Review

Aller Anfang ist schwer – aller Fortsetzung auch!
So etwas in der Art könnte man für die fünfte Harry-Potter-Verfilmung zum Leitspruch (Leidspruch) machen, denn nach vier weitestgehend gelungenen Verfilmungen gefeierter Bücher in der Umsetzung namhafter Regisseure wurde mit Buch 5 vieles ganz neu gemacht.
Und leider nicht immer gut…

Die Ausgangssituation war folgende: nach vier hervorragend gelaufenen Romanen rund um den Zauberschüler Harry Potter wurde bei Erscheinen des fünften Buchs erstmals größere Kritik laut. Der „Orden des Phoenix“ schleppte mit über 1000 Seiten gewaltige Überlänge mit sich herum, konnte dies aber nicht mit einer durchgehend schlüssigen, gut erzählten und dramaturgisch komprimierten Geschichte wieder ausgleichen.
Es schien, als litte die gefeierte Autorin an akutem Schreibdurchfall bei dem Versuch, die bisher gewebten Fäden schlüssig in Richtung Höhepunkt der siebenteiligen Saga zusammenzuführen. Jedes kleinste Detail führte zu gewaltigen Abschweifungen, reihenweise Figuren wurden eingeführt, wieder aufgeführt oder leisteten Gastauftritte ab, nur nötig schien das alles nicht, so dass nicht wenige meinten, dem Buch könne eine leichte Kürzung von 200 Seiten nicht schaden. Die Figur Harry war in der Pubertät und so lebensnah Rowling ihre Figur erschuf, so sperrig und sprunghaft war das Ergebnis.
Letztendlich lief das Werk über, den treuen Fans war es egal, doch für viele war das Ergebnis nach zwei wirklich hervorragenden Bänden eine leise Enttäuschung.

Dieses episodische Werk sollte nun in ein Filmdrehbuch gepresst werden, was schon Rufe nach einem Zweiteiler laut werden ließ, denn die Schwierigkeiten bei der bevorstehenden Komprimierung waren unübersehbar. Das Wesentliche musste in den Fokus, so viel war klar, harte Arbeit stand bevor.

Um so unverständlicher, dass die Produktionsfirmen dann eine Reihe von mehr als rätselhaften Entscheidungen trafen. Zunächst engagierten sie den mehr als unbekannten britischen TV-Regisseur David Yates, der bisher noch gar nicht in Erscheinung getreten war und sich auch noch nicht durch besonderes Talent ausgezeichnet hatte. Dann verpflichteten sie erstmals in der Reihe einen anderen Drehbuchautor als Steve Kloves, nämlich Michael Goldenberg, der das Skript für „Peter Pan“ geschrieben hatte.
Und sie produzierten aus dem längsten Buch der Reihe den kürzesten Film der ganzen Serie, der die typische Potterlänge um gut 10 Minuten unterschritt.

Kann so ein radikales Relaunch gut gehen?
Nein – wenn man außer Acht lässt, dass die übliche Besetzung wieder komplett angetreten ist und durchaus stabile Leistungen im Rahmen der Serie abliefert.
Das Ergebnis ist irgendwie durchaus ein unterhaltsamer Film geworden, aber der Sense of Wonder, den die bisherigen Regisseure ihren Beiträgen verpassten, geht „Phoenix“ leider völlig ab.

Das mag bei Nichtkennern der Materie und speziell der zwiespältigen Vorlage nicht so sehr auffallen, allen übrigen (das dürfte die Mehrheit sein) sitzt mit Sicherheit der eine oder andere, größere oder kleinere Kloß im Hals.
Zum überwiegenden Teil ist das vermutlich Goldenbergs uninspiriertem Skript anzulasten.
Aus einem Wälzer von Vorlage das Notwendige und Unverzichtbare herauszudestililieren ist eine Herkulesarbeit, aber wenn man sich das Ergebnis ansieht, fällt zwar auf, dass die wichtigsten Teile der Haupthandlung erhalten blieben, eine eigene Handschrift jedoch nicht vorliegt. Goldenberg konnte Rowlings Schwächen nicht ausgleichen – im Roman herrscht ein beständiges Kommen und Gehen, der rote Faden wird mehrfach verlassen und erst nach einer Weile wieder aufgenommen, formal wie inhaltlich ist „Phoenix“ eine Zeit des Übergangs.
Da Goldenberg sich genötigt fühlt, den Fans aber nicht alles radikal zu entreißen, führt dies zu einem Häppchenpanoptikum, alle schauen rein und sind mal wieder weg, die Aufmerksamkeit wird in alle möglichen Richtungen gelenkt, um halbwegs eine Fokus für das Ende zu haben, fallen viele schöne Details und noch mehr Nebenfiguren weg. Der Autor reduzieret die erste Liebe und ihr Scheitern auf einen einzigen Kuss ein, komprimiert die Aktivitäten der Jugendliche auf den Aufbau von „Dumbledores Armee“ und lässt ansonsten wie in der Vorlage die erwachsenen Figuren vorbeiparadieren.
„Phoenix“ ist ein Film mit Harry, Ron und Hermine geworden, nicht ein Werk über sie.

Wäre das alles noch zu verkraften, ist der Bärendienst am Skript im letzten Drittel getan worden. Praktisch bis ins Unendliche wurde die Verteidigung einer wichtigen Prophezeiung durch die Schüler gegen Voldemort und seine Horden im Zaubereiministerium simplifiziert, bis daraus nur noch ein überdimensionales Licht- und Schatten-Geschmeiße a la „Star Wars“ geworden ist.
Nichts mehr ist von Harrys Pubertätsproblemen, von gruppeninternen Beziehungen, von Emotionen und Wut übrig, der Film erscheint wie eine gut geölte, aber leicht seelenlose Maschine, die von den Erinnerungen an die Vorgänger zu leben scheint.

Das allerdings muß auch ein wenig David Yates angelastet werden, der (wie auch?) keine eigene Handschrift findet, um seinen Stoff zu veredeln oder ihm seinen Stempel aufzudrücken. Yates arbeitet die Szenen ab, tut sein Bestes, aber er ist kein Kinderversteher wie Columbus, kein Balance-Dramaturg wie Cuaron und schon gar kein Emotionsversteher wie Newell, der auch mit einem durchwachsenen Skript kämpfte, dies aber mit Herz ausgleichen konnte.

Der „Orden“ hat leider kein wirkliches Herz, jeder hat seine Szene(n), aber das war es auch schon, gesehen und abgehakt könnte man sagen, obwohl da der Stoff einiges versprach.
Bisweilen brechen Lichtstrahlen durch das Mediokre – das Ministerium strahlt im Glanz, Imelda Staunton liefert mit ihrer Version der Dolores Umbridge eine wahrhaft hassenswerte Figur ab, Luna Lovegoods Darstellerin Evanna Lynch ist hervorragend ausgesucht, die Gerichtsverhandlung ist genauso niederdrückend wie sie sein sollte, aber sonst?
Fußnoten.

Die Dursleys leiden als Karikaturen, Lupin, Moody, Tonks und Co schauen rein und verschwinden; Ralph Fiennes „Voldemort“ hat zwar zwei Auftritte, aber keine echte Substanz; Maggie Smith, Emma Thompson und Jason Isaacs liefern „bit parts“ ab, Erzfeind Draco Malfoy wurde zu einer faden Szene runtergekürzt, nicht mal Rickmans Snape liefert etwas wirklich Erinnerungswürdiges ab – da Yates und Goldenberg der Einfallsreichtum fehlt, die Okklumentik in irgendeiner sinnvollen Form zu visualisieren.

Hagrid, ein Favorit des Publikums ist seltsamerweise deswegen mit seinen schon im Buch überflüssigen Gastauftritten drin geblieben und Helena Bonham Carter als Bellatrix Lastrange chargiert, was das Zeug hält.
Und dann ist da natürlich noch der Auftritt von Gary Oldman aka Sirius Black, Harrys Pate, der seine Szenen solide spielt, dessen Abgang allerdings von Yates dermaßen reizlos und schnell dahingespuckt wird, dass man ihn fast übersehen könnte.

Hier wird beim Showdown überdeutlich, dass Spezialeffekte bei Potter nicht das ausschlaggebende Element sind, sondern nur die Emotion transportieren – die bleibt jedoch ausgerechnet im Film zu oft außen vor, wobei die Vorlage davon schier überläuft.

So ist der „Orden des Phoenix“ zwar nicht zu einem Flop geworden, seine Schwächen sieht man ihm jedoch überdeutlich an, die strenge Szenenabfolge schreit geradezu nach mehr Substanz durch mehr Tiefe, aber die fehlt manchmal.
Möglicherweise sollte man aber auch nicht zuviel verlangen, es war schwer genug, aus diesem Wälzer das Wesentliche herauszuschneiden, die mangelnde Erfahrung war jedoch keine gute Qualifikation für die Regisseurswahl.
Yates wird wohl beim sechsten Film Gelegenheit bekommen, sich zu bessern, dankbarerweise dann jedoch wieder mit einem Drehbuch von Kloves, der sich den Figuren einfach besser zu nähern weiß.
Sein Reihendebut ist jedoch ein Füll-Film zu einem Füll-Buch geworden, ein vollgeproppter Brückenschlag mit wenig echtem Charme und das deutliche Zeichen, dass man zum großen Finale 2010 wieder einen echten Könner ranlassen sollte. Alles andere wäre genau die Fahrlässigkeit, die man bei den bisherigen vier Filmen bisher vermieden hatte. (6,5/10)

Details
Ähnliche Filme