Mit Romantik verbindet man unwillkürlich leidenschaftliche Liebe und Hingabe, eventuell gestört von dramatischen Ereignissen oder einfach mit einem intensiven und unbeschwerten Verlauf und einem Happy End gesegnet. Eine Abweichung der Vorstellungen ist im ersten Moment schwer, wahrscheinlich weil das Leben ähnliche Eindrücke vermittelt, aber auch weil das Medium Film oftmals unterschwellig derartige Szenarien suggeriert. Ausnahmen bestätigen die Regel und Quentin Tarantino zeichnet es aus, dass er die inflationäre Verwendung von Begriffen nicht auf sich sitzen lässt. „True Romance“ ist eine Abkehr von visualisierten Konventionen.
Das Wesentliche des Menschseins besteht darin, nicht Vollkommenheit anzustreben, sondern bereit zu sein, um Treue zu einem Menschen willen auch Sünden zu begehen, und sich darauf gefasst zu machen, am Ende mit leeren Händen dazustehen...
Die Liebe ist eine verzweifelte und verrückte Sache. Sie kann aus einem Wurm einen Mordskerl machen -- und kann einen anständigen, rechtschaffenen Menschen zerstören.
Clarence (Christian Slater) ist ein Eigenbrötler, zurückgezogen lebend und einsam. Niemand versteht seine Leidenschaft für Martial-Arts-Klassiker und Elvis Presley.
Als sein Chef für ihn das Callgirl Alabama (Patricia Arquette) engagiert und sich beide darüber hinaus näher kennen lernen, ändert sich sein Leben. Beide unterwerfen sich der gegenseitigen Liebe und teilen Freude.
Es ist eine klassische Vernarrtheit, die allerdings nicht nach gewöhnlichen Mustern verläuft. Alabama ist Leibeigene ihres Zuhälters Drexl (Gary Oldman) und wo es Macht gibt, gibt es keine Liebe. Der Versuch von Clarence sie freizukaufen leitet eine kompromisslose, blutgetränkte Form der Romanze, ganz im Stile von Tarantino, ein.
Liebe schließt Verantwortung mit ein.
Liebe bleibt immer ein schweres Stück Arbeit.
Die Tarantino'sche Handschrift trägt nun Früchte, denn Verantwortung und harte Arbeit definiert er anderweitig, auf blutige Art und Weise im Kampf gegen kriminelle Organisationen. Klassisch ist an sich nur noch die emotionale Bindung zwischen beiden Protagonisten.
Die Verbundenheit ist grenzenlos und beide sind zu allem bereit.
Regisseur Tony Scott setzt das Konzept ansprechend um, kann seine Schauspieler bis zum Äußersten motivieren, wodurch eine groteske Intensität erreicht wird. „True Romance“ ist kompromisslose Action, eingebettet in einer skurrilen Lovestory. Der Charakter des Road- Movies greift zusätzlich und sorgt für visuelle Finessen auf der Flucht in den Westen Amerikas. Im Wesentlichen behagt die Abwechslung, einerseits kontrastreich, andererseits unglaublich harmonisch. Liebe im Verbund mit exzessiven Schießereien, stets im Wechsel zwischen Melancholie und Fröhlichkeit. Ohrenbetäubende, handwerklich gelungene Shoot-Outs gefolgt von fröhlichen, minimalistischen Hans Zimmer Klängen. Dazu verdauliche Dialoge, ganz im Stile von Tarantino. Das Sinnieren über die vermeintlich unwichtigen Dinge des Lebens – in der bekannten, locker-legeren Art, versteht sich.
„True Romance“ ist als Produkt wieder ein Schlag gegen festgefahrene Vorstellungen, es wird offen in Frage gestellt, was normal ist. Oberflächlich betrachtet ist die Story schlichtweg grotesk, aber hinter der Fassade verbirgt sich ein funktionierender Geniestreich. Kontraste verzerren die Realität, aber das Gesamtwerk wirkt unheimlich plastisch. Realismus ist etwas anderes, aber Romantik lässt sich eben nicht nur auf eine konventionelle Weise definieren.
Die Magie und der Reiz am Projekt war offensichtlich auch ein Argument für einige schauspielerische Größen, selbst in mit wenig Screentime bedachten Nebenrollen aufzutreten.
Gary Oldman ist als Zuhälter wieder einmal absolut widerlich, Ekel erregend, aber schauspielerisch hervorragend. Christopher Walken steht dem in nichts nach, wenn auch in einer etwas edleren Erscheinungsform als Mafiaboss. Selbst Brad Pitt und Samuel L. Jackson geben sich mit kleineren Parts zufrieden und hinterlassen trotzdem, im Bereich des zeitlich Möglichen, einen starken Eindruck. Dennis Hopper ist als Ex-Cop und Vater von Clarence ebenso überzeugend wie entzückt über die nonchalante Art von Alabama. An dieser Stelle erreichen wir das Zentrum der Schauspielkunst, die Protagonisten. Slater, für gewöhnlich kein Sympathieträger, überwältigt als authentisch konsequenter und fürsorglicher Lebenspartner von Alabama. Patricia Arquette brilliert als naives, extrovertiertes Ex-Callgirl, das durch ihre aufrichtige und natürliche Art die Herzen erobert.
„True Romance“ stellt die Vorstellungen und Bilder über Romanzen auf den Kopf. Blutig, kompromisslos und doch mit wesentlichen, romantischen Komponenten bestückt, vermag der Film sowohl inszenatorisch als auch kognitiv zu imponieren. Tarantino liefert ein typisches Drehbuch abseits des Mainstreams nach dem Motto: Gewalt kann der Ausdruck von Liebe sein, Gleichgültigkeit niemals! (9/10)