1968 drehte ein junger Mann namens George Romero einen kleinen, billig produzierten Film über eine Gruppe Menschen die sich vor ihren eigenen zu Zombies mutierten Mitmenschen verbarrikadieren mussten. „Night of the living dead“ wurde sofort zu einem Kultfilm und beeinflusste selbst Jahrzehnte später noch ein ganzes Genre: den Horrorfilm. Doch Herrn Romero interessierte mehr als nur die bloße Zurschaustellung von Schocks und das Spiel mit Urängsten. Er wollte eine Botschaft mit auf den Weg geben. Dafür brach er auch einige Tabus. Anno ´68 war es noch der ungewöhnlich schwarze Protagonist, der als einziger einen kühlen Kopf bewahrte und gegen Ende der weißen Hauptdarstellerin sogar eine scheuern durfte. In seinen späteren Werken war es die exzessive Darstellung von Gewalt. Er prägte dem Zombie-Genre seinen Stempel auf und nun, mehr als 40 Jahre nach seinem großen Klassiker der Filmgeschichte (eine Kopie befindet sich im New Yorker Museum of Modern Art) kehrt er nach insgesamt vier Zombiefilmen wieder zurück auf die Leinwand mit den Untoten die ihn groß gemacht haben.
In diesen 40 Jahren hat sich allerdings so einiges geändert. Romero hatte mittlerweile seinen Status als genialer Autorenfilmer durch einige Rohrkrepierer (allen voran der unsägliche Bruiser) selbst untergraben und auch sein 2005 erschienener Film Land of the Dead konnte zwar einige positive Kritiken ernten, stieß beim jungen Publikum jedoch nicht unbedingt auf Gegenliebe. Vielleicht war seine Zeit einfach vorbei und andere hatten den Platz auf dem Horrorthron bestiegen. Mit der Torture-Welle jedenfalls konnte sich Romero nicht identifizieren:„Ich verstehe es nicht. […] Denen fehlt doch die Metapher.“ (Quelle: Wikipedia)
Nun hat Romero mit Diary of the Dead einen neuen Weg eingeschlagen, und für einen eigentlich recht konservativen Filmemacher bedient er sich doch sehr ausgiebig an neuen Techniken. Doch wirkt seine wie immer vorhandene Gesellschaftskritik heute noch? Ist das durchschnittliche Splatterfilmpublikum empfänglich für eine Metaebene? Und noch viel wichtiger, beherrscht er sie überhaupt noch?
Alles beginnt mit einer Live-Übertragung fürs Fernsehen. Der Kameramann stellt das Objektiv ein, die Reporterin fährt sich noch ein letztes Mal durchs Haar, im Hintergrund sehen wir ein Sanka und einige Rettungskräfte. All das erleben wir – POV-Style – durch die Kamera des Fernsehteams. Und am besten gewöhnen wir uns schon mal dran, denn bis zum Ende des Films wird sich daran kaum etwas ändern. Blair Witch, [Rec] und Cloverfield-Hasser brauchen sich jedoch jetzt nicht angewidert abwenden, Wackelorgien gibt es kaum und zudem ist das Ganze adäquat geschnitten, doch dazu später mehr. Wir erfahren also von der Reporterin dass in dem Gebäude hinter ihr ein Mehrfachmord geschehen ist und dass sich die Sanitäter gerade um die Opfer kümmern – die offensichtlich recht tot zu sein scheinen – oder doch nicht? Hat sich da gerade nicht einer bewegt? Nun ich brauche wohl nicht weiter auszuführen was geschehen wird, aber für die Genreunkundigen unter euch: Aus unerfindlichen Gründen /(wahrscheinlich war die Hölle mal wieder voll …) erwachen die Toten zum Leben und machen sich auf die Lebenden zu verspeisen. Keine fünf Minuten nach ihrem ersten Auftritt liegt unsere Reporterin schon blutüberströmt am Boden und es folgt – ein Schnitt.
Wir werden mit einer Gruppe junger Filmstudenten bekannt gemacht, die gerade einen (äußerst lächerlichen) Mumienfilm drehen. Kameramann Jason wird für die nächsten 90 Minuten unser Fenster zur Welt sein – denn er hält die Kamera. Seine Freundin Debra erklärt uns im Prolog, dass sie sein Filmmaterial mit Clips aus Youtube, Fernsehberichten, etc. zusammen geschnitten hat – daher die recht professionellen Cuts – wie gesagt: Filmstudenten. Über das Radio hören die Jungs und Mädels (inkl. desillusioniertem Prof mit Alkoholproblem) etwas von einer Katastrophe. Und – zack – sind wir mittendrin im bekannten Zombieszenario. Nun folgt eine Odyssee per Auto immer auf der Suche nach einem sicheren Ort. Dabei landet man in einem (beinahe) ausgestorbenen Krankenhaus, trifft mehr oder weniger ungern seine Familie zu Hause wieder, findet kurzzeitig bei einer durchorganisierten Gang (oder was auch immer) Unterschlupf und darf sich zwischenzeitlich sogar von einem stummen Amish helfen lassen. Und immer wenn sich unsere Protagonisten einigermaßen sicher fühlen, werden sie von auftauchenden Zombies wieder weitergejagt. Es scheint als würden die Zombies ihnen von Beginn an folgen (und wenn man davon ausgeht, dass es wohl nicht mehr allzu viel „Frischfleisch“ geben dürfte, auch durchaus verständlich .. lieber 100 km/h laufen als verhungern, oder um einen klassischen Werbespruch zu missbrauchen: Ich geh meilenweit für Hirn!). Durch das immer noch funktionierende Internet (den Mitarbeitern von Youtube scheints also noch ganz gut zu gehen) wird unseren Protagonisten auch schnell klar, dass die – ich nenne es mal – Seuche überall auf der Welt ausgebrochen ist. Und trotz dieses großen Logikhammers, dem ich aber bei so unglaublich vielen Katastrophenfilmen immer wieder begegne, hat es - zumindest in der Anfangszeit (den ersten paar Tagen, wo das alles durchaus noch plausibel scheint) – Romero im Gegensatz zu allen anderen Filmen dieser Art geschafft, darzustellen wie eine solche Epidemie in unserer Zeit funktionieren würde. Durch das Internet sind wir dank Bloggen, Twittern und „Tuben“ innerhalb von Sekunden über die aktuellsten Neuigkeiten informiert. Vorbei die Zeiten, in denen Sonderausgaben der Times mit der Aufschrift „Exodus“ durch die verwaisten Straßen amerikanischer Großstädte flatterten. In dieser unserer Zeit bleibt nichts verborgen. Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob Romero DAS kritisieren wollte (obwohl einige wenige Szenen darauf hinweisen), oder ob er einfach zeigen wollte wie die Gesellschaft heute auf solche Ereignisse reagieren würde. Anders sieht es da schon mit der medialen Selbstdarstellung aus. Wenn eine Asiatin (ganz bestimmt nicht mehr China) trotz im Hintergrund wahrnehmbarer Eindringlinge noch ihren Videoblog zu Ende sprechen muss anstatt zu flüchten, tja, dann haben wir hier wohl ein Kind unserer Zeit vor uns. Ebenso, und hier wird es am krassesten deutlich, verhält sich unser Protagonist Jason. Auch wenn wir alles durch seine „Augen“ wahrnehmen und sozusagen automatisch auf seiner Seite sein müssen, habe wir es hier doch mit der unsympathischsten Identifikationsfigur seit langem zu tun. Ganz im Sinne einer richtigen Dokumentation greift Jason nämlich nicht ein, sondern beobachtet nur, auch wenn einer seiner Freunde direkt angegriffen wird. Es gibt da eine großartige Szene im Krankenhaus in der Debra eine zweite Kamera anschaltet und Jason filmt, der plötzlich – und das obwohl wir ihn noch nie zuvor gesehen haben – viel kleiner und verletzlicher wirkt als zuvor.
Okay, okay ich muss langsam zum Schluss kommen, man will ja schließlich keinen Roman sondern nur eine kleine Kritik lesen. Also, obwohl ich mich mit den traditionell schlurfenden Zombies nie wirklich anfreunden konnte, und eher ein Kind des neuen Jahrtausends bin (also die netten rennenden Exemplare) fand ich, dass (im Gegensatz zu Land of the Dead, den ich persönlich eher mau fand) Romero die Bedrohung (trotz fehlender Massenszenen) gut rüber brachte. Ebenso hatte ich keine Probleme damit dass er viele der Gore-Effekte am PC entstehen ließ, da sie alles in allem ganz gut gemacht waren. Bei ein paar Szenen scheint dann zwar doch das laue Budget durch, aber wer könnte ihm bitte vorwerfen dass er keinen anständigen Produzenten findet. Die Schauspieler machen ihre Sache recht gut – ein, zwei Ausfälle beiseite gelassen. Und die Idee ist wirklich gut. Ich hab mich jedenfalls nicht daran gestört, auch wenn er manchmal mit dem (sprichwörtlichen) Holzhammer gearbeitet hat. Ehrlich gesagt wundert mich mein Urteil selbst ein wenig, denn bisher fand ich wirklich keinen Romero gut, von N.o.t.l.d., über Creepshow bis hin zu Land of the Dead (was zur Hölle sollte dieser Trompeten-Zombie ?). Sollte ich jetzt also langsam mal zu einem Fazit kommen? Wenn ja, dann lautet es: Empfehlenswert.