Wo 'here!'-TV draufsteht ist gay cinema drin. So durfte schon im Vorfeld der Veröffentlichung die Beteiligung des nach eigener Aussage ersten amerikanischen gay & lesbian TV-Senders an Daniel Gildarks Regiedebut "Cthulhu" doch mit etwas Erstaunen zur Kenntnis genommen werden. So ist mit "Cthulhu" zwar ein lupenreiner Horrorfilm entstanden, dessen Plot jedoch wesentliche Elemente eines Schwulendramas enthält. Diese stellen jedoch keinen Selbstzweck dar, sondern sind handlungsdienlich in den Gesamtkontext integriert, was insbesondere der überzeugenden Darstellung des Protagonisten zugute kommt.
So mancher Aficionado, den Werken H. P. Lovecrafts entsprechend zugeneigt, hat mehr oder weniger geduldig auf Gildarks Filmadaption gewartet und tatsächlich kann "Cthulhu" als eine verdammt gelungene, wenn auch stark modernisierte Interpretation von Lovecrafts Mythos-Geschichten bezeichnet werden. Die maritimen locations im Film (heruntergekommene Küstenkäffer) sind quasi deckungsgleich mit den settings der Literaturvorlage, die Handlung wurde jedoch in die Gegenwart verlagert. Puristen sollten also gewarnt sein, dass der Protagonist von Gildarks Werk seine Informationsdefizite durch Videobotschaften beseitigt und nicht etwa mit Hilfe von gammeligen Tagebuchaufzeichnungen.
Über den Inhalt verliert man aufgrund der Spoilerwirkung besser nicht mehr Worte als zur Beschreibung eines typischen Lovecraft-Szenarios nötig sind: Russell, ein junger College-Professor, kehrt aufgrund einer Erbangelegenheit in seine Heimatstadt zurück und wird dort in eine unheimliche Verschwörung der Einwohner der Gemeinde verwickelt. Noch ahnt er nicht, welche Rolle seine eigene Familie dabei spielt.
Um das Fazit vorwegzunehmen: Daniel Gildark hat alles richtig gemacht. Um quasi sämtliche Klischees und Konventionen des modernen Horrorfilms macht er einen gewaltigen Bogen. In diesem Sinne ist "Cthulhu" nicht mehr oder weniger Horrordrama als Roegs "Don't Look Now", Lynchs "Mulholland Drive" oder Weirs "Picnic at Hanging Rock". In typisch lovecraftscher Manier überlässt Gildark den Horror der Vorstellungskraft des Zuschauers. Bestenfalls gewährt er kurze Blicke auf das "Andere", etwa wenn das Blitzlicht einer Kamera für Sekundenbruchteile die Hybridwesen im Untergrund enthüllt, zumeist jedoch begnügt er sich damit, eine befremdliche, misantrope Grundstimmung zu erzeugen und lässt so bis zum drastischen Ende die Spannungskurve steil ansteigen. Dieses steht in seiner Wirkung den großen Zombieklassikern á la Fulcis "Woodoo" in nichts nach, wurde aber deutlich subtiler inszeniert.
Die nicht linear erzählte, stark fragmentierte Handlung, die aufgrund von Rückblenden und Erinnerungsfetzen zwischen verschiedenen zeitlichen Erzählebenen hin und her springt erfordert gesteigerte Aufmerksamkeit, trägt aber sowohl zum Spannungsaufbau als auch zur grundsätzlichen rewatchability des Films bei. Die Ästhetik des Films ist stellenweise einfach überwältigend. Unglaublich schöne, bisweilen stark poetische Bilder und eine leider oft vermisste Originalität machen das Ansehen zu einem Genuss. Mal ist es ein Regenbogen, der wie zufällig im Bildhintergrund auftaucht, mal ist es der Anblick von Eisbären beim Tauchen. Die Bilder sind so schlicht wie genial und bleiben lange im Gedächtnis. Die Performance der Cast ist ausgezeichnet, nur in wenigen Szenen leidet die Glaubwürdigkeit daran, dass starke emotionale Regungen zu übertrieben dargestellt werden.
"Cthulhu" ist zugleich eine würdige Lovecraft-Adaption und ein klischeefreies Horrordrama, dessen Genre-Zugehörigkeit jedoch gerade ob dieser Eigenschaft oft erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. Gildarks Potential lässt auf Großes hoffen... wenn die Sterne richtig stehen... Iä!Iä! Cthulhu ftaghn! 8,5 / 10 Fischaugen