Unter seinen Fans dürfte David Lynchs opulentes Weltraum-Märchen „Der Wüstenplanet" nach der gleichnamigen Romanvorlage wohl das umstrittenste Werk des für seine bizarren Surrealismus-Bilder berühmten Regisseurs sein. Und das durchaus zu recht: Mit seinen anachronistischen Settings und einer verschwenderischen Ausstattung, der komplexen, etwas wirren Handlung und beeindruckenden Bildern gehört „Der Wüstenplanet" ganz sicher zu den seltsamsten Highlights des 80er-Jahre-Kinos.
Schauwerte gibt es hier definitiv genug: In gigantischen Kulissen, die eine schwer greifbare Atmosphäre irgendwo zwischen Zukunftsvision und Mittelalter erzeugen, agieren die Figuren (deren Kostüme in manchen Szenen ebenfalls eher an die Ausstattungsorgien klassischer Historienfilme erinnern) mit ihren verwickelten Plänen, Dünkeln und Hinterhalten. Vor allem für Leute, die die Vorlage nicht kennen, ist das anfangs nicht ganz so leicht zu durchschauen - zu viele Namen von Herrschern und Herrscherhäusern, Planeten und Alienwesen werden durcheinander gewürfelt. Schnell steht nur fest, dass Kyle MacLachlan als Paul Atreides die zentrale Heldenfigur ist, die sich allerhand Widerständen und Gefahren stellen muss. Die heilsgeschichtlich anmutende Story - er soll getötet werden, weil er einst ein Widerstandskämpfer wird, der den Planeten von den galaktischen Tyrannen befreit - passt zu dem mitunter etwas wirren Mix aus Science-Märchen à la „Star Wars" mit Technologie-Ideen, die weit jenseits physikalischer Glaubwürdigkeit agieren, und esoterischer Mystik mit hellsehenden heiligen Frauen, Gedankenkontrolle und magischen Fähigkeiten.
Das alles ist durchaus so wirr, wie es sich anhört, was an der begrenzten Laufzeit des Films liegt - selbst mit über zwei Stunden Länge hat er einfach allzu viel Inhalt abzuhandeln, als dass er diese Aufgabe elegant lösen könnte. So stören einige plötzliche Zeitsprünge und einige viel zu hastige Handlungsabläufe (etwa Pauls Eingliederung in einen ihm fremden Stamm) die Dramaturgie erheblich. Was aber am allermeisten irritiert, sind die permanenten inneren Monologe der Figuren, die aus dem Off eingesprochen werden und zu denen die Darsteller stets betont nachdenkliche Gesichtsausdrücke aufsetzen und ins Leere starren müssen. Ein Stilmittel, das zwar durchaus den einen oder anderen geheimen Gedanken offenbart, aber oft auch einfach redundant wirkt und wohl aus gutem Grund nur äußerst selten so angewendet wird.
Überzeugen kann Lynch jedoch dort, wo er offensichtlich seine ganz eigenen Ideen einbringen konnte. So lässt das Creature Design wahrlich nichts zu wünschen übrig - ob riesige Alien-Monster in Wassertanks (die ein wenig an das Monstrum aus „Eraserhead" erinnern) oder die gigantischen Sandwürmer, die Kreaturen in „Der Wüstenplanet" sorgen wiederholt für unvergessliche Bilder. Neben den herrlich trashigen 80er-Jahre-Spezialeffekten - vor allem bei den „Schutzanzügen" - dürfte aber auch ein anderes Detail für gewisse Heiterkeit sorgen: die offensichtliche homoerotische Fetischisierung einiger Kostüme. So tragen vor allem die Kämpfer der bösen Herrscherseite gerne hautenges Leder und Latex, während der Tyrann selbst sich wiederholt an den stählernen Körpern seiner Krieger oder unschuldigen Jünglingen vergeht. Und nicht zuletzt Sting als wortkarger, aber schrill frisierter Kämpfer für das Böse liefert hier ein echtes Highlight hemmungsloser 80er-Fetisch-Action.
Dieser teils wahnwitzige Mix aus wirren Storyelementen, schriller Ausstattung und immer wieder atemberaubenden Bildern, die auch vor ganz großer Epik nicht zurückschrecken, dürfte es sein, der diesem besonders ungewöhnlichen Beitrag im Oeuvre Lynchs seinen speziellen Ruf eingebracht hat. Wirklich gut ist das alles nicht, dafür hakt es an zu vielen Ecken und Enden, passt vieles nicht zusammen oder wirkt klischeehaft bis gar kitschig. Aber die pure Lust an der Übertreibung und einige wirklich schrille Ideen, die mitunter selbst die „Mad Max"-Filme alt aussehen lassen, dürften einen interessierten Blick durchaus wert sein.