Review

Aufmerksamkeit verdient dieser erst in der späten Phase des Italowesterns entstandene Genrebeitrag eigentlich nur aus zweierlei Gründen. Workaholic, Tausendsassa und Skandalfilmer Joe D’Amato („Sado - Stoß das Tor zur Hölle auf“, „Antropophagus“) drehte in dieser noch jungen Phase seiner später Wellen schlagenden Karriere zum ersten Mal unter seinem richtigen Namen und bekommt zudem als Vorlage ein frostiges Winterszenario geliefert, wie es für den Italowestern eher unüblich war. „Leichen pflastern seinen Weg“ fällt mir da noch spontan ein.

So richtig zu diesem Subgenre dazuzählen kann man „Die Rotröcke“ eigentlich auch gar nicht mehr, denn der Film wird im verschneiten Kanada angesiedelt, wo Sergeant Bill Cormack (Fabio Testi, „One Damned Day at Dawn... Django Meets Sartana!”, „Verdammt zu leben - verdammt zu sterben!“) als Mountie seinen Dienst verrichtet und erfahren muss, dass sein Erzfeind Cariboo (Guido Mannari) aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, um ihn zu töten. Beide verbindet eine gemeinsame Kindheit, doch während Bill zum Hüter des Gesetzes wurde, avancierte Cariboo zu einem erstklassigen Falschspieler. Als sich beide Jahre später wieder treffen und sich Cariboo zu einem trinkenden, verschuldeten Widerling entwickelt hat, nimmt sich Gentleman Cormack nicht nur seiner eingeschüchterten, hübschen Frau Elizabeth (Lynne Frederick), die für Cariboo ihre Gesangskarriere aufgab, an, sondern befördert ihn dann auch wegen mehrfachen Mordes in den Knast. Cariboos Ziel ist es nun mit Cormacks entführten Sohn nach Norden ins verschneite Gebirge zu fliehen und seinen ehemaligen Freund dort in eine Falle zu locken...

Die Pluspunkte sammelt der Film trotz einer finalen Überraschung weniger durch die Rivalität der beiden Männer, denn Joe D’Amato hat sichtlich Mühe diesen ausgetretenen Pfaden zweier zu Todfeinden gewordenen Männer neue Seiten abzugewinnen. Der eifrige Filmemacher inszeniert zwar sorgfältig und weiß mit seinen ungewöhnlichen Schauplätzen zu punkten, weswegen er auch immer wieder gern in der weißen Unendlichkeit schwelgt, verzettelt sich allerdings bei dem viel zu lange dauernden Rückblick, der die Vergangenheit der beiden Männer näher läutert.

Beide sind zudem noch weitestgehend Stereotypen. Der eine ein verbitterter Mann, der den Tod seiner Frau nie richtig verkraftete, wohl auch deswegen seinen Sohn nur selten besucht und sich wie besessen in seine Arbeit stürzt, wobei ihm mehr als nur einmal Disziplinlosigkeit vorgeworfen wird. Der andere ist eben ein hasserfülltes, hinterhältiges, goldgieriges Objekt, das für seine Ziel skrupellos über Leichen geht. Sein späterer Wandel wirkt deswegen auch nicht ganz glaubwürdig.

Die eisige Atmosphäre stemmt sich der Einfallslosigkeit des Drehbuchs entgegen und konfrontiert den Zuschauer immer wieder mit etlichen Schauwerten, die das träge Plotkonstrukt auch bitter nötig hat. Die dritte Partei, von Cariboo um zwei Goldsäcke betrogene Banditen, ist alsbald sehr willkommen, weil sie das Szenario etwas aufmischt. Denn weder dringen bei Cormack richtig Sorge, Angst und Entschlossenheit durch, noch bei seinem Gegenüber Hass und Niedertracht. Fabio Testi und Guido Mannari spielen ihre Parts sicherlich solide herunter, nur bis in die Haarspitzen versetzen sie sich mit vollem Einsatz in ihre Filmegos sicherlich nicht. Speziell die Beziehung zwischen Cormacks Sohn Jimmi und Cariboo hätte mehr Emotionen vertragen können. Schließlich sind sie sich erst gar nicht grün, später voneinander abhängig und der Entführer entdeckt verschüttete und nun wieder freigelegte Seiten an sich.

Die in der zweiten Hälfte zunehmende Verschleppung des Tempos stellt den Zuschauer trotz der absolut sorgfältigen Inszenierung die Geduld des Zuschauers auf die Probe. Überflüssige Drehbucheinfälle, wie die erneute Integration von Shee-Noa (Wendy D'Olive) und Cormacks Hund, so wie der für ein paar humorige Einschübe verantwortliche, saufende Arzt Doctor Higgins (der spätere „Hart to Hart“ – Chauffeur Lionel Stander) zögern das unvermeidliche Zusammentreffen der beiden Kontrahenten genauso hinaus wie Jimmis Erkrankung, seine zwischenzeitliche Genesung bei Indianern und die Gefangennahme und der daran anschließende Ausbruch von Wolfe, dem Anführer der Banditen, hinaus.
Die Zeit nutzt der Film zwar, um seine Figuren ein wenig weiterzuentwickeln, scheitert jedoch selbst dabei, weil vor allem Cariboo nur minimalistische Fortschritte macht. Regelmäßige Scharmützel mit den Banditen bieten da willkommene Abwechslung.

Der dramatische Showdown im Schnee hält dann noch eine faustdicke Überraschung in der Hinterhand und lässt, als dann alle drei Parteien sich zum Finale treffen, alle Figuren so reagieren, wie man es von ihnen eigentlich auch schon längst erwartet hat, müht sich anschließend allerdings noch durch eine pathetische Sterbeszene, die so ausführlich gar nicht nötig gewesen wäre.

Kompletthalber ansehen kann man sich „Die Rotröcke“ also schon, auch um mal zu sehen, dass Joe D’Amato abseits seiner provozierenden Filme „normale“ Filme bewerkstelligen konnte. Allerdings offenbart das Drehbuch nicht nur logische Schwächen (Wie heuert Cariboo so plötzlich bei den Banditen an und gewinnt ihr Vertrauen? Nur durch den Tipp?), sondern bleibt auch kreuzbrav auf konventionellen Pfaden. Hier fehlt einfach der Pep, was sich auch auf die austauschbaren, wenig erinnernswerten Figuren bezieht.


Fazit:
Solider, allerdings nicht mit Leidenschaft glänzender, rein vom Umfeld her ungewöhnlicher Film, der nur inhaltlich noch auf den Normen des Italowesterns fußt. Joe D’Amato inszeniert ganz ansprechend, hat aber mit einem ideenlosen Drehbuch und zwei Hauptdarstellern, die auch nicht mit Leib und Seele bei der Sache sind, zu kämpfen, weswegen es hier dank der eisigen Landschaften und den selten betrachteten Mounties noch der Durchschnitt heraus springt. Ein paar schicke Szenen, Kämpfe und Überraschungen gibt es zumindest in einem gewissen Maß.

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