„Best Motion Picture 2007“ – und ich muss mich jetzt rechtfertigen, weil mir das hochgelobte Werk der Coen Brüder, im Gegenzug zu den üblichen Lobeshymnen, eben nicht sonderlich zugesagt hat.
Ganz einfach: Der Neo-Western weiß zwar mit einer stylsicheren Inszenierung und ausdrucksstarken Mimen zu punkten, doch den Figuren fehlt jeglicher Background, von emotional packenden Momenten mal ganz zu schweigen.
Vielleicht ist mir die mäandernde Erzählweise der Coens auch schlichtweg zu dröge.
Nicht die mangelnde Sounduntermalung lässt diese erzählerische Leere entstehen, es sind die endlosen Szenen, die in lang anhaltenden Momenten einfach nicht auf den Punkt kommen wollen.
Das seelenruhige Auftreten des Killers Chigurh (Javier Bardem) steht praktisch als Synonym für den kompletten Streifen: Lakonisch, manchmal überraschend blutig, doch nur selten hat er zwischen den Zeilen eine Botschaft zu vermitteln.
Denn dafür benötigt man Tommy Lee Jones als resignierten Cop Bell, der für die Handlung zwar kaum von Belang ist, in wenigen Augenblicken, so gegen Ende der rund zwei Stunden Laufzeit, aber tatsächlich so etwas wie eine Aussage bringt: Ich bin zu alt für diesen Scheiß, No Country for Old Men und dann ist der Film ganz plötzlich zu Ende.
Ansonsten bietet das Katz und Maus Spiel zwischen Moss (Josh Brolin), der einen prall gefüllten Geldkoffer aus einem geplatzten Drogengeschäft einsackt und dem Jäger und Psychokiller Chigurh ja fast schon solides Potential.
Die Kamera arbeitet souverän, bindet prächtige Landschaftsaufnahmen der Einöde im Süden Texas ein, konzentriert sich auf Perspektiven mit Spiegelflächen und Blutspuren und weiß schnörkellos, aber effektiv markante Momente festzuhalten.
Wie Josh Brolin da im Morgengrauen in einen Fluss steigt, weil ihm mexikanische Gangster nach dem Leben trachten, dann der Bluthund hinterher und schnell die Knarre nachladen, - gar nicht übel.
Oscarpreisträger Javier Bardem geht in der Paraderolle als unfehlbarer Killer mit der Alptraumfrisur noch einen Schritt weiter, denn seine zynischen Auftritte, zwischen lebensentscheidenden Münzwurf und Ansetzen des Druckluftgeschosses bilden die raren Höhepunkte des zähen Treibens.
Allein, wie er eine Schussverletzung am Bein behandelt oder nach einem Unfall mit viel Selbstbeherrschung die prekäre Situation meistert, - diese Coolness mit grimmigen Sarkasmus hätte dem kompletten Werk gewiss besser getan.
Stattdessen aber offenbart die Erzählung über weite Teile keinen Fortschritt. Brolin checkt im Motel ein, Bardem verfolgt ihn und befragt Empfangsleute, das Ganze mehrfach wiederholt, nur mit leicht veränderter Kulisse.
Die Cops inspizieren lediglich Tatorte, hinken aber grundsätzlich mindestens einen Schritt hinterher, es wird taktiert, an Finten gebastelt, endlich der Peilsender im Geldkoffer entdeckt und nur ansatzweise sorgen kurze direkte Konfrontationen der Kontrahenten für leichte Abwechslung.
Dabei vermag der überaus trockne Humor weitaus seltener zu punkten als die teilweise recht derben Gewaltszenen mit blutigem Shoot out im Hals und einem offenen Knochenbruch.
Brüche innerhalb der Erzählung finden sich im Verlauf hingegen mehrere, passagenweise überlässt man das Schicksal einzelner Figuren der Fantasie des Zuschauers, während einige Gegebenheiten erst gar nicht näher erläutert werden (Verbleib des Geldes, schießwütige Mexikaner im Motel, Tod einer Krebskranken, Leiche im Pool, Auftragskiller Carson Wells). Und wer ist Ellis, den Tommy Lee Jones gegen Ende besucht? Der dient auch nur als vage Rechtfertigung, um die Aussage des Titels einzubinden, weil anderweitig, neben der lapidaren Darbietung von Männern mit Prinzipien und stoischen Charakteren ohne Entwicklung nichts weiter bleibt.
Ein Kritiker der Washingtonpost schrieb hierzu treffend: Nobody goes to the movies for the irony. They go for the satisfaction.
Letztere hat sich bei mir nun so rein gar nicht einstellen wollen, vielleicht drückt die technisch versierte Demontage von Genrekonventionen über Gesetzesbrecher, die Gesetze formen, einfach nicht genug aus, denn im Wandel der Zeit dreht es sich leider viel zu sehr um ein verändertes Amerika als um die emotionale Leidenschaft des Einzelnen.
Selbst ein Javier Bardem mit Pressluftflasche kann jene distanzierte Herangehensweise nicht so leicht beiseite ballern.
4 von 10