Review

Wer auf der Suche nach einer köstlich unrealistischen Anatomiestunde aus den 80ern ist, dem sei der "Re-Animator" ans Herz gelegt. Basierend auf einer Geschichte von H.P. Lovecraft erfahren wir von dem aufstrebenden Jungdoktoren Herbert West, der die "6-bis-12-Minuten-Theorie" seines Professoren energisch abstreitet. Dafür hat er auch allen Grund. Während der werte Professor nämlich behauptet, das menschliche Gehirn arbeite noch bis zu 12 Minuten nach dem Tod, hat West schon längst ein Serum erfunden, das noch viel später Lebewesen wieder zum Leben erwecken kann - erst Tiere, dann Menschen.

Auf diesem Grundgerüst basiert einer der besten Horrorvertreter seiner Art. "Re-Animator" ist zwar so gut wie nie logisch, dafür punktet er aber in den für sein Genre wirklich wichtigen Punkten: es gibt schrille Charaktere, skurrile Situationen und ordentlich Blutsuppe.

Nun bin ich nicht mit der klassischen Vorlage von Lovecraft vertraut, aber in diesem Fall ist das meines Erachtens keine notwendige Voraussetzung, zumal sich der Plot angeblich sehr weit jenseits der Vorlage bewegen soll. Viel wichtiger ist der Hauptcharakter Herbert West, der so brillant von Jeffrey Combs verkörpert wurde, dass der Film zwei Sequels nach sich ziehen sollte und die Figur des West unter Genrefans zum Kultcharakter wurde. Combs selbst trat seither vor allem in Variationen und Parodien seiner kauzigen Lebensrolle in Erscheinung ("House on Haunted Hill", "The Frighteners").

Frei gesprochen haben wir es hier mit dem Mad Scientist-Genre zu tun, denn alles dreht sich um den unheimlichen Herbert West, der kaum Interesse für soziale Kontakte hegt und nur an seiner Arbeit interessiert ist, welches vielmehr als sein Lebenswerk betrachtet werden sollte. Den jungen Medizinstudenten, bei dem er dann Unterkunft findet, betrachtet er daher auch vielmehr als Mittel zum Zweck denn als Freund: er braucht ihn für seinen Arbeitsplatz (den Keller) und um an die notwendigen Leichen zu kommen. Die Freundin des Medizinstudenten ist ihm deswegen auch ein Dorn im Auge, zumal ihr Vater mit dem ungeliebten Professor befreundet ist. Wirkliche Euphorie bringt West deshalb nur für Fortschritte in seiner Arbeit auf, nicht aber für andere Menschen. Eben der typische verrückte Wissenschaftler.

Nun ist es ja oft so, dass der Zuschauer in die Arbeit des Wissenschaftlers einbezogen wird, und wenn diese Arbeit dann von sozialen Instanzen (die Polizei) unterbrochen wird - und das passiert immer - dann will man diesen geradezu nachschreien: "Verdammt noch mal, lass den Kerl gefälligst in Ruhe arbeiten! Ihr versteht das nicht!"
In der Exposition werden wir vom Regisseur auf die andere Seite gestellt. Wir blicken der verzweifelten Hauskraft eines Schweizer Instituts und den Polizisten über den Rücken und teilen ihre Sorge, als sie vor verschlossener Tür stehen und von der anderen Seite Schreie vernehmen. Dann wird die Tür aufgebrochen. Wir sehen West, auf dem Boden kniend, vor einem Professoren, dem kurz darauf das Blut aus den Augen spritzt. West wird davon abgehalten, weiterzumachen, was wir ganz logisch finden. Wir würden anstelle der Polizisten genauso handeln.
Dann aber ruft West jene Worte, die wir unter anderen Umständen absolut verteidigt hätten: "Lasst mich los! Ihr versteht das nicht!"

Mit dieser dramatischen Einleitung hat uns Stuart Gordon schon gefangen genommen. Weiter geht`s mit der Titelsequenz. Eine kauzige, eigenwillige Orchestermusik ertönt, die den Wahnsinn Wests perfekt einfängt. Einerseits komisch, andererseits seltsam (komisch steht hier für "funny", seltsam für "weird") ertönt der Score aus den Boxen und nimmt uns - wie schon Gordon mit seiner Einleitung - gefangen. Unterlegt wird das Ganze von Skizzen und so etwas wie Röntgenbildern, die den Blick freilegen auf die menschliche Muskulatur und Ähnliches. Die Biologiestunde hat schon längst begonnen.

Im weiteren Verlauf gelingt es Gordon vor allem, scheinbar harmlose oder "normale" Situationen zu einem skurrilen Abstraktum ausarten zu lassen. Am Ende gibt es sprechende Köpfe, die von kopflosen Körpern herumgetragen werden, und eine ganze Zombiemeute... aber diese Horrorgestalten tauchen nicht einfach wie von Geisterhand auf, nein, sie werden im Verlauf der Story nachvollziehbar gemacht. Natürlich alles nur, sofern man die an sich abwegige Idee eines Serums akzeptiert, das Tote wieder auferstehen lässt.


Dann aber geschieht eine Katastrophe nach der anderen, jede auf der vorherigen aufbauend. Eine Person nach der anderen wird in diesen von West angetriebenen Teufelskreis gesogen. Zu Beginn gibt es noch Familiengespräche, Streitigkeiten an der Uni, Kuscheln mit der Hauskatze, Sex, Gespräche über Wohnungsvermietungen. Der Alltag hat uns noch eingenommen. Am Ende platzen Köpfe, wird Gehirnmatsch an den Fliesen verteilt, und der Wärter vor der Leichenhalle guckt dumm aus der Wäsche. Klar, er war ja auch nicht dabei, wie sich diese Ereignisse aus dem zuvor beschriebenen Alltag entwickelt haben.

Was Gordon also absolut positiv anzurechnen ist, das sind konstruktuelle Feinheiten im Storygerüst, bei dem alles aneinanderzupassen scheint. Unterstützt wird das durch effektive Schockmomente und einigermaßen gute Splattereinlagen, die gerade zum Ende hin ziemlich blutig werden. Obwohl einschränkend zu sagen ist, dass die wiedererweckten Toten teilweise doch sehr an "Dawn of the Dead" erinnern (blau gefärbte Haut und "Cornflakes-Wunden", die beinahe schon eher mit den Zombies aus "Zombies unter Kannibalen" vergleichbar sind).

Negativ anzumerken wäre auch, dass einige Dialoge zu weit geführt wurden und früher hätten geschnitten werden können, was oft bei den im Deutschen nicht mehr synchronisierten Stellen zu beobachten ist.

Ansonsten gehört der "Re-Animator" aber zu den Altehrwürdigen unter den Splatter/Horror-Vertretern. Zumal das Ende schön ironisch geworden ist. Sollte jedem Splatter-Fan nicht nur ein Begriff sein, sondern gar zur Standard-Lektüre gehören.
9/10

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