Review

!!!WARNUNG!!! Dieses Review enthält Spoiler!!!

New York ist wieder mal in Gefahr!!! In einem gigantischen schwarzen Netz hängt ein Taxi! In ihm: Mary Jane Watson. Der Urheber des ganzen: der von einem außerirdischen Symbionten befallene Venom, unterstützt von dem nahezu unbesiegbaren „Sandman“. Niemand schafft es an diesem Wesen aus Sand vorbei und die schaulustigen New Yorker begaffen das schreckliche und zugleich auch faszinierende Schauspiel.
Doch da: Rettung naht! Zwischen den Wolkenkratzen schwingt sich Spiderman den Bösewichten entgegen, schießt Spinnenfaden über Spinnenfaden um sich an ihnen zu seinem Ziel zu schwingen. Kurz vor dem Ziel springt er auf das Dach eines Hochhauses – direkt vor eine hell beleuchtete Flagge der USA.

Und mein lieber Herr Gesangsverein, da war ich nicht nur kurz davor dem Film abzuschreiben, nein ich war sogar kurz davor das Kino zu verlassen, so sehr hat mich diese Szene angekotzt.
Dieser patriotische Verschnitt hat mir gewissermaßen den restlichen Film schwer versaut. Dabei ist leider Gottes diese Szene nicht der einzige Schwachpunkt in Tobey Maguires dritten Auftritt im Spinnenkostüm Peter Parkers alias Spiderman. Es ist nur der Höhepunkt einer nicht enden wollenden Berg- und Talfahrt an Qualität. Der epische und altbekannte Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen im Menschen selber sollte es werden und mittelmäßige, massentaugliche Blockbuster-Kost ist es geworden:

Für Peter Parker scheint endlich alles zu klappen: er und Mary Jane sind endlich ein Paar, an der Uni ist er der Primus und als Spiderman wird er als Volksheld gefeiert. Auf diesem scheinbaren Höhepunkt, will er sein Glück komplettieren und Mary Jane einen Heiratsantrag machen. Doch die hat ihre eigenen Probleme: der Durchbruch als Schauspielerin am Broadway will einfach nicht kommen. Auf einer großen Parade küsst Spidey dann auch noch die Tochter des Polizeipräsidenten und stürzt seine Beziehung zu Mary Jane damit in eine tiefe Krise.
Doch dann fangen die Probleme erst richtig an: Peters ehemaliger Freund Harry Osborn ist hinter die Identität von Spiderman gekommen. Von seinen Rachegelüsten getrieben, tritt er das Erbe seines Vaters als neuer Gründer Goblin an, um sich endlich an Spiderman zu rächen, den er für den Mörder seines Vaters hält.
Hinzugesellt sich dann auch noch der flüchtige Verbrecher Flint Marco, der bei seiner Flucht in ein wissenschaftliches Experiment platzt, das aus ihm ein Wesen gemacht hat, dass sich in einen Sandsturm verwandeln kann, der jedwede Form annimmt und eine ungeheuerliche Kraft besitzt. Mit diesen Kräften ausgestatte macht „Sandman“ die Straßen unsicher und in ihm findet Spiderman einen ebenbürtigen, wenn nicht gar überlegenen Gegner. Als Peter Parker dann auch noch ein düsteres Geheimnis in Flint Marcos Vergangenheit entdeckt, dass ihn insbesondere betrifft, wird der Kampf mit dem „Sandman“ zu einer sehr persönlichen Angelegenheit.
Doch auch beruflich kriegt Peter Konkurrenz: der junge, aufstrebende Fotograf Eddie Brock schießt ebenso gute Bilder von Spiderman wie Peter selber und avanciert zu einem weiteren Favoriten in J. Jonah Jamesons Feldzug gegen Spiderman.
Doch Peters gefährlichster Gegner ist viel unscheinbarer: ein außerirdischen Symbiont geht mit Spiderman eine gefährliche Fusion ein, die zwar seine Kräfte in unglaubliche Höhen steigert, ihn aber charakterlich verdirbt. So muss Peter erst seinen inneren Feind besiegen, damit er gegen die wahre Überzahl an Gegnern und Problemen bestehen kann…

Überzahl! Das ist ein gutes Stichwort. Mit wie vielen Probleme kann man Spiderman in 140 Minuten Laufzeit konfrontieren? Das Motto dieses Films… denn den Drehbuch-Autoren fiel nichts Besseres ein, als gleich 3 neue Gegner für Spidey einzufügen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das ist ja an sich nichts schlimmes, nur konnten die Autoren hier kein Maß für die Flut an Problemen, die sich über Spiderman ergießt finden, was dazu führt, dass sie den Film unsinnig überladen und voll stopfen, wo es nur geht. Dabei entgleitet ihnen die Story, denn sie verliert jedwede Tiefe, die sich in den sich ergebenen Konfliktherden einstellen könnte. Wenn dem Film eins fehlt, dann ist es Tiefe, Anspruch, ausgefeilte Charaktere. Nur leider setzt die Story gerade diese Aspekte voraus, insbesondere, da hier besonders Peter Parkers charakterliche Entwicklung im Mittelpunkt stehen sollte.

Doch die Autoren setzten die Schwerpunkte falsch, denn anscheinend wollten es Sam Raimi und Co. zu ihrem voraussichtlichen letzten Spiderman-Abenteuer noch mal richtig krachen lassen und holten sich dafür alles mögliche aus der Comic-Vorlage raus und packten es arg komprimiert in den Film, ohne dabei ihren begrenzten Spielraum zu bedenken. Mit dem Symbionten schleimt sich hier das Hauptmotiv durch den Film, das sich entscheidend auf Peter Parkers Charakter auswirkt und alles ist irgendwie mit seinem Schicksal verknüpft. Das klingt schön, das klingt, als könnte der Film etwas komplexer sein und er gibt sogar vor es zu sein. Aber an der großen Stückzahl von Geschichten und Figuren, denen man auch gerecht werden sollte, denen man allen ihre Leinwandzeit gönnen wollte, denen man Tiefe verleihen wollte, übernimmt sich der Film. Raimi schafft es einfach nicht das, was er vorgehabt hat und was sich auch noch in Ansätzen erkennen lässt, zufrieden stellend filmisch unter zu bringen. Denn aufgrund der Übermacht an Problemen muss sich die Geschichte hier blitzschnell mit jedem einzelnen beschäftigen, es schnell abhacken und dann schnell weiter zur nächsten Szene rasen.
Kein Charakter, keine Geschichte kann bei diesem Tempo Tiefe oder eine Entwicklung aufweisen. Raimi hetzt seine Figuren durch die Geschichte, wie ein Rudel Schlittenhunde, die einen großen Felsbrocken zu ziehen haben, deren Kraft aber nicht mehr ausreicht, um den Gipfel zu erreichen.

Kurzum: weniger wäre mehr gewesen. Oder zumindest eine andere Herangehensweise wäre wünschenswert gewesen. Aus irgendeinem unverständlichen Grund, sah sich das Autoren-Team genötigt, alle Story-Fäden zu Ende zu bringen und das möglichst endgültig abgeschlossen. Aber einen runden Abschluss gibt es hier nicht, denn kein Ende kann hier wirklich zufrieden stellen, alles wirkt eher überhastet und zwanghaft aufgesetzt.
Dabei gibt es soviel gute Ideen, soviel Interessantes zu erzählen. Tatsächlich finden sich in diesem Film Ansätze für mehrere Filme. Es hätten sich so viele Cliffhanger angeboten, die einen heiß auf den nächsten Spidey gemacht hätten, der wohl unbestritten kommen wird. Ein bisschen mehr Hingabe an die Figuren, mehr Spielraum für die einzelnen Charaktere und ihre Dramen, über die Laufzeit hinaus in den nächsten Film hinein – das wäre allen zu Gute gekommen.
Stattdessen beschränkt man sich hier auf die Blockbuster-Magerkost, versucht einen visuell sprachlos zu machen und erzählt eigentlich nur noch eine rudimentäre Geschichte, die auf einen abzusehenden Showdown hinsteuert, der sich dann genauso entwickelt, wie man es schon Stunden vorher ahnt. Spannung ade!

Leider fällt auch sämtliche Dramatik aus, den durch das Gewaltmarschtempo bietet der Film in den Szenen zwischen Peter und Mary Jane oder auch zwischen den beiden und Harry Osborn nie genug Gefühl oder Sympathie auf, dass einem das ganze Drama zu Herzen gehen könnte. Ganz schwer trifft das die doch eher tragische als bösartige Gestalt des Sandmans, der so wenig Leinwand-Zeit eingeräumt kriegt und nur ein paar öde Schlagabtausche mit Spiderman liefert, sodass seine tragische Geschichte dabei nur zu einer kleinen Randnotiz verkommt, die zwar filmisch inszeniert wird, aber im Rest der Geschichte untergeht, ohne je wirklich an Substanz zu gewinnen. Gerade hier und auch im Konflikt zwischen Marco und Spiderman hätte sich ein wunderbares Drama ergeben können. Doch Geschichte wie Charakter bleiben beim Sandman besonders flach.

Aber nun gut, nun gut. Hätte wenn wäre. Vielleicht traue ich dem Stoff auch einfach nur zuviel Potential zu, aber ich finde, Potential ist vorhanden und hätte besser verarbeitet werden können und verarbeitet werden sollen. So bleibt die Geschichte leider, leider, leider erschreckend flach und bietet nur minderwertige Blockbuster-Kost, die auf ihre Schauwerte vertraut, anstatt auf ihre Qualität. Dabei ist man schon recht früh visuell übersättigt.

Das alles betrifft ja nun erst mal überwiegend das Erzählerische, doch daneben steht ja noch die Inszenierung, denn manch spärliche Geschichte verstand der ein oder andere Regisseur trotz wenig Inhalt packen zu inszenieren. Und schließlich haben wir hier mit Sam Raimi keinen Anfänger am Ruder. Also sollte man meinen, dass zumindest seine Inszenierung sich im Rahmen des Erträglichen bewegt.
Doch leider erweist sich auch hier der Film als eher schwach. Denn zu oft gibt es ekelig pathetische Szene, oder einfach nur peinliche Inszenierungen (z.B. die Parade zu Spideys Ehren). Das mag zwar oft nur der comichaften Vorlage zuzuschreiben sein, aber selbst für eine Comicverfilmung ist das ganze zu oft unerträglich peinlich inszeniert und ist noch nicht einmal sonderlich witzig. Zumindest sind die Szenen mit Mary Jane und Peter Parker meist nicht schlecht inszeniert.

Daneben steht wie schon bei den Vorgängern die eher mäßige Tricktechnik, die niemals seine PC-Herkunft verleugnen kann. Das man solche Aktionen, wie Spidermans „Schluchtenschwingen“ nicht real inszenieren kann ist wohl klar, aber die Tricktechnik, die hier aufgeboten wird, scheint mir selbst von heutigen PC-Spielen übertroffen zu werden, sogar schon von denen in 2007. Ich konnte mich mit dieser Tricktechnik schon in den Vorgängern nicht anfreunden und das setzt sich hier wieder fort.
Dann wäre da noch die Action, die natürlich schon aufgrund der oben beschriebenen Tricktechnik mit einer nicht überzeugenden Qualität gehandicapt ist. Jedoch schwerwiegender wiegt hier die lahme Inszenierung der Kämpfe, die meist nur aus öden Faustkämpfen besteht. Spidey und sein jeweiliger Gegner dreschen wie die Bauern aufeinander ein, ohne dabei je irgendeine Finesse in ihrem Kampfstil zu entwickeln. Lieber lässt man die Kämpfenden durch Häuserschluchten fliegen, die dann aber auch durch die Tricktechnik nicht sonderlich schön anzusehen sind, als das man ihnen einen Spannenden Zweikampf gönnt. Das Gedresche wird somit schon während des ersten Konflikts einfach öde. Und öde bleiben die Konflikte auch im restlichen Film.

Dazu gesellt sich dann noch die bombastische Musik, die wieder mal too-much ist und meist nur dazu dienlich scheint, dem dummen Publikum auch endgültig klar zu machen, dass die Szene nun reißerisch sein soll. Es eine Hans-Zimmer-typische Blockbuster-Musik, die einen penetrant aufdringlich mit einem bombastischen Orchester zudröhnt und dabei seinen Sinn für die Szene irgendwie verfehlt, als ob jeder Blogbuster nur noch möglichst laute Musik braucht. Das hilft dann nur noch dem etwas langsamer denkenden Publikum die Szene verständlicher zu machen. Gut ist die Musik auf jedenfall nicht. Nur ein Stück gefiel mir, vor allem in Relation zum Geschehen.

Das Finale ist erweist sich dann als erschreckend Spannungslos, weil man sich schon alles vorher zusammengereimt hat und da der Film auch davor nicht wirklich viel zu bieten hatte, fehlt der atmosphärische Kick, die großen Erwartungen, die hier hätten geschürt werden sollen. Dem Finale fehlt die dramaturgische Stütze und Vorbereitung und so verkommt das ganze zu einem lahmen Ende eines enttäuschenden Films.

Schauspielerisch geht das ganze sicherlich in Ordnung, ich kann hier wirklich nichts sonderlich Schlechtes bemerken, aber nun mal leider auch nichts sonderlich Gutes. Alles ist Standard und rettet den Film keineswegs. Nur, dass mir den ganzen Film über James Franco sympathischer war als der Held der Geschichte selber, sollte einem schon zu denken geben.

Zum Abschluss: „Spider-Man 3“ ist eine vertane Chance auf einen guten Blogbuster, denn der Tiefgang fehlt und die Inszenierung schwächelt. Der Film erweist sich als zu simpel gestrickt und versucht eher die Massen zu befriedigen und füttert sie mit visueller Präsenz, lässt dabei aber den Inhalt weitestgehend außer acht und füttert das Publikum nur mit nicht zufrieden stellenden Storyhappen. Wer auch immer auf die Idee kam, dass hier alles zu einem abgeschlossenen Ende gebracht werden musste: das war eine Scheiß-Idee! Zumindest bei der Masse an Story-Fragmenten.

Beim nächsten bitte, bitte, bitte nicht so übernehmen und sich auf eine gute Geschichte konzentrieren und nicht nur auf möglichst viele Schauwerte!

Details
Ähnliche Filme