Nachdem ihre letzten Filme als mehr oder minder amüsante Randnotizen wahrgenommen wurden, so gelang den Coen-Brüdern mit „No Country for Old Men“ wieder ein großer Coup: Es hagelte vielerorts das Prädikat Kultfilm und zusätzlich noch Oscars.
Nach einem zynischen Einführungskommentar aus dem Off zeigt „No Country for Old Men“ schnell, warum viele Figuren hier nicht alt werden: Profikiller Anton Chigurh (Javier Bardem) erledigt einen unvorsichtigen Deputy und einen Autofahrer, während Llewelyn Moss (Josh Brolin) bei einem Jagdausflug gleich jede Menge Leichen findet – die Überreste eines schief gelaufenen Drogendeals. Nachdem die letzten Coen-Filme harmloser waren eine deutliche Ansage, dass es hier wieder auf das Terrain des grotesken Gangsterfilms geht, ähnlich wie sie es schon bei „Miller’s Crossing“ oder „Fargo“ taten.
Moss findet jedoch nicht nur Tote, sondern auch das Drogengeld – schnieke 2 Millionen Dollar. Doch andere Parteien sind auch dahinter her, u.a. Chigurh, und jeder der Beteiligten ist bereit über Leichen zu gehen...
Thematisch erzählen die Coens hier sicher nichts Neues, der blutige wie bleihaltige Streit um illegales Geld ist ein gern genutzter Topos. Doch die Coens huldigen ihren Vorbildern dabei und spielen in Wort und Bild auf verschiedene Vorbilder an, denn Filme von Leuten wie Sam Peckinpah, Walter Hill oder Clint Eastwood standen Pate für diesen Genrehybriden, der Elemente von Western, Action, Thriller und Gangsterfilm mit dem Coenschen Sinn für das Skurrile mixt. So ist auch schnell klar, dass bei „No Country for Old Men“ weniger wichtig ist was erzählt wird, sondern eher wie es erzählt wird.
Das Hickhack um die Beute läuft nämlich im Grunde genommen sehr ruhig und wird nur unterbrochen von kurzen, hektischen Explosionen der Gewalt. Symptomatisch kann man dies sicher an Chigurh sehen, der selbst beim Töten mit beinahe gemächlicher Lässigkeit zu Werke geht und nur dann in Fahrt kommt, wenn die Situation es erfordert. Zwischen diesen kurzen Ausbrüchen beschäftigt sich „No Country for Old Men“ jedoch vor allem damit, wie die Profis Moss und Chigurh einander bekriegen: Moss versteckt das Geld stets sicher, ist immer auf der Hut und bringt als erstes die Ehefrau in Sicherheit, um möglichst unangreifbar zu sein. Ähnlich einfallsreich ist Chigurh und so läuft es auf das Duell dieser beiden hinaus, alle anderen Männer können da nicht mitkommen: Sheriff Ed Tom Bell (Tommy Lee Jones) ist trotz seiner Schläue vor allem zum Aufsammeln der Leichen da, Carson Wells (Woody Harrelson) entpuppt sich schnell als Sprücheklopfer und die meisten anderen kommen direkt unter die Räder.
Denn „No Country for Old Men“ zeigt so einige Männer, die nicht alt werden. Spektakuläre Action auf der Suche nach stets größeren Schauwerten darf man nicht erwarten, stattdessen stehen die Shoot-Outs eher im Geiste der 70er, jedoch sind die stets gelungen inszeniert und kommen reichlich wuchtig herüber, egal ob Moss von einem Jeep verfolgt wird, Chigurh ein Motelzimmer stürmt oder die beiden Kontrahenten gegeneinander antreten.
Begleitet wird das Geschehen immer wieder von skurrilen Momenten, z.B. wenn Ed seine Anekdoten und Ansichten zur Polizeiarbeit vom Stapel lässt oder Moss mitten in der Nacht spontane Entschlüsse fast wie einem Sterbenden Wasser zu bringen. Vor allem jedoch Chigurhs Aufeinandertreffen mit Normalbürgern muten immer sehr amüsant an, da der Killer in ganz anderen Bahnen denkt und handelt als andere Menschen, was immer wieder zu seltsamen Situationen führt.
Durch diesen Mix aus Zitaten, Blut und Humor macht „No Country for Old Men“ wirklich Laune, nur der Schluss schmälert den Genuss zusehends, da man kein Ende und doch gleich mehrere erhält. Die Streiterei um die Beute wird reichlich abrupt geklärt, das Finale aber quasi gar nicht gezeigt, sodass man sich um ein wirkliches Ende betrogen fühlt. Auf der anderen Seite schließt „No Country for Old Men“ daran noch diverse, zu lang gezogene Szenen an, die unbefriedigend, teilweise sogar sinnlos anmuten. Denn Ed noch zwei überlange Szenen zum Reden zu geben wirkt, als habe man ausgleichen wollen, dass er im eigentlichen Film keine wirklich große Rolle spielt.
So mutet es auch wie Hohn an, dass Tommy Lee Jones teilweise an erster Stelle genannt wird: Sein Spiel ist zweifellos überzeugend, seine Screentime allerdings deutlich begrenzt und seine Rolle auch minder wichtig. Daneben kann Javier Bardem als Killer wirklich Akzente setzen und herausragen, weshalb er auch zu Recht mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Das eigentliche Highlight des Films ist jedoch Josh Brolin, der in seiner Darbietung sowohl die Bauernschläue als auch die beinahe schon einfältige Sturheit seiner Figur wunderbar rüberbringt. Da hat der Rest nicht viel zu vermelden, selbst Woody Harrelson kommt fast wie ein Stichwortgeber daher.
Das Ende mag ein wenig enttäuschen und die Geschichte alles andere als neu sein – packendes Kino ist „No Country for Old Men“ trotzdem. Durchweg spannend erzählt, phantastisch bebildert und dennoch mit ordentlich Witz und Blut. Eine sehenswerte Reise ins US-mexikanische Grenzgebiet.