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Was macht man als frischgekrönter Splatterkönig, wenn man sein treues Volk nicht mit dem x-tem Zombieaufguss oder Serienkillerfilm Nr. 7672 vergrätzen will? Genau, man besinnt sich auf das von italienischen Vielfilmern perfektionierte Genrehopping zurück, ohne jedoch die Gekrösekelle aus der Hand zu legen. Und so bezauberte Fulci seine blutgeile Ghulschar von Fans mit Ketchupfluten mal im dystopischen Running Man - Verschnitt "Schlacht der Centurions", mal in der Low Fantasy - Welt von "Conquest" und sogar im Tanzgiallo "Murder Rock" in verschiedenen Non Horror - Produktionen und zögerte den Verwesungsprozess seiner bereits nach 84 etwas im Gähren begriffenen Karriere hinaus.

Ein frühes dieser Genrehoppingexperimente, mit denen er seine Splatterhorrorphase der 80er zwischenzeitlich unterbrach, war "Das Syndikat des Grauens", mit dem Fulci im Genreterritorium Lenzis, Castellaris und DiLeos herumwilderte und einen der prächtigsten Platzhirsche seit langem schon, dieses im Übrigen mit den Genreveteranen Fabio Test, Marcel Bozzuffii und Romano Puppo in der Jagdgesellschaft.

Ersterer spielt im Übrigen unseren Protagonisten, den Schmuggler Luca Arjello, der mit seinem Bruder Michele und einer handvoll Mitarbeiter für billige da steuerfreie Zigaretten in Neapel sorgt und sich den Markt (scheinbar raucht ganz Rom 1980 Kette) mit einer Gruppe weiterer Banden teilt. Da die Waffen größtenteils schweigen verfolgt die Polizeit das Treiben der Kriminellen auch eher halbherzig, mitunter sogar mit einem gewissen Respekt (wohl selbst Kettenraucher).

Das muntere Lotterleben der lustigen Schmuggler von Neapel endet mit der Ankunft des "Mannes aus Marseilles", eines abgewichsten Sadisten und Geschäftsmannes, der nicht nur neueste Parfumkreationen aus Frankreich, sondern auch erstklassiges Heroin und ausgeklügelte Expansionspläne für sein Opiatfranchise (hier wohl eher: Frenchchise) mit nach Rom bringt und seine neuen Mitarbeiter unter den angestammten Regionalverbrechern sucht, die auf harte Drogen und die damit verbundene Drecksarbeit keinen Bock haben. Der Franzose mit dem eiskalten Blick greift daraufhin zu etwas direkteren Anwerbungsmethoden: Der Lieblingsgaul von Bruder Michele wird per Brandsatz im eigenen Stall gegart, während letzterer von einem Trupp Fakebullen bei einer vermeidlichen Verkehrskontrolle per MP - Beschuss in Schweizer Käse verwandelt wird. Als einige per Bestechung erkaufte Polizeirazzien und eine Handvoll Auftragsmorde auch nicht den gewünschten Motivationseffekt zeigen und der Franzackenfiesling Lucas Frau entführen lässt sich der Rest der überlebenden Banden nicht lumpen und ziehen mit Luca und der überraschenden Unterstützung eines freundlichen Seniormafiosis und Lucio Fulcis höchstselbst an der Maschinenpistole los, um dem camenbertfressenden Unsympathen die Marseillaisse auf der Bleitröte vorzublasen.

Man kann auch ohne Horror Splatter haben. Einer ähnlichen Devise nach war Herr Fulci auch dieses Mal sehr großzügig beim filmischen Aderlass und wagte sich erstmals ins Poliziotescogefilde. Leider zum einzigen Male, denn was der ehemalige Medizinstudent hier als Debut im Mafiabereich hinlegt ist ein extrem gutes, wenn auch kostengünstiges Knarrenballet mit fiesen Morden und eigenwilligem Humor, der die örtliche Zollfahndung Leute vom Klo oder beim Mittagessen kaschen (letzteren sogar seinen Teller mit gen Streifenwagen nehmen lässt) und schwule Mafiaschergen von lüsternen Blondinen vergewaltigen lässt, wobei beide dank einer Tretmine im Bett die Fetzen fliegen lassen. Kameratechnisch gut eingefangen wird der Film in der deutschen Fassung mit einem Potpourri aus dem Originalscore von Fabio Frizzi, eingekauften Discotracks und dem Score aus dem ebenfalls grandiosen "Tag der Cobra" von Enzo Castellari vertont, was dem Film meiner Ansicht nach stellenweise besser steht als der Soundtrack der englischen Fassung.

Für mich DER Fulci, nach dem ich mitunter am fieberhaftesten gesucht habe, nachdem ich ihn auf Umwegen das erste mal sah und den ich Jahre später sogar im Kino erleben durfte. Vorher noch recht kritisch eingestellt öffnete mich der Feldzug Fabio Frizzis für eine drogenfreie Heimat dem Werke Fulcis. Der selbe Fulci, dessen Downer "Über dem Jenseits" auf mich alles andere als einladend wirkte dreht hier mit erhöhtem Tempo und weniger Gravitas als in seinem Gates of Hell - Tryptichon, hält dem Neuzuschauer mit einigen obskuren Einfällen sogar die Tür auf, um sie ihm in einigen heftigen Szenen und dem Finale mit voller Wucht ins Gesicht zu schlagen. Es bleibt schade, dass Fulci sich nicht erneut im Genre versuchte, allerdings behält der Film so auch seine Alleinstellungsmerkmal in Fulcis Filmographie bei. Der darf sich hiermit als Außenseiter damit brüsten, einen der besten späten Eurocrimestreifen geschaffen zu haben. Er kam, sah und siegte. Im Gegensatz zu den Zuschauern: die kamen, sahen und trauten ihren Augen nicht.



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