blutarmen "alles halb so schlimm" Grundhaltung; neben viel Blechschäden werden aber auch einige humane Opfer verzeichnet.
Zuschauer mit immens sensiblem Feingeist gehören sicherlich auch dazu.

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