"Verzweiflung kann ungemein motivieren."
Programmdirektorin Katy Courbet (Eva Mendes) sieht vor, die schwächelnde Quote des TV-Senders ABN wieder auf Vordermann zu bringen. Da diverse Live-Shows ungemein gut beim Publikum ankommen, besteht ihre Idee auf einem ähnlichen, jedoch sehr fragwürdigen Konzept: Die Vermarktung des tödlichen Glücksspieles "Russisches Roulett". 6 freiwillige Kandidaten halten sich jeweils einmal eine .357er Magnum mit einer Kugel an den Kopf und drücken ab. Die 5 Überlebenden erhalten eine Prämie von je 5 Millionen Dollar, der Verlierer verliert alles. Skrupellos räumt sie alle moralischen und juristischen Gegenmeinungen aus dem Weg, präsentiert ihr Konzept auf emotionale Weise diversen Vorgesetzen, bis es schließlich grünes Licht für ihre Show gibt.
Bei "LIVE!" handelt es sich um eine dokumentarisch konzipierte TV-Groteske. Wie in einer gewöhnlichen Dokumentation wird das Geschehen präsentiert, plakativ, emotional, informativ und realitätsnah. Eine ungewöhnliche aber auch innovative Richtlinie. Durch die Art dieser Darstellung sind natürlich kaum Special-Effects, wie beispielsweise in einem gesellschaftskritisch ähneldem "Running Man", zu erwarten. Stattdessen wird Wert auf eine charakternahe Erzählstruktur gelegt.
Nachteil durch die vielen Interviews und Erklärungssituationen ist, dass bei dieser Form so gut wie keine Möglichkeit besteht Spannung zu erzeugen, dies geschieht erst im letzten Drittel wenn die Show tatsächlich startet und der Zuschauer selbst zum mitfiebernden, sensationsgierigen Menschen avanciert. Eine Parabel sondergleichen.
Die Pseudo-Doku zeichnet sich durch ungemein informative Erläuterungen der TV-Konzerne aus, erheitert durch makaber, sarkastischen Witz und lässt durch das gewissenlose Vorgehen des Hauptcharakters den Atem stocken.
Regisseur Bill Guttentag kritisiert hier nicht nur das System der TV-Sender, seine Sichtweise über Zensur und Verträglichkeit, nein, er geht noch weiter und kritisiert die Gesellschaft bzw. das einzelne Individuum selbst. Die Menschheit ist sensationsgeil. Sex, Gewalt und Tod sind nicht mehr so unmittelbar, in Masse oder in engerem Raum vorhanden, sodass sie auf andere Art befriedigt werden müssen und können. Guttentag stellt einen Spiegel vor uns allen auf und minimiert uns auf ein dummes, manipulatives Wesen, was nur noch seinen Instinkten folgt, angetrieben dessen Bedürfnisse zu erfüllen. Und das in Form des anonymen, massentauglichen fernsehens. Anfangs noch behäbig und zweiflerisch stellt sich langsam eine Neugierde ein, und steigert sich zu einer Euphorie mit den Todeskandidaten mitzufiebern, nicht nur bei den Filmcharakteren sondern auch in uns selbst. Die Moral selbst spricht uns erst wieder an,wenn es zu spät ist... vielleicht, vielleicht aber auch nicht.
Der Ablauf selbst ist, vom Finale ausgenommen, sehr vorhersehbar.
Die Darstellung der Show ist heftig und setzt auf psychischen Druck und Stress, genauso wie auf Emotionen, aber weniger bzw. so gut wie gar nicht auf Blut, was man eigentlich erwarten würde.
Eva Mendes glänzt als durchsetzungsfähiges Machoweib in einer beinahe One-Woman-Show. Jay Hernandez, bekannt aus Hostel, mimt hier den schwulen Latino. Die restlichen Gesichter sind eher unbekannt aber zweckmäßig und bekräftigen die für extra schlicht und klischeehaft gestalteten sowie gut ausgearbeiteten Figuren.
Wo der Hype der Sensationsshows beginnt, wissen wir bereits. Reality Soaps wie "Big Brother" oder diverse Dschungelcamps legen vor, Castingshows wie "DSDS" ziehen nach. Aber wo endet der Wahn? Und vor allem stellt sich die Frage: Wie weit dürfen solche Shows gehen?
7 / 10