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24 Stunden im Alltag junger italienischer Neofaschisten: Man trifft sich, man erpresst und verrät sich gegenseitig, man legt eine Bombe die nicht hochgeht, man fickt eine kleine dumme Göre, man verprügelt einen „Roten“, man zerstört Motorräder linker Schüler und Studenten, man begeht einen vollkommen sinnlosen Mord …

Dass ich nach einem Film nach Gesellschaft verlange damit ich nicht in Depressionen abgleite, das ist äußerst selten. SAN BABILA hat dies ganz einfach geschafft mit der unverblümten und grauenhaft realistischen Darstellung von Jugendlichen, die sich als Herren der Welt ansehen, eine (wenn überhaupt vorhandene) Weltanschauung hegen die selbst Alt-Nazis das Gruseln lehren dürfte, und ansonsten das gute alte US-amerikanische Credo pflegen: Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns. Ein Albtraum inmitten einer modernen Großstadt, und wehe wer ihnen in die Quere gerät. Da genügt es schon auf der richtigen (sic!) Straßenseite zu fahren, ein Flugblatt mit einem Hakenkreuz anzuschauen, oder einfach nur über die Piazza San Babila zu laufen, um als „Roter“ geschmäht und körperlich angegriffen zu werden.
Das Problem, das ich nun mit diesem Film habe, ist folgendes: Der ist so schrecklich real. Und selbst wenn die Piazza San Babila im Jahre 1976 weit entfernt scheinen mag, eine Bushaltestelle in Brandenburg ist erheblich näher, und kann dabei genau das gleiche Gewaltpotential an den Tag legen. Und genau diese Realität, dieser furchtbar kühle und beiläufige Blick auf eine Gesellschaft die längst aus den Fugen geraten ist, und sich auf kruden Fantasien und Ausübung von Gewalt gründet, das ist das was an SAN BABILA so hochaktuell und realistisch ist, und was an diesem Film fesselt und gleichzeitig auch unendlich abstößt. Ein Film, der in jeder 8. oder 9. Schulklasse gezeigt und diskutiert werden müsste, und dem ein viel höherer Stellenwert gebührt denn als Nischenfilm einer untergegangenen Filmkultur. Unbedingt anschauen und das Fürchten lernen …

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