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Erinnerungen. Sam Raimi ließ 1982 den Teufel tanzen und verzückte mit wenig Budget die Horrorgemeinde. Etwas später feierte Peter Jackson mit billigen Kunstblutfestivals in „Bad Taste“ und „Braindead“ seine ersten Erfolge. Zwei Regisseure, eine ähnliche Geschichte und jede Menge Parallelen. Der Blick zurück auf die ersten Werke beider Regisseure ist ein krasses Kontrastprogramm zu deren späteren, prägenden Lebenswerken. Jackson visualisierte Tolkiens „Herr der Ringe“ in einer Trilogie und Raimi vollendet nun den Comic „Spider-Man“ mit dem dritten und letzten Teil. Das Budget ist mit 258 Millionen Dollar gigantisch und ermöglicht, um es vorweg zu nehmen, beeindruckende, plastisch wirkende CGI-Technik im erdrückenden Großstadtmoloch New Yorker Hochhäuser. Synthetik weicht dem Realismus, Spider-Man wirkt authentischer und zugänglicher, als seinerzeit Jacksons steriler computeranimierter Mega-Affe. Bewegung und Dynamik hinterlassen keinen gekünstelten Eindruck.

Die Story ist simpel und eine logische Fortführung der ersten Teil. Der Held wird zum Held, verliert seine Fähigkeiten und erfährt nun die große Charakterprobe. Peter Parker (Tobey Maguire) akzeptiert seine Doppelidentität und genießt den Status, der ihm als Spider-Man allseits entgegengebracht wird. Seine Liebe zu Mary Jane Watson (Kirsten Dunst) hat sich zu einer Beziehung ohne Geheimnisse entwickelt. Die Harmonie zerfällt sukzessiv und dramaturgisch geschickt, als eine ominös schwarze, außerirdische Substanz Parkers dunkle Seite aufleben lässt. Rache, Untreue und alte Probleme mit seinem ehemaligen Freund und jetzigen Antagonist Harry Osborn (James Franco), treiben den Showdown voran. Der Sandman und Venom führen die charismatischen Schurken an, um die Entscheidungsstimmung gipfeln zu lassen.

Daraus resultiert ein kompaktes, mitunter auch überfrachtetes Drehbuch, das jedoch genug Platz für Dramaturgie und Eigendynamik bietet. Die großen Themen Liebe, Hass, Freundschaft, Loyalität und Rache werden mit Rückbezügen auf Vergangenes und aktuelle Geschehnisse geschickt und gekonnt verarbeitet, so dass man sich heimisch fühlt in Raimis visualisierte Spinnenwelt. Natürlich beinhaltet die Verfilmung auch Naivität, schmalzige Liebesbekundungen, fehlende Erklärungen und übertriebene Darstellungen, aber das ist nicht das große Problem, weil der Comic schon ähnliche Überzeichnungen hervorbrachte. Raimi bleibt nah an der Vorlage, nutzt den Rahmen nur für erträgliche, künstlerische Freiheiten und weckt trotzdem das wohlige Gefühl, was man als Jugendlicher beim Lesen der Vorlagen hatte.

Natürlich ist „Spider-Man“ ein Terrain für pädagogisches Gutmenschentum und die außerirdische Substanz fällt auch abrupt, augenscheinlich grundlos vom Himmel, aber im Gegensatz dazu wirkt die Problematik der Zwiespältigkeit, das Pendeln zwischen gut und böse, umso intensiver, weil Tobey Maguire bis zum dritten Teil genau den Charakter, der in den Vorgängerteilen tiefgründig beleuchtet wird, verkörpert. Spider-Man ist ein Mensch, die Massenverehrung fördert den latenten Größenwahn, der durch die sinnbildlich schwarze Substanz vorangetrieben wird. Der Wandel ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch im Sinne der Realität glaubwürdig. Die Probleme, welche jeder aus dem Alltag kennt, sind weder übertrieben noch unbekannt.

Maguire untermauert auch im dritten Teil den Eindruck als Idealbesetzung. Er ist bislang der feinfühlig, tollpatschig jugendliche Streber von nebenan gewesen und wird nun aufgrund der Lasten auf die Probe gestellt. Der Wandel wird schauspielerisch gemeistert und im Sinne der comichaften Überzeichnung sehr offensichtlich dargestellt, was die Sache aber keineswegs abwertet. Der kanalisierte Zugang zur Figur weckt Antipathie, die aus einer vorausgegangen Sympathie entspringt. Die Dramatik ist bewusst hochstilisiert, mitunter übertrieben, aber jederzeit actionreich und unterhaltend. Raimi inszeniert den klassischen Showdown, der Held kämpft gegen sich selbst und eine Übermacht an Gegnern. Die Liebe zur abermals charmant aufspielenden Kirsten Dunst leidet und wird auf Herz und Niere geprüft. Der Verlauf der Geschichte mag wenige Überraschungen, es geht aber auch nicht um Pointen oder originelle Storyideen, sondern um den effektiven Abschluss eines Traums, den Raimi mit viel Geld verwirklichen durfte.

Der Regisseur bleibt nah an der Vorlage, respektiert die Charakteristiken des Comics und hat wieder einmal das Fingerspitzengefühl, um die Vorlage filmisch ansprechend und technisch atemberaubend zu visualisieren. Der Grundstein zum Erfolg wurde schon früher gelegt, aber der richtige Weg wurde nun auch erfolgreich zu Ende gegangen. (8/10)

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