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Jason Creed (Joshua Close), seines Zeichens ambitionierter Filmstudent, möchte mit einigen Freunden einen Low-Budget-Horrorfilm in einem abgelegenen Waldstück drehen. Doch gerade, als einer der Laiendarsteller im Mumienkostüm das attraktive Blondchen Tracy (Amy Ciupak Lalonde) durchs Unterholz verfolgt, vernehmen die Studenten im Radio plötzlich eine Meldung, die den Schrecken ihres Amateurfilmes weit in den Schatten stellt. Aufgeregte Reporter berichten von einer Epidemie, in deren Folge sich die Toten im ganzen Land erheben, um wie im Wahn über die Lebenden herzufallen. Jason und seine Freunde wissen zunächst nicht, ob sie die Meldung als schlechten Scherz auffassen sollen, halten es aber dennoch für das Klügste, zunächst einmal in Jason's Wohnwagen Zuflucht zu suchen und zur nächsten Stadt zu fahren. Auf ihrem Weg dorthin stoßen sie auf der einsamen Landstraße vereinzelt auf schrecklich entstellte oder gar bereits verweste Menschen und wissen die Nachrichtenmeldungen damit bestätigt. Als ihnen auf ihrer Reise immer mehr Untote begegnen, werden die Studenten zur scheinbar ausweglosen Flucht gezwungen, deren Ablauf Jason derweil mit seiner Kamera für die Nachwelt dokumentiert...


Nur zwei Jahre, nachdem er seinen Fans mit "Land of the Dead" zuletzt eine düstere Vision eines postapokalyptischen Zombieausbruchs bescherte, meldet sich der inzwischen durchaus in die Jahre gekommene Urvater aller Zombies für einen weiteren Ausflug in die Welt der Untoten zurück. Mit "Diary of the Dead" widmet Horror-Ikone George A. Romero den stark verwesten und kannibalistischen Wiedergängern bereits seinen fünften Film und setzt die hirntoten Menschenfresser damit einmal mehr ins Zentrum des von Menschenhand selbst herbeigeführten Weltuntergangs. Was im Jahr 1968 ganz unscheinbar mit dem in Schwarzweiß gefilmten Low-Budget-Werk "Die Nacht der lebenden Toten" begann, zog bald einen regelrechten Kult nach sich, inspirierte zahlreiche andere Filmemacher und prägte eine ganze Generation von anderen Zombiefilmen. Mit "Dawn of the Dead" und "Day of the Dead" sollten in den Jahren 1978 und 1985 zwei weitere Meilensteine folgen, die inzwischen nicht nur innerhalb der Horrorszene absoluten Kultstatus besitzen und unlängst zu den wichtigsten Werken eines ganzen Genres gezählt werden dürfen. Lange Zeit wurde es daraufhin ruhig um Romero, bis der hochgewachsene Regisseur mit der riesigen Hornbrille seine Zombies für "Land of the Dead" im Jahr 2005 erneut aus den Gräbern steigen ließ. Leider stand dieses Werk seinerzeit etwas im Schatten des von Zack Snyder inszenierten "Dawn of the Dead"-Remakes, dennoch durfte Romero's Rückkehr auf den Regiestuhl als absolut lohnenswertes Unterfangen bezeichnet werden, war "Land of the Dead" doch ein Geniestreich, der seinen berühmten Vorgängern beinahe in nichts nachstand.

Kaum waren daraufhin zwei Jahre ins Land gegangen, als George A. Romero seinen völlig überraschten Fans verkündete, dass die Dreharbeiten zu einem weiteren Zombiestreifen bereits auf Hochtouren in Gange waren. Damit hätte damals wohl keiner gerechnet, nicht zuletzt deshalb, weil sich Romero zwischen seinen einzelnen Werken ansonsten stets eine ausgedehnte Ruhepause gönnte - so lagen zwischen "Day of the Dead" und "Land of the Dead" nicht zuletzt sogar 20 Jahre. Für "Diary of the Dead" nahm sich Romero dieses Mal jedoch nur ein zehntel dieser Schaffenspause und kehrte, was noch viel bedeutsamer ist, den großen Studios den Rücken, um ganz der alten Tage Willen einen Independent-Film mit deutlich geringerem Budget als bei den vorangegangenen Produktionen in den Kasten zu bringen. Regelrecht konträr zu diesem Schritt zurück zu den eigenen Wurzeln steht jedoch der moderne Unterton des Films, der sich kritisch mit den Folgen von Sensationsjournalismus und gierigem Selbsdarstellungswahn in Zeiten von youtube und Co. auseinandersetzt. Eine Thematik, die man Romero auf seine alten Tagen wohl nicht mehr zugetraut hätte.

Passend zur Thematik kommt "Diary of the Dead" als Fake-Documentary daher und wandelt somit auf den Spuren von Werken wie "Cloverfield" oder "[Rec]". Genau wie diese Werke wird auch Romero's Zombiefilm seine Fans in zwei Lager spalten, da sich vermutlich nicht jeder mit dieser Art der Inszenierung anfreunden können wird. Für grobe 90 Minuten begleitet der Zuschauer eine Gruppe junger Filmstudenten sowie deren Professor, die vom Dreh eines Low-Budget-Horrorfilms mitten hinein in eine Zombie-Invasion geraten. Das Besondere hierbei ist, dass der Zuschauer das Geschehen komplett aus den Kameraperspektiven von Jason und seinen Freunden erlebt, die das unheimliche und blutrünstige Geschehen hautnah dokumentieren. Wie Jason's Freundin Debra einleitend aus dem Off kommentiert, wurde das Material nachträglich zusammengeschnitten und mit passender Musik unterlegt, um die Bilder für die Nachwelt möglichst schockierend zu hinterlassen. Immer wieder mal werden zudem Ausschnitte aus diversen Nachrichtenübertragungen aus aller Welt in das Geschehen hineingeschnitten, was die globale Zombie-Epidemie natürlich noch glaubhafter vermittelt. Erfreulicherweise werden die Ereignisse hier allerdings mit deutlich ruhigerer Hand als noch bei "Cloverfield" oder "[Rec]" gefilmt, was mit Sicherheit so manchen Schwindelanfall vermeiden dürfte, dem Film auf der anderen Seite aber einen Teil seines erwünschten Realismus beraubt. Dennoch, und das wird wohl mehr Zuschauer abschrecken als erfreuen, macht "Diary of the Dead" aufgrund seines sichtlich geringen Budgets und dem aktuellen Dokumentationsstil durchaus den Eindruck, als hätte er auch von einem ambitionierten Nachwuchsregisseur gedreht werden können. Hier werden vor allem Parallelen zu Michael Bartlett's und Kevin Gates' Genre-Vertreter "The Zombie Diaries" wach, der sich bereits im Jahr 2006 daran versuchte, einen Zombie-Ausbruch aus der Perspektive einiger Hobbyfilmer in Szene zu setzen. Natürlich wirkt "Diary of the Dead" in vielerlei Hinsicht deutlich professioneller als jenes Regie-Debut zweier aufstrebender Filmemacher, doch kann auch der Urvater aller Zombies nicht verleugnen, dass "Diary of the Dead" von all seinen Zombie-Filmen jener ist, in dem seine eigene Handschrift am Unkenntlichsten hervorschimmert.

An und für sich betrachtet und mit der Ausblendung aller Vergleiche mit Romero's früheren Werken ist "Diary of the Dead" ein durchaus unterhaltsamer und kurzweiliger Zombiefilm geworden, das mag außer Frage stehen. Dennoch will sich der Zuschauer nicht so recht des Gedankens erwehren können, dass dieses Werk wohl kläglich in der Masse aktueller Horrorfilme untergegangen wäre, hätte nicht George A. Romero persönlich im Regiestuhl gesessen. Gerade die Vergleiche mit "Dawn of the Dead" und Co. sind es also, die den Gesamteindruck durchaus schmälern, denn im Vergleich zu seinen inhaltlich losgelösten Vorgängern wirkt "Diary of the Dead" nur noch wie ein halbgarer Ableger dessen, für was der Name Romero bislang im Zombie-Genre stand. Daran kann auch ein halbwegs innovativer Inszenierungsstil und eine leise Gesellschaftskritik in Richtung der Medien nichts ändern.

Gibt man "Diary of the Dead" jedoch die Möglichkeit, frei von jedweden, sich schier aufdrängenden Vergleichen zu wirken, dann bietet der Film allen Fans von untoter Unterhaltung noch immer 90 durchaus vergnügliche Minuten. Zunächst einmal legt der Film durchaus Wert darauf, dass seine Charaktere nicht vollends im Geschehen untergehen, so dass die Hauptfiguren allesamt kurz vorgestellt werden und der Zuschauer keinen komplett austauschbaren Marionetten durch die Handlung folgen muss. Zwar ist das Verhalten der einzelnen Charaktere auch hier nicht zu jedem Zeitpunkt logisch und man kann sich bisweilen des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Studenten überraschend schnell mit der Zombie-Epidemie abgefunden haben, doch davon einmal abgesehen, kommt ein Großteil von ihnen durchaus sympathisch daher. Ihre Flucht führt die Studenten im Verlauf der Handlung unter anderem in ein verlassenes Krankenhaus und zu einem luxuriösen Anwesen, eine gewisse Abwechslung ist also gegeben, auch wenn es "Diary of the Dead" nicht gelingen will, eine permanente Spannung zu erzeugen. Ein glaubhaft apokalyptisches Szenario konnte Romero hier einfach nicht zustande bringen, auch wenn die Studenten auf diversen Internetplattformen immer wieder erschreckende Videos aus aller Welt sehen, die beweisen, dass sich der Virus inzwischen über den ganzen Globus ausgebreitet hat. Der Fokus des Geschehens liegt jedoch stets auf der Flucht der Studenten, eine von Zombies überrannte Welt wird somit nicht all zu glaubhaft vermittelt.

Wie bei einem Zombiefilm nicht anders zu erwarten, unterhält auch "Diary of the Dead" sein Publikum mit einer Reihe blutrünstiger Effekte. In dieser Hinsicht geht der Film zwar nicht all zu maßlos, dafür aber durchaus kreativ zu Werke. Ein sich von Säure langsam zersetzender Kopf bietet dem Gorehound ebenso Abwechslung zum gewohnten Einheitsbrei, wie der Selbstmord eines infizierten Farmers mittels einer Sense, die er sich beherzt durch den eigenen Kopf treibt, um auch einen hinter ihm stehenden Zombie noch aufzuspießen. Ein Schlachtfest ist "Diary of the Dead" wahrlich nicht geworden, dennoch werden die überschaubaren Effekte allesamt mit einer nötigen Härte serviert. Das macht aus "Diary of the Dead" zwar Romero's blutärmstes Zombiewerk nach "Night of the Living Dead", dürfte die Fans in dieser Hinsicht aber durchaus noch zufriedenstellen, so lange diese kein ausuferndes Blutbad erwarten.

Die Schauspieler machen ihre Sache allesamt überzeugend. An erster Stelle ist hier Joshua Close ("Der Exorzismus von Emily Rose") zu nennen, der in der Rolle des regelrecht besessenen Jason einen Großteil der im Film zu sehenden Bilder aufzeichnet und sich im Laufe des Films immer mehr in die Aufgabe des unbeteiligten Kameramanns hineinsteigert. Selbst als seine Freunde beinahe von Zombies getötet werden, schreitet er nicht ein, sondern sieht vielmehr seine Pflicht darin, den realen Schrecken für die Nachwelt unbeschönigt festzuhalten. Die Obession dieser Rolle nimmt man Close sofort ab und ebenso überzeugend agiert auch Michelle Morgan, die als Debra ebenfalls die mahnenden und nachdenklich stimmenden Kommentare aus dem Off spricht und zudem als einzige das Verhalten von Jason in Frage stellt.


"Diary of the Dead" muss letztendlich aus zweierlei Blickwinkeln betrachtet werden. Als für sich eigenständiger Zombiefilm im Fake-Doku-Stil bringt der Streifen stellenweise durchaus frischen Wind in das Genre und unterhält über 90 Minuten auf solidem Niveau. Bedenkt man aber, dass kein anderer als Zombie-Urvater George A. Romero dieses Werk in völliger Unabhängigkeit inszenierte, dann ist ein Vergleich mit den früheren Filmen der Horror-Ikone leider unumgänglich und gerade unter diesem Aspekt offenbart "Diary of the Dead" dann auch so manche Schwachstelle. Eine durchgehende Dramaturgie oder eine brauchbare Spannungskurve wird nicht aufgebaut, so dass der Film zwar unterhält, aber keineswegs fesselt. Auch die gesellschaftskritischen Ansätze kratzen lediglich an der Oberfläche und wirken bisweilen sogar regelrecht erzwungen. Nichtsdestotrotz darf "Diary of the Dead" letzten Endes allen Freunden gepflegter Zombie- und Horrorunterhaltung durchaus empfohlen werden, so lange diese sich keinen weiteren Geniestreich des Zombie-Altmeisters erhoffen.

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