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Gibt es den Teufel wirklich? Eine Sightseeing-Tour durch Toledo, ein Gemälde des Teufels und dazu ein mysteriöser Diener, der dem Teufel zum Verwechseln ähnlich sieht, verdichten sich für die Touristin Lisa Reiner (Elke Sommer) zunehmend zu einem Albtraum, der diese Frage immer wahrscheinlicher werden lässt. Spätestens als sie nach einer Autopanne unfreiwillig in die Fänge eines blinden Schlossherren und seines diabolischen Dieners Leandro (Telly Savalas) gerät, scheint kein Entkommen mehr möglich. Was für ein seltsames Spiel treibt die Schlossgesellschaft und hat Lisas verdrängte Vergangenheit damit zu tun?


Es dürfte wohl der Traum eines jeden Regisseurs sein, wenn er frei von jeglichen Zwängen einen Film realisieren darf. Dieser Wunsch wurde dem legendären Mario Bava 1972 vom Produzenten Alfredo Leone erfüllt, der dem Maestro jede künstlerische Freiheit gewährte, um den vorliegenden Beitrag zu verwirklichen. Zugegebenermaßen dürfte das Ergebnis längst nicht jeden Geschmack treffen, denn Bava hat hier wirklich alle Register gezogen und damit eine Geschichte kreiert, die sich doch in weiten Teilen von seinen anderen Werken abhebt. Das macht sich allein schon in der Erzählweise der ominösen Ereignisse sehr stark bemerkbar, denn rein inhaltlich lässt "Lisa und der Teufel" eigentlich keine stringente Handlung erkennen. Vielmehr präsentiert sich ein Szenario, das eindeutig darauf ausgelegt ist, die Fantasie des Zuschauers so richtig in Wallung zu bringen. Eine echte Struktur lässt sich dabei nur phasenweise erkennen, denn hauptsächlich besteht die Geschichte aus visuell fiebrigen Visionen und albtraumhaften Bildern, in denen die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion nur schwerlich zu erkennen sind.

Es ist jedoch genau dieser Aspekt, aus dem die Abläufe ihren immensen Reiz entwickeln, denn für den Betrachter ist es so gut wie unmöglich, sich der sogartigen Wirkung des mysteriösen Geschehens zu entziehen. Immer tiefer taucht man dabei in eine Art Strudel ein und begibt sich mit der Hauptfigur Lisa auf eine Reise, die mit einem herrlich makaberen Schlusspunkt perfekt abgerundet wird. In der Zwischenzeit muss man sich jedoch erst einmal mit diversen Figuren auseinander setzen, auf die man sich lange Zeit kaum einen Reim machen kann. Als exemplarisches Beispiel für diese These dürfte wohl in erster Linie der gute Telly Savalas dienen, der in der Rolle des undurchsichtigen Dieners Leonardo eine absolut glänzende Performance zum Besten gibt. Einerseits mit einer nicht näher zu beschreibenden Diabolik ausgestattet, sorgt er andererseits auch für diverse Momente, die man schon fast als komisch bezeichnen könnte. Der dabei subtil auftretende Humor regt allerdings keinesfalls zum lachen an, denn die angesprochenen Szenen überziehen einen vielmehr mit einer Gänsehaut, da Savalas eine wahrhaft teuflische Note an den Tag legt, die man kaum in Worte fassen kann. Aber auch die anderen Akteure können sich mit ihrem Schauspiel jederzeit sehen lassen, zudem sind die einzelnen Figuren ebenso mysteriös und geheimnisvoll gezeichnet, das man kurz vor dem Ende wirklich ahnt, worauf das Szenario letztendlich hinaus läuft.

Eine endgültige und lückenlose Aufklärung sollte man jedoch nicht erwarten, denn wie schon kurz erwähnt ist hier fast alles der Fantasie des Zuschauers überlassen. Und so wird dann auch jeder seine ganz eigene Interpretation der Abläufe parat haben, was den Film in meinen Augen noch zusätzlich aufwertet. "Lisa und der Teufel" ist daher auch alles andere als der oft übliche 08/15 Horrorfilm, sondern vielmehr ein recht außergewöhnlicher Genre-Vertreter. Da dieser meiner Meinung nach brillante Film sich jedoch in kommerzieller Hinsicht als ziemlicher Flop an den Kinokassen heraus stellte, brachte Produzent Alfredo Leone zwei Jahre später noch eine alternative Fassung raus. Dabei wurde Bavas Werk allerdings gnadenlos geschnitten und mit unzähligen neuen Szenen angereichert, so das von der ursprünglichen Fassung nicht mehr viel übrig blieb. So erschien dann 1974 "The House of Exorcism" und man kann sich aufgrund dieses Titels sicherlich ausmalen, in welche Richtung die geänderte Fassung tendieren sollte. Böse Zungen könnten behaupten, das es sich hierbei um eine eher schlechte Kopie von Friedkins Meisterwerk "Der Exorzist" handelt und ganz so daneben würde man mit dieser Meinung auch nicht wirklich liegen. Die gute Elke Sommer ist in dieser Variante dann auch dabei zu beobachten, wie sie grünen Schleim spuckt und etliche nicht druckreife Obszönitäten von sich gibt, was mit Bavas Erzählung dann eigentlich gar nichts mehr zu tun hat.

Nun kommt es an dieser Stelle aber selbstverständlich auf den persönlichen Geschmack an und ich finde es auf jeden Fall äußerst interessant, einmal beide Versionen des Werkes zu Gesicht zu bekommen und somit auch die eklatanten Unterschiede bewerten zu können. Ich würde jederzeit das Original des Maestros vorziehen, präsentiert sich dort doch ein visuell beeindruckender Bilderrausch aus Traum und Wirklichkeit, in dem die surrealen Momente ganz eindeutig die große Stärke darstellen. "Lisa und der Teufel" ist in meinen Augen ein berauschendes Meisterwerk, das mit grandiosen Kameraeinstellungen und einer immensen Farbenpracht aufwarten kann. Freunde der traditionellen Struktur einer Geschichte werden allerdings weniger auf ihre Kosten kommen und somit vielleicht sogar die Version von Leone vorziehen, die aber keinesfalls an die Klasse des Originals heran reichen kann.


Fazit:


Ganz egal welche Variante man bevorzugt, die Mario Bava Collectors Edition von Koch Media hat beide mit an Bord, wobei das 1974 erschienene Werk aber nur in der italienischen oder englischen Tonspur ausgestattet ist, so das man sich mir deutschen Untertiteln zufrieden geben muss. Das macht aber rein gar nichts, denn die Veröffentlichung ist mehr als gelungen und sollte somit in jeder gut sortierten Sammlung stehen.


10/10 für das Original

6/10 für die Leone Variante

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