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Immer wieder gibt es Indie-Filmer, die mit Low- oder No-Budget-Produktionen auf sich aufmerksam machen, doch im Actiongenre ist das schwer, da dort meist großer Aufwand und dicke Budgets gefragt sind. Neben Werken wie William Kaufmans „The Prodigy“ sind dies oft Martial-Arts-Filme von engagierten Kampfkünstlern, in Deutschland beispielsweise „Kampfansage 3 – Der letzte Schüler“, in Amerika unter anderem „Contour“.
Die Verantwortlichen haben ihre Firma The Stunt People getauft und gruppieren sich um Eric Jacobus, der bei „Contour“ als Regisseur, Drehbuchautor, Produzent, Stuntman und Hauptdarsteller im Einsatz war. Er spielt den freischaffenden Schläger Lawrence Young, der wiederum für den durchgeknallten Martial-Arts-Trainer Tuoc (Stephen Reedy) Aufträge erledigt. Natürlich schlägt der erste gezeigte Einsatz fehl, sonst hätte Lawrence ja ausgesorgt. Und Touc, der Selbstverteidigungsvideos verkauft, in denen er mit allem möglichem als Waffe kämpft, erscheint einerseits als (durchaus liebevolle) Parodie auf Jackie Chan, anderseits als (deutlich schärfere) Parodie auf boomende dümmliche Kampfsportkurse via Fernstudium.
Pleitegeier Lawrence lebt in seinem Van, den er gleichzeitig für seine Haupteinnahmequelle nutzt: Stadtrundfahrten. Seine neuesten Kunden: Alfonso de la Rosario (Ed Kahana), der 13-jährige Prinz aus einem fiktiven Reich in der Ferne, sein Bodyguard Lei Tak (Andy Leung) und Renee Wilder (Tyler Wang), Autorin für das christliche Reisemagazin „Where Would Jesus Travel“. Neben der eigentlichen Figurenvorstellung bringt ein im Anime-Stil gezeichneter Vorspann das Personal dem Zuschauer näher, der damit auch aufzeigt wo die Vorbilder von „Contour“ sitzen: Im fernöstlichen Kino, egal ob Hongkong-Action oder japanischer Anime.

Als jedoch ein mysteriöses Video von Alfonsos royalen Eltern gestohlen wird und diese eine Belohnung aussetzen, klingeln Lawrence‘ Ohren, führen die Spuren des Diebes doch genau nach San Francisco, wo er Touren fährt. Also werden er und seine Gäste in das kriminelle Komplott verwickelt, bei denen ihre Kampfkunstfähigkeiten von großem Nutzen sind…
Dass „Contour“ in gewisser Weise ein amateurhaftes Anfängerwerk ist, merkt man dem Film an mehreren Stellen durchaus an. Manchmal machen sich Unsauberheiten in Sachen Schnitt und Kamera bemerkbar, an anderer Stelle wirkt das Ganze wie ein unter Freunden ausgedachter Jux, gerade was den Plot angeht. Der mysteriöse Videobanddieb und Erpresser ist zufällig genau der neue Player im San Franciscoer Unterweltgeschäft, gegen den Lawrence bereits zu Anfang antrat, Renees Liebschaft ist in den Plot genauso verwickelt wie Tuoc, der nicht nur Kampfkunstvideos verkauft, sondern auch noch der Typ ist, der genau weiß was gerade in den kriminellen Gefilden der Stadt abläuft. Das kann man mit gutem Willen noch als Hommage an die auch oft behelfsmäßig geschusterten Grindhouse-Klopper und Direct-to-video-Actioner sehen, die klar Pate für „Contour“ standen, aber das ändert nichts am konfusen Plot, der gelegentliche Hänger hat.
So treten Jacobus und seine Jungs die volle Flucht nach vorn an und machen aus „Contour“ eine leicht trashige, oft parodistisch angelegte Actionkomödie mit sehr eigenwilligem Humor (wenn auch nicht so konsequent wie der köstliche „Operation Dance Sensation“ aus Deutschland). Da wird die angeblich bildschöne Königin von einem Mann mit Perücke gespielt, andere Darsteller haben bewusst offensichtlich falsche Bärte in der Visage kleben und Alfonso soll zwar 13 sein, wird aber von dem ganz klar erwachsenen Ed Kahana gespielt. Auch sonst greift der Film bewusst auf Standardcharaktere des Actionkinos zurück, die teilweise überzeichnet werden, sei es nun der abgewrackte Loner, der schweigsame Bodyguard oder der Meister mit den seltsamen Trainingsmethoden. Selbst das Kampfkunstkind kennt man aus Werken wie „Red Sonja“ oder „Revenge of the Ninja“.

Der daraus entstehende Humor ist albern, pubertär und trifft nicht immer ins Ziel, besitzt aber immerhin eine eigene, teilweise sehr durchgeknallte Note. So setzt etwa erst ein Zuckershock das Aggressionspotential und die Agilität von Alfonso frei. Den überwältigten Gangsterboss Marty (Vlad Rimburg) zwingen Oberschurke Ticker (Dennis Ruel) und sein Gehilfe (Ray Carbonel) zum Tragen von Frauenkleidern, in denen er nachher seinen Endkampf bestreitet. Das ist sicher Geschmackssache und wirkt wie verfilmte Alberei unter Schuljungen oder Verbindungsbrüdern, hat aber seinen infantilen Charme, wenn man sich auf tiefergelegten Humor einlassen kann, der natürlich immer sehr auf kampfkunstnahen Slapstick ausgelegt ist. So artet selbst die Siegesfeier zur Prügelei aus, an deren Ende die Darsteller-Stuntmänner und -frauen den gemeinsamen Treppensturz proben. Denn schauspielerisch wird hier nur in den besten Fällen Mittelmaß geboten, es geht halt vor allem um die Action.
Und genau da liefert „Contour“ dann auch die volle Packung. Mehrere, meist sehr lange Fightszenen gibt es, die das kleine Einmaleins des Martial-Arts-Kinos abzählen: Einer gegen einen, zwei gegen einen, einer gegen viele, Gruppenkeile, alles ist dabei. In einer famos choreographierten Sequenz betreiben die Kontrahenten Stickfighting mit Baseballschlägern, an anderer Stelle werden Gegenstände und die Umgebung mit in die Kämpfe eingebaut, von Regalen über Paletten bis hin zu Krawatten. Das hat noch nicht ganz die Kreativität von Jackie Chan, orientiert sich aber daran, ebenso an der Choreographie von anderen Hongkong-Kloppern. So wird hier wenig realistisch gekämpft, stattdessen wirbeln und springen die Gegner in einer Tour, liefern spektakuläre Kickkombinationen ab, stehen auch nach wiederholten Kopftreffern wieder auf, nachdem sie zuvor Unmengen von Attacken geblockt haben. Jede dieser Szenen ist atemberaubend choreographiert und im No-Budget-Rahmen des Ganzen relativ ansprechend inszeniert, wobei viele der Beteiligten neben ihrer eigenen Rolle auch noch maskierte Angreifer spielen – bei den Outtakes im Abspann sieht man wie oft Jacobus oder ein anderer Hauptdarsteller auch als Stuntfighter auftritt. Großes Highlight der eh durchweg starken Action ist der rund 25 Minuten lange Showdown in einer Lagerhalle, in dem mehrere Parteien ultralange Einzelfights hinlegen.

„Contour“ ist Werk voller Hingabe, das enthusiastische Filmemacher in mühevoller Kleinarbeit ohne ein Budget auf die Beine gestellt haben, ähnlich wie beispielsweise „Bad Taste“ von Peter Jackson oder „El Mariachi“ von Robert Rodriguez. Natürlich mussten Eric Jacobus und seine Leute in den Zeiten günstiger Digitalkameras und einfach verfügbarer Schnittprogramme weniger Widerstände überkommen, natürlich wirkt das Ganze oft wie ein verfilmter Jungsulk der Prä-Youtube-Ära. Doch die Action kann sich absolut sehen lassen, ist wahnsinnig gut choreographiert, auch wenn man mit inszenatorischen Schwächen, einem konfusen Plot und doch eher mäßigen Schauspielleistungen leben muss. Der Humor ist nicht sehr feinsinnig und sicherlich Geschmackssache, hat bei mir allerdings etwas besser funktioniert als beispielsweise jener von „Bad Taste“. Mit Respekt für die Produktionsumstände vergebe ich 6,5 Punkte für „Contour“.

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