Es ist der Name des Aussenseiters, der Terry (Colin Farrell) zu einem überraschenden Gewinn beim Pferderennen verhilft, mit dem die beiden Londoner Brüder Ian (Ewan McGregor) und Terry ihr neu erworbenes Segelschiff benennen - "Cassandra`s Dream". Und obwohl die Geschichte noch verlässlich beginnt, wirkt der Kauf des Bootes schon ein wenig vermessen.
Terry arbeitet in einer Autowerkstatt und Ian im elterlichen Restaurant, weshalb sie nur über geringe Geldmittel verfügen, aber sie träumen von einer besseren Zukunft. Der etwas einfach gestrickte Terry wünscht sich ein gemeinsamen Häuschen mit seiner Freundin Kate (Sally Hawkins), während der intelligente Ian nur noch ungern bei seinem Vater arbeitet und ein Leben als erfolgreicher Geschäftsmann anstrebt. Als sie zu Beginn friedlich mit ihrem Boot und Freundinnen in See stechen, haben diese Träume noch etwas naiv harmloses an sich, aber der Name der ungehörten Warnerin "Cassandra" kann nichts Gutes bedeuten.
Woody Allen entwickelt seinen Film mit kühler Konsequenz und hält lange Zeit die Waage zwischen Drama und abwechslungsreicher Aufsteigergeschichte. Als Ian und seine Freundin Lucy (Ashley Madekwe) mit schickem Jaguar, den er sich aus des Bruders Werkstatt geliehen hat, von einem Ausflug nach London zurückfahren, begegnet er der attraktiven Angela (Hayley Atwell), die eine Autopanne hat. Sofort von der jungen Schauspielerin fasziniert, bemüht er sich intensiv um sie.
An diesen Sequenzen ist Allens Stil gut zu beobachten, der seinen lakonischen, teilweise die Handlung sprunghaft vorwärts treibenden Erzählfluss diesmal in den Dienst eines Dramas stellt. Die Art wie Ian seine hübsche Freundin zugunsten der faszinierenden Angela fallen lässt, wird mit einer Selbstverständlichkeit beschrieben, die Allen nicht einmal davor zurückschrecken lässt, Ian gegenüber seinem Vater (John Benfield) die unwissende Lucy herunterputzen zu lassen, während diese alles mitanhören muss. Statt das es darauf hin zu einer Auseinandersetzung kommt, passiert nichts. Lucy verschwindet einfach.
Solche zwischenmenschlichen Fehlleistungen nutzt Allen normalerweise zur Satire auf die Unfähigkeit der Kommunikation zwischen Mann und Frau, doch in "Cassandra`s Dream" wird er nicht lustig. Immer mehr verstricken sich Terry und Ian in ihre eigenen Träume. Nachdem er eine Zeit lang eine Glückssträhne hatte, verliert Terry beim Pokern 90.000 Pfund, während Ian im Bemühen, Angela für sich zu gewinnen, mit geliehenem Geld und Autos den Anschein, ein wohlhabender Geschäftsmann zu sein, aufrecht erhält.
Dank Allens Stil, der dramatische Übertreibungen vermeidet, wirkt ihre Situation weniger aussichtslos, als die beiden Brüder es selbst formulieren. Deshalb wenden sie sich in ihrer letzten Hoffnung an ihren reichen Onkel Howard ( Tom Wilkinson ), um ihn um finanzielle Hilfe zu bitten. Dieser hat allerdings selbst ein Problem und verlangt als Gegenleistung die Beseitigung eines lästigen Zeugen...
Ähnlich wie in "Match Point" entwickelt sich der Film zunehmend in Richtung eines Kriminalstücks. Dazu gelingen ihm mit den Figuren der brüderlichen Protagonisten originelle Typen, die seinen satirisch entlarvenden Stil auch in "Cassandra`s Dream" fortsetzen. McGregor spielt den Ian mit Charme und natürlichem Selbstbewusstsein, entpuppt sich aber als skrupelloser Hochstapler. Zu Beginn als Sympathieträger angelegt, der auch zunehmend von Angela geliebt wird, kann man sich trotz seines freundlichen Antlitzes nicht wirklich für ihn erwärmen.
Von Colin Farrell erwartet man stattdessen den harten Kerl, aber trotz des vertrauten Äusseren erweist sich Terry als weichherziger, bürgerlicher Junge, der eine fatale Neigung zu Alkohol und Wettspielen hat. Unter dem Deckmäntelchen, ihm helfen zu wollen, nutzt Ian die Naivität seines Bruders für seine Zwecke aus. Sowohl McGregor als Farrell werden geschickt gegen ihr sonstiges Image eingesetzt, obwohl sie vordergründig wie gewohnt agieren.
Damit treibt Woody Allen sein perfides Spiel mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, das sich auf die gesamte Story übertragen lässt. Man ist von ihm gewohnt, mit Morden und krimineller Energie konfrontiert zu werden, genauso wie es zum üblichen Allen-Programm gehört, das Beziehungen mehr Schein als Sein darstellen und die Protagonisten irgendwann mit den harten Realitäten konfrontiert werden, ohne dass sich daraus die Illusion ergibt, es würde sich jemals etwas ändern.
In dieser Tradition ist auch "Cassandra`s Dream" entworfen, aber Allen bleibt hier äusserlich ganz ernst und verzichtet auf jeden Gag - überraschend, ungewohnt, aber trotzdem ein echter Allen (8/10).