Review

Auch in den Comics gab es immer diese kurzen Momente einer trügerischen Ruhe, wenn Spiderman selbstvergessen nach einem gewonnenen Kampf auf dem Dach saß, gerade mit der Freundin alles im Lot war und er sich einer gewissen Sympathie der Bewohner New Yorks sicher sein konnte. Doch im Hintergrund lauerte schon das Unheil ,erzeugte irgendein Vorfall ein weiteres Ungeheuer oder J.J.Jameson wetzte wieder die Messer für eine neue Kampagne gegen seinen Lieblingsfeind.

Mitten in dieser Phase befindet sich Peter Parker (Tobey Maguire) zu Beginn von "Spiderman 3". Alles läuft bestens - "Spidey" kann sich vor Fans in der Bevölkerung kaum retten, an der Uni ist er wieder der Beste und seine geliebte Mary Jane Watson (Kirsten Dunst) tritt am Broadway als Sängerin in einem Musical auf. Doch nicht nur er sitzt im Publikum, sondern auch sein alter Freund Harry Osborn (James Franco) sieht Mary Jane bewundernd aus seiner Loge zu, während er hasserfüllte Blicke auf Peter wirft. Er glaubt, daß Peter seinen Vater tötete, als dieser als Spiderman den "Grünen Kobold" besiegte.

Nicht nur von dieser Seite droht Ungemach, auch Peter selbst sägt ordentlich an seinem Ast. So ist er so voller Stolz über seinen Erfolg, daß sein Einfühlungsvermögen für Mary Jane stark nachläßt. Zwar will er sie heiraten und plant schon den Heiratsantrag in einem französischen Restaurant, aber gleichzeitig entfremdet er sich so sehr von ihr, daß sie ihm nicht einmal erzählt, daß sie nach vernichtenden Kritiken aus der Produktion entlassen wurde.

Offensichtlich zieht Sam Raimi in "Spiderman 3" die Notbremse, denn in den ersten zwei Teilen holte er schon fast alles heraus, was an Erfolgsmeldungen möglich war und wofür die Comicserie mehr als ein Jahrzehnt brauchte. So erlebten wir nicht nur die Geburt des Superhelden und den Ursprung seines moralischen Anspruchs nach dem Mord an seinem geliebten Onkel, sondern auch die Entwicklung der Beziehung zu Mary Jane bis hin zur Offenbarung seiner Geheimidentität. Was sollte jetzt noch kommen ? - Hochzeit, Kinder, Rente ? - Und zwischendurch ein kleiner Kampf mit einem Superschurken ?

So befriedigend die ersten zwei Folgen waren, so wenig nutzten die Autoren Peters wechselnde Frauenbeziehungen .Die Mär von der Jugendliebe bis in die Ewigkeit stammt nicht aus den Comics und so überrascht uns Sam Raimi hier mit einer zusätzlichen Frauenfigur - Gwen Stacy (Bryce Dallas Howard), Tochter eines Polizeioffiziers (James Cromwell) und Peters Kommilitonin. Spiderman rettet sie in letzter Sekunde bei einem Fall aus einem Hochhaus und die Parallelen zum Beginn der Beziehung zu Mary Jane sind offensichtlich. Bis hin zu einem Kuss, den ihr Peter bei der Verleihung zum Ehrenbürger der Stadt New York vor Mary Janes Augen gibt.

Schon an diesem Punkt der Story ist die Schwäche des dritten Teils zu erkennen, der in seiner erzählerischen Konsequenz hinter den beiden ersten Teilen zurückbleibt. Raimis Intention für die Einführung der Gwen Stacy wird nicht deutlich und erschließt sich nicht logisch aus dem Geschehen. Im Comic ist Gwendolyne Peters erste große Liebe, mit der er genau die Ereignisse erlebt, die in "Spiderman 1" gemeinsam mit Mary Jane geschildert wurden. Dieser bisherige Wechsel der Frauenfiguren war absolut legitim, nur fragt man sich, warum nun doch noch Gwen hinzugefügt wurde ?

Das liegt im Besonderen daran, daß ihr Charakter kein Gegenstück zu Mary Jane darstellt, denn auch Gwen ist ein durch und durch anständiges Mädchen und tritt keineswegs als aggressive Nebenbuhlerin auf. Für die Story in "Spiderman 3" bietet sie deshalb kaum Konfliktpotential und ist letztlich nur eine Verstärkung der sowieso schon vorhandenen Verunsicherung zwischen Peter und Mary Jane. Auch Peter äußert in keinem Moment des Films, was er von ihr denkt oder fühlt und deshalb führt auch die Szene mit dem öffentlichen Kuss ins Leere, weil Peters Beweggründe für diese kränkende Geste im Unklaren bleiben.So entsteht ein wenig der Eindruck, daß hier eine zukünftige Beziehung für weitere Folgen aufgebaut werden soll, da die "Beziehungskiste" zwischen Peter und Mary Jane in ihrer vorhersehbaren Dramatik kaum noch Überraschungen bietet.

Damit verläßt Sam Raimi die bisherige Gepflogenheit, sämtliche Storyelemente behutsam aufzubauen und ihnen eine innere Logik mitzugeben. Ähnliches läßt sich von dem "schwarzen Teufelszeug" sagen, daß plötzlich durch einen Meteoriten vom Himmel fällt und sich gleich an Peters Moped heftet. Sobald diese biologische Masse einen Wirt gefunden hat, verbindet sie sich mit diesem und ruft dessen negative Seiten hervor. Das führt zu den witzigsten Szenen im Film und gibt Tobey Maguire die Gelegenheit ,ähnlich wie Jerry Lewis in "Der verrückte Professor", mal so richtig den selbstverliebten Angeber zu spielen, der tatsächlich schön lächerlich rüberkommt. Und es wirkt sich auch auf sein Kampfverhalten aus, daß deutlich rücksichtsloser wird.

Genau in diesen besten Momenten des Films erkennt man auch die verpassten Chancen. Dem bisher so überaus anständigen und wohlerzogenen Peter Parker einen draufgängerischen, wütenden und eitlen Gesellen gegenüber zu stellen, ist ein gelungener Schachzug, der der komplexen Figur im Comic näher kommt. Nur traut Raimi der Sache nicht so ganz, was daran zu erkennen ist, daß er diese "andere Seite" nicht klar strukturiert. So hat sein etwas eingebildetes Verhalten zu Beginn und auch der Kuss mit Gwen nichts mit dem "Schwarzen Zeug" zu tun, bis er dann davon infiziert hemmungslos übertrieben chargiert. Als er das Zeug dann wieder los wird, kehrt er zurück zu seinem ursprünglichen "anständigen" Charakter. Sam Raimi muß klar geworden sein, daß eine größere Komplexität in der Figur des Spiderman und damit eine Veränderung notwendig ist, um das Geschehen auch weiterhin spannend gestalten zu können - nur hält er das hier nicht durch und kommt deshalb über gute Ansätze nicht hinaus.

Genauso wie er es nicht schafft bei den Bösewichtern auch mal Fünfe gerade sein zu lassen. Muß der "Sandmann" ,der im Comic einfach ein primitiver Bösewicht ist, hier noch einen tränenreichen Anhang mit behinderter Tochter bekommen ? - Und warum schiebt man ihm die Schuld am Tod von Peters Onkel plötzlich in die Schuhe ? - Diese Storyelemente wirken sehr konstruiert und erzeugen vor allem, daß man den ersten Teil nicht mehr ansehen kann, ohne diese wichtigen Szenen für die Entwicklung der Figur des Spiderman in Frage zu stellen - eine erzählerische Todsünde bei einer aufeinander aufbauenden Filmreihe.

Fazit : "Spiderman 3" steht in Sachen Unterhaltung und Spannung den ersten Teilen nicht nach und wird wieder ein begeistertes Publikum finden. Die Actionszenen sind gut ausgearbeitet und nehmen ähnlich wie in den ersten beiden Folgen einen angemessenen ,aber nicht übertriebenen Teil ein.

Das Schwergewicht liegt auch in Teil 3 bei Peters Privatleben und hier zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen, denen nicht konsequent genug entgegen getreten wird. Dabei zeigt Sam Raimi mit ersten negativen Anzeichen in Peters Charakter den richtigen und komplexeren Weg auf, kann sich aber nicht entscheiden, ob diese auf Peters Erfolg als Superheld oder einer schwarzen Masse aus dem Weltall beruhen. So bleibt er bei dieser Konstellation ebenso inkonsequent wie bei der Einführung der Gwen Stacy, die zwar als attraktive Nebenbuhlerin daher kommt, aber dann völlig harmlos und ohne entstehendes Konfliktpotential wieder fallen gelassen wird.

Insgesamt fehlt "Spiderman 3" der rechte Mut, noch einen drauflegen zu wollen - auch erkennbar an den hier vertretenen "Superschurken", die natürlich alle einen anständigen Kern haben. Man ging auf Nummer sicher und der Erfolg dieses wie immer sehr unterhaltenden Films wird sicher nicht ausbleiben .

So bleibt abschließend die Hoffnung auf den nächsten Teil, daß dieser die hier gemachten Andeutungen zu weiterer Konsequenz führen möge (7/10).

Details
Ähnliche Filme