Im Jahr 2002 gelang Sam Raimi mit dem ersten "Spiderman" -Teil eine überraschend unterhaltsame Comic-Verfilmung. Der Blockbuster konnte neben einer guten Mischung aus Action und Witz allen voran mit einem wunderbar diabolischen Gegenspieler in Form von Willem Dafoe aufwarten. Die 2004 folgende Fortsetzung konnte aufgrund des leicht aufgeblähten Aufbaus leider nicht ganz mithalten, wusste aber nicht zuletzt aufgrund der stark gesteigerten Action sowie des emotionalen Unterbaus dennoch zu überzeugen. Raimi wollte die Reihe nun mit einem dritten Teil vollenden und nahm sich scheinbar vor, all seine unverbrauchten Ideen im Finale unterzubringen. Jedoch ist weniger manchmal mehr: Der Abschluss seiner Trilogie leidet unter einem desaströsen Drehbuch, das zu viel will und im Endeffekt gar nichts erreicht.
Auf den ersten Blick sieht für Peter Parker alias Spiderman (Tobey Maguire) alles bestens aus: Er kann ungestört studieren und ist endlich mit seiner großen Liebe Mary-Jane Watson (Kirsten Dunst) zusammen. Es braut sich jedoch neues Übel zusammen: Harry Osborne (James Franco) sinnt auf Rache für seinen verstorbenen Vater; mithilfe dessen Technologie möchte er den enttarnten und zu unrecht beschuldigten Spiderman zur Strecke bringen. Zudem gibt es neue Erkenntnisse bezüglich der Ermordung von Peters Onkel: Es soll nun doch ein anderer Täter als vormals angenommen sein. Eben jener wird bei einem Unfall zu einem gestaltwandelnden Sandmonster transformiert, das seine neuen Kräfte fortan nutzt, um das für seine kranke Tochter benötigte Geld zu errauben. Neben all diesen Problemen stürzt zudem ein außerirdischer Parasit auf die Erde, welcher die abgründigen Seiten seines infizierten Opfers hinauskehrt...
Was man beim Anblick der kurzen inhaltlichen Zusammenfassung bereits vermuten könnte, bewahrheitet sich leider: Das Drehbuch ist gnadenlos aufgeblasen und überfrachtet. Ohne jegliche Eleganz hangelt sich das Skript von einem Krisenherd zum nächsten, ohne dabei ein stimmiges Bild abzuliefern. Um die ganze Chose zu vereinfachen, bedient man sich dabei zahlreicher kleiner Tricks, um die Handlung auf arg konstruierte Weise den eigenen Bedürfnissen anzupassen: Da zu viele Widersacher auf einmal etwas zu komplex wären, entledigt man sich eines Gegenspielers einfach per Amnesie und stellt ihn so bis zum Finale kalt. Als Motivationssteigerung, um gegen Bösewicht #2 ins Felde zu ziehen, stellt sich überraschenderweise heraus, dass eben jener der wahre Mörder von Peters Onkel ist - ein sehr eleganter Einfall… Da man nebenbei vergessen hat, den mittlerweile dritten (!) Gegner einzuführen, passiert das einfach im Schnellverfahren in der letzten halben Stunde.
So plump, wie die Schergen in die Handlung geworfen werden, so einfallslos sind auch deren Entstehungsgeschichten und Motive. Erst einmal fällt auf, dass der dritte Spider-Man-Film sich nicht mehr so bodenständig zeigt wie die ersten beiden: Anstatt gegen gefallene Forscher mit “lediglich” verstärkter Körperkraft und fortschrittlicher Technik muss man diesmal gegen übermächtige Sandmonster sowie außerirdische Lebensformen antreten. Diese abgehobenen Aspekte mögen in Anbetracht der Vorgänger nicht sehr kohärent wirken, seien aufgrund der Comic-Vorlage aber entschuldigt. Viel schlimmer ist, wie simpel man die Bösewichte zum Leben erweckt. Ein zufälliges Stolpern in ein Testgelände wirkt in etwa genauso unbeholfen wie der Wunsch, einen Menschen zu töten, nur weil der einem die Freundin ausspannte und den Job madig machte. Von der emotionalen Tiefe eines DocOc ist hier genauso wenig wie von der manischen Besessenheit eines Grünen Kobolds irgendetwas zu spüren. Lediglich Harry gibt angesichts der Vorgeschichte einen formidablen Gegner ab, kommt aber viel zu kurz.
Neben diesen misslungenen Widersachern können leider auch die vermeintlichen Helden nicht überzeugen. Peter Parker darf erneut in Liebesverwirrungen mit Mary-Jane verstrickt sein. Schlimm genug, dass wir das Thema eigentlich schon im Film zuvor hatten (und die obligatorische MJ-Rettungsszene auch vorher bereits 2 mal im Finale herhalten durfte); zudem wird diesen auf Soap-Niveau agierenden Gefühlsspielchen viel zu viel Raum in der Handlung geschenkt. An Lächerlichkeit wird dies nur von der “Bad Spidey”-Sequenz überboten, in der Peter richtig vom Leder ziehen darf: Anstatt diese dunkle Phase für emotional aufgeladene Momente zu nutzen, wird auf eine hyperaktive Clowns-Vorstellung zurückgegriffen. Sehr interessant auch, wie schnell (mal wieder) die öffentliche Meinung über Spiderman kippt. Gerade noch gab es Paraden zu seinen Ehren, und ein paar Fehltritte später hasst die Menge die schwarze Spinne auf einmal. Man darf natürlich keine ambivalente Figurenzeichnung im Stile des genialen “The Dark Knight” erwarten, aber ein paar mehr Grau-Töne wären bei dieser plumpen Schwarz-Weiß-Malerei schon wünschenswert gewesen. Einziges kleines Highlight während diesen Szenen: Die völlig kaltblütige Entstellung seines ehemals besten Freundes. In diesem raren Moment nutzt der Film die durch die Vorgänger geschaffene emotionale Fallhöhe gekonnt aus.
Bei einem mit solch extremen Unstimmigkeiten und auch weiteren Logiklöchern (lieber erstmal mit dem auf einmal geläuterten Bösewicht über Vergebung philosophieren, anstatt den schwer verletzten Harry ins Krankenhaus zu bringen…) verunstaltetem Drehbuch können die Darsteller nicht mehr viel ausrichten. Auch ihr größtenteils gutes Spiel rettet nur wenig, wenn sie gekonnt belanglose Seifenoper-Dialoge vortragen müssen. All diese Unzulänglichkeiten wären teilweise verschmerzbar, wenn die Action den Gesamteindruck immens aufpolieren könnte. Doch auch wenn die Kampfszenen vernünftig inszeniert und die Special Effects abermals stark sind, reichen weder Qualität noch Quantität der Auseinandersetzungen aus, um mit einer von Action-No-Brainern bekannten Reizüberflutung punkten zu können. Immerhin kann der Soundtrack erneut begeistern - der einprägsame Score von Elfman weiß ebenso zu gefallen wie die kleine nostalgische Anspielung, in der die Melodie der alten Serie zu hören ist.
Fazit: Gute Darstellerleistungen, nette Action und mitreißende Musik - all das reicht nicht aus, um das völlig misslungene Drehbuch in anständigem Maße zu kompensieren. Die gnadenlose Überladung mit Personen und Inhalten vereitelt das Herausarbeiten gründlicher Motive sowie emotionaler Tiefe, während die Handlung ziellos zwischen den Konflikten mäandert und mit unnötig repetitiven Gefühlsdramen langweilt. Ein Gegenspieler (vornehmlich der Sandman) weniger, und der Film hätte mit etwas dramaturgischem Feinschliff womöglich gut funktionieren können; in der jetzigen Form ist er jedoch ein aus allen Nähten platzender Bastard, bei dem sich Raimi vollends verhoben hat.
3/10