„Sisters“ (2006) ist ein Remake des gleichnamigen Brian De Palma Psycho-Thrillers aus dem Jahre 1973, der in Deutschland unter dem Titel „Schwestern des Bösen“ erschien und mir persönlich nach dem Sichten nicht unbedingt nachhaltig im Gedächtnis blieb – von einigen speziellen Ausnahmen, wie dem Ausgang der Geschichte, der darstellerischen Leistung Margot Kidders oder einer verwendeten „Split Screen“-Komposition, mal abgesehen. Erneut produziert von Edward Pressman, nahm dieses Mal der für seine „Family Portraits“-Shorts (2004) bekannte Indie-Filmemacher Douglas Buck auf dem Regiestuhl Platz und realisierte seine Version der Thematik im Rahmen eines nicht unerheblichen zeitlichen wie finanziellen Drucks in kanadischen Landen. Erfreulicherweise orientierte er sich bei seiner Annäherung an die Materie nicht an dem modernen Stil der heutzutage gängigen Neu-Interpretationen cineastischer Werke vergangener Tage, sondern verlieh nahezu allen Facetten der Angelegenheit einen sich wohlig von eben diesen Veröffentlichungen abgrenzenden „Retro-Touch“. Letzterer vermag vorliegend zu überzeugen, vermindert simultan allerdings den Grad an Mainstream-Appeal spürbar, was gewiss mit ein Grund dafür war, dass die Verantwortlichen schon von sich aus in den meisten Ländern auf eine Kino-Auswertung verzichteten…
Dr. Philip Lacan (Stephen Rea) ist ein angesehener, wegen seiner ungewöhnlichen Behandlungsmethoden aber nicht unumstrittener Arzt, der eine Kinderklinik ein Stück weit außerhalb von Vancouver leitet. Aktuell ist er gerade dabei, gemeinsam mit seiner Assistentin Angelique (Lou Dollion), ihres Zeichens zugleich seine Ex-Frau und ehemalige Betreute, auf dem Gelände ein kleines Fest für seine jungen Patienten zu veranstalten, als plötzlich die investigative Reporterin Grace (Chloë Sevigny) von seinen Angestellten unter den Anwesenden ausgemacht und anschließend dem Privatbesitz verwiesen wird – jene ist nämlich fest dazu entschlossen, stichhaltiges belastendes Material gegen den Doktor aufzutun, seit dieser vor einiger Zeit in einem Prozess um die Tode zweier Kinder, bei denen eventuell experimentelle Medikationen mit im Spiel waren, aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde. Der ebenfalls präsente Arzt Dylan Wallace (Dallas Roberts) bekommt diesen Vorfall zwar mit, doch seine maßgebliche Aufmerksamkeit gehört an dem Nachmittag eher der auf ihn verführerisch-geheimnisvoll wirkenden Angelique, welche er wenig später aus einer ungemütlichen Gesprächssituation „errettet“ sowie infolge dessen gar heim in ihre Stadtwohnung begleiten darf…
Da es sich um Angelique´s Geburtstag handelt, wie sie ihm am Abend zuvor berichtete, steht Dylan am nächsten Morgen (nach einer stürmisch verlebten Nacht) bewusst früh auf, um ihr noch vorm Erwachen auf die Schnelle einen Kuchen zu besorgen. Derweil bricht die unnachgiebige Grace in das auf der anderen Straßenseite gelegene Appartement von Lacan ein, um dort nach Anhaltspunkten und Beweisen zu suchen. Während sie sich in diesem aufhält und im Zuge dessen einige Fotos, Aufzeichnungen sowie einen Kühlschrank voller Spritzen und Medikamente in Augenschein nimmt, bekommt sie per hinterlassender Nachricht auf dem Anrufbeantworter mit, dass Angelique momentan wohl eine schwere psychologische Episode durchlebt und dringend entsprechende Hilfe benötigt. Kurz darauf entdeckt sie per Zufall, dass der Doc die Wohnung seiner Ex anscheinend mit Videokameras versehen hat und so von seinem Laptop aus konstant überwacht – auf diese Weise wird sie unmittelbar anknüpfend (am Monitor) Zeuge, wie eine weibliche Gestalt den inzwischen zurückgekehrten Dylan bestialisch niedersticht…
Den verständigten Cops kann sie natürlich nicht die illegalen Umstände offenbaren, wie sie an die betreffende Information gelangt ist – und so dauert es eine Weile, bis sie die zwei eingetroffenen Beamten dazu bewegen kann, sich den „angeblichen“ Tatort überhaupt mal anzusehen, bloß ist dieser bis dato bereits gereinigt sowie die Leiche relativ gut versteckt worden, da sich Lacan nach seiner Kenntnisnahme direkt daran begeben hatte. Angesichts des „falschen Alarms“ bei der Polizei nun nicht mehr sonderlich hoch im Kurs, liegt es fortan an Grace und ihrem sie unterstützenden Kollegen Larry (JR Bourne), der Sache nachzugehen und die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen. Die nun vor allem auf Angelique´s Vergangenheit fokussierten Ermittlungen fördern rasch einige in ihrer Natur sehr düster geartete Details zutage: Sie findet heraus, dass Angelique und ihre Schwester Annabelle als siamesische Zwillinge auf die Welt gekommen sind sowie von Geburt an von Lacan betreut wurden. Körperlich im Bereich der Hüfte vereint, prägten sich ihre Persönlichkeiten im Laufe der Jahre in unterschiedliche Richtungen aus (glücklich und gutmütig vs. freudlos und aggressiv), bevor stärker werdende gesundheitliche Probleme eine sie voneinander trennende Operation erforderlich machten, welche man dann auch durchführte. Fortan findet sich Grace in akuter Lebensgefahr schwebend wieder, denn Lacan kann und will nicht zulassen, dass seine bislang erfolgreich verschleierten Geheimnisse nun an die Öffentlichkeit gelangen…
Douglas Buck´s „Sisters“ entpuppt sich als kein typisches Remake der heutigen Zeit, ist also keineswegs ein inhaltlich vereinfachtes, für eine ins Auge gefasste Zielgruppe im jugendlichen Alter hip und flashy in Szene gesetztes „PG-13-Hochglanz-MTV-Style-Schnittgewitter“ – vielmehr erinnert einen das komplette Werk von seiner konzeptionellen wie inszenatorischen Ausrichtung her an klassische Horror-Thriller aus den 70er Jahren (zur Schau gestellte nackte Haut und blutig aufgezeigte Tötungen inklusive). Von seinem Look und atmosphärischen Grundgefühl her kommt einem unweigerlich David Cronenberg´s filmisches Oeuvre in den Sinn – ein Eindruck, welcher sowohl einzelne Elemente der Story als auch die gewählte Bildersprache umfasst. Beginnend bei der visuell ansprechenden Eröffnung, ein fließender Übergang von einem Bachlauf hin zu Aufnahmen direkt aus dem Mutterleib, und endend bei dem alles umhüllenden, in kalte Farbtöne getauchten kanadischen Setting, gelang es Cinematographer John Campbell („My own private Idaho“) auf dieser Ebene den Geist diverser Cronenberg-Projekte heraufzubeschwören, was im Kontext gut passt und ich somit ganz klar als Bereicherung erachte. Es wäre schön gewesen, wenn das eigentliche Vorhaben geklappt hätte, David selbst für einen Kurzauftritt (als der die Zwillinge trennende Arzt) zu gewinnen – bloß musste jener leider aufgrund des erschöpfenden Umfangs seiner „A History of Violence“-Promotion-Verpflichtungen absagen. Die Handlung entfaltet sich in einem ruhigen Erzähltempo eingebettet, frei von visuellen Spielereien – nicht einmal „Split-Screen“ wird eingesetzt, ausgenommen im Rahmen einer kleinen Hommage, als auf Lacan´s Computermonitor zugleich die Live-Feeds von vier Kameras zu sehen sind. Ingesamt verlieh man dem Geschehen (unter anderem durch das Produktionsdesign) einen tendenziell „altmodischen“, ja beinahe unvergänglichen Charakter – in Anbetracht der Frisuren, Kleidungsstücke und Fahrzeuge (oder dass so ziemlich jeder an geradezu jedem Ort raucht) könnte der Streifen glatt zu Zeiten des Originals angesiedelt sein, wenn nicht Dinge wie Handys oder Laptops (etc) vorhanden wären.
Besonders froh bin ich darüber, dass die (meines Erachtens nach) mimisch zu eingeschränkte Asia Argento („Land of the Dead“) letzten Endes nicht (wie ursprünglich vorgesehen) die Rollen der beiden Schwestern bekleidet(e), sondern man stattdessen das französische Model Lou Doillon („Saint Ange“/„Go Go Tales“), Tochter von Jane Birkin und Jacques Doillon, castete, die kurz vor Drehbeginn ihrerseits Anna Mouglalis („Novo“) ersetzte. Als Angelique bzw Annabelle besitzt Lou eine ansprechende, ihre eigenwillige Schönheit mit einer geheimnisvollen wie erotischen Ausstrahlung verbindende Leinwandpräsenz, die dem Part absolut gerecht wird – des Weiteren vermittelt sie die nötige Labilität, Verletzlich- und/oder Bedrohlichkeit überzeugend. Stephen Rea („the Crying Game“/„V for Vendetta“) agiert routiniert auf Autopilot, wird allerdings auch nie in irgendeiner Form gefordert, Dallas Roberts („3:10 to Yuma“/„Walk the Line“) erhält im Prinzip gar nicht erst eine (echte) Chance, überhaupt eine bleibende Impression zu erzeugen, ferner tauchen JR Bourne („Ginger Snaps 3“/„the Butterfly Effect 2“), Gabrielle Rose („Beneath”/„Lost Boys 2”) und William B.Davis (TV´s „the X-Files”/„the Messengers“) jeweils in untergeordneten Nebenrollen auf. Die gewohnt herb anmutende Chloë Sevigny („American Psycho“/„Zodiac“) ist als Grace Collier zu sehen (übrigens der einzige dem Original gegenüber unveränderte Name) – eine zielstrebige Reporterin, die selbst einige unverarbeitete innere Konflikte in sich trägt, wie der Zuschauer aber erst in der zweiten Hälfte des Verlaufs (u.a.) im Zuge eines clever platzierten Flashbacks erfährt. Welche Motive und psychologischen Aspekte da zum Tragen kommen, will ich an dieser Stelle keinesfalls verraten – nur dass sie einiges erklären und den Ausgang der Geschichte zudem nicht zu extrem abwegig erscheinen lassen. Gemäß dieser Gegebenheit tritt Chloë über weite Strecken eher zurückhaltend auf, was eine gewisse, allerdings im Kontext kaum zu vermeidende Distanz zum im Prinzip bis nach dem ersten Drittel ohne einen betonten Sympathieträger auskommen müssenden Publikum hervorruft – und dieser Faktor ist es schließlich, der dem Finale ein gutes Stück seiner potentiellen Wirkung raubt, da einem die Protagonisten schlichtweg nicht nahe genug gehen.
Das Skript aus der Feder von Buck und seinem ehemaligen Professor John Freitas weist, im Grunde mit dem Gesamteindruck im Einklang, unterschiedliche Stärken wie Schwächen auf: Während der Ablauf straff ist, mir einige Zusätze sehr gefielen, wie die Einbindung der französischen Sprache oder spezielle Anspielungen (z.B. an den Psychoanalytiker Jacques Lacan oder den Couchbettkasten der 73er Version), die Dialoge vollwertig annehmbar sind und etliche psychologische Komponenten anregend ausgearbeitet wurden, finden sich auf der anderen Seite der Medaille bedauerlicherweise einige nicht unerhebliche Mängel, zu denen ich so manch ein Logikproblem (das Versteck der Leiche, die rasche gründliche Reinigung des Tatorts), den unsauber durchdachten Cop-Subplot sowie verschenktes Potential hinsichtlich der in vielerlei Belangen faszinierenden „Siamesische Zwillige“-Thematik zähle. Obendrein verhindert ein recht hohes Maß an Vorhersehbarkeit das Aufkommen wahrer Spannung, denn die meisten der Wendungen und Offenbarungen sind dem aufmerksamen Betrachter im Laufe seines Lebens garantiert schon mehrfach begegnet. An dem relativ bizarren, erneut in Cronenberg-Gefilde abdriftenden Schlusstwist, seines Zeichens (fast) gänzlich anderes als der Ausklang des Originals, werden sich mit Sicherheit die Geister scheiden – allerdings ist er, basierend auf verschiedenen zum Vorschein getretenen Hintergründen und Traumata der involvierten Personen, gar nicht mal so abwegig wie im ersten Moment vielleicht empfunden. Statt im Zuge seiner Neuinterpretation De Palma´s Handschrift nur zu übernehmen, orientierte sich Buck ebenso (nach eigenem Bekunden) an Vorbildern wie Bergmann oder Polanski und variierte vorhandene Inhalte á la Voyeurismus, Überwachungstechniken sowie Hitchcock-Anspielungen (wie Dylan´s früher Abgang im Stile Janet Leighs in „Psycho“ oder Grace´s an „Rear Window“ angelehntes Beobachten des Mordes) entsprechend dieser Intention – die umgebende Struktur ist nahezu identisch geblieben, der Präsentationsfokus hingegen hat sich (leicht) verschoben.
Dank eines permanent ungemütlichen Gefühls, das von dem mysteriösen Verhalten Angeliques, den düster-kühlen Locations und bedrohlich-undeutlichen Aufnahmen aus Lacan´s Kameras zusätzlich forciert wird, erweist sich der erste Akt als überaus kompetent. Nachdem der effektiv umgesetzte Mord diesen quasi abschließt, liegt der Gewichtungsschwerpunkt des eher konventionellen Mittelteils bei den Ermittlungen von Grace und Larry, bevor die letzten rund 20 Minuten in einer (simultan) surrealen, wirren und verstörenden Kombination aus Erinnerungen, Phantasie-Auswüchsen und einem durch Drogen ausgelösten Rausch münden. Der hochwertige Score und die allgemein sehr dienlich arrangierte sonstige Soundkulisse unterstützen die gewünschte Atmosphäre vorteilhaft (besonders in Schlüsselsequenzen), die unaufdringlich-zurückhaltende Inszenierung vermag ebenso keinen Grund zur Klage hervorzurufen. Der Film ist einigermaßen unterhaltsam, nie langweilig – nur gelingt es ihm zugleich auch nicht, anhaltende substantielle Spannung zu erzeugen, die einen gebannt bei der Sache hält. Am Ende hinterlässt „Sisters“ (2006) zwar leider einen etwas unausgewogenen Eindruck – dennoch bleibt (in diesem Fall) unterm Strich ein durchaus solides, nicht uninteressantes, ruhiges sowie wenig massenkompatibles Remake einer 33 Jahre alten, vielen ohnehin gewiss nicht (mehr) geläufigen Produktion … knappe „6 von 10“