Zusammen mit „American Werewolf“ prägt der 1980 entstandene „The Howling“ den Pionierstatus des modernen Werwolffilms. Regisseur Joe Dante hat sich vor allem mit dem eklig-schleimigen „Gremlins“ einen Namen gemacht, der gekonnt Satire und Medienkritik mit wundervoll abartigen, dabei auf dem höchsten Stand der Technik verweilenden Masken und Special Effects verknüpfte. Nach einem ähnlichen Strickmuster verläuft auch sein Beitrag zum Werwolfsgenre. Hier ist es eine Mischung aus SFX-Horror und Gesellschaftskritik, wobei vor allem der erstgenannte Faktor dafür gesorgt haben dürfte, dass dem Film ein gewisser Bekanntheitsgrad zuteil wurde. Sicherlich angetrieben durch die erinnerungswürdigen Verwandlungsszenen sollten noch diverse Fortsetzungen folgen, die aber allesamt (zumindest dem Hörensagen nach; selbst habe ich noch keins der Sequels gesehen) scheiterten; wohl deswegen, weil erstens die Gesellschaftskritik fehlte und zweitens wegen der kleineren Budgets auch keine neuen Standards im Bereich Masken und Effekte gesetzt werden konnten.
In Joe Dantes Original jedenfalls steht eine Fernsehjournalistin namens Karen (Dee Wallace Stone) im Mittelpunkt, die von einem Serienkiller verfolgt wird und schließlich unter polizeilicher Aufsicht den Köder spielt, um den Horror zu beenden. Bei dem Aufeinandertreffen mit dem Killer wird dieser zwar durch die Polizei getötet; Karen trägt jedoch einen psychischen Schock davon. Es hat sich eine grausame Schlüsselszene abgespielt, an die sich Karen aber nur bruchstückhaft erinnern kann. Ihr psychologischer Betreuer Dr. Wagner (Patrick Macnee) empfiehlt ihr, ein spezielles Sanatorium auf dem Land zu besuchen, abseits der Hektik der Großstadt und ihres Jobs. Also fährt sie mit ihrem Mann hin; doch muss sie bald erkennen, dass sie sich inmitten einer ganzen Kolonie von Werwölfen begeben hat...
Wenngleich sich der Plot sehr viel versprechend anhört, hat die erste halbe Stunde überraschenderweise mit einigen Längen zu kämpfen – trotz einer Gesamtlaufzeit von nicht einmal 90 Minuten. Dabei ist der nur langsame Spannungsaufbau in seiner Anlage sicherlich das richtige Rezept. Trotzdem will das Geschehen noch keinen Druck auf den Zuschauer entfalten. Die Gestaltung des Verfolgungsszenarios erweist sich nichtsdestotrotz als sehr beunruhigend: Parallelmontagen zwischen der auf sich allein gestellten Karen und den vor dem Funkgerät hockenden Polizisten kommen zum Einsatz und stimmen auf einen bevorstehenden Klimax ein (und dass der polizeiliche Schutz trügerisch ist und die Situation am Ende sehr brenzlig wird, sagt uns der Bauch und jahrelange Filmerfahrung), bizarre Hinweise auf die Anwesenheit des Täters in Form von aufgeklebten Smileys führen die Journalistin zu ihm, der Weg führt durch dunkle Gassen in die schmuddeligsten Ecken der Stadt, bevor es dann zum verheerenden Treffen kommt. Dies alles wird zudem noch durch einen höchst beunruhigenden, sich stets wiederholenden Score untermalt. Es ist schwer zu erklären, weshalb einen dieser Kernpunkt der Geschichte so kalt lässt – vielleicht sind es ineffektive Kameraeinstellungen oder unpassende Beleuchtung – aber Fakt ist, dass hier noch zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Horrorstimmung aufkommt.
Es folgt ausgerechnet die Einführung der diversen Charaktere zuerst in der Stadt, dann im Sanatorium auf dem Land; ein Punkt, der sich zusammen mit der relational eher faden Serienkillerjagd zu einer überlangen Exposition zusammenschließt, die lediglich durch immer wieder eingestreute Flashbacks von Karen aufgepeppt wird, in denen das Aufeinandertreffen der Journalistin mit der stets im Dunkeln verborgenen Killergestalt auf geschickte Weise manipuliert, alterniert und neu interpretiert wird.
Nach der ersten Nacht im Lager geht es dann aber los. Die Erzählperspektive schwenkt von einem Psychogramm eines Menschen mit einem grauenvollen Schlüsselerlebnis zu einem sehr atmosphärischen und spannungsreichen Tierhorror-Thriller. Die ursprüngliche Herkunft aus der Universal-Monsterecke wird dabei nicht nur durch das Einfügen von Szenen aus „Der Wolfsmensch“ deutlich (übrigens: nach dem Abspann kommt noch was), auch die Einbindung der Werwolfszenen mit den menschlichen Schicksalen und Interaktionen kann die Herkunft nicht verleugnen. So kommt es zu Eifersuchtseskapaden zwischen Karen und ihrem Mann, auch in der Werwolfkolonie kommen Emotionen auf, sofern man sich gerade in menschlicher Form umherbewegt.
Hier wären wir dann auch beim recht einnehmenden Aspekt der Gesellschaftskritik. Im Gegensatz zu „American Werewolf“ bewegt sich diese Kritik eher im Rahmen der Soziologie als der Psychologie, weil nicht nur eine Person mit dem Fluch der Verdammnis zu kämpfen hat, sondern eine ganze Gruppe, die im Rahmen der Gesellschaft eine Minderheit darstellt. Die Gemeinschaft, an der die Evolution vorbeigeschritten zu sein scheint, sieht sich einer modernen Gesellschaft gegenübergestellt, einer hochkomplizierten Zivilisation mit weltweiter technologischer Vernetzung, sekundenschneller Übertragung von Informationen über neue Medien wie das Fernsehen. Vor allem aber sieht sie sich einer Zivilisation ausgesetzt, die sich vom „Fressen oder gefressen werden“-Prinzip so weit wie möglich distanziert hat. Längst muss der Mensch seine Nahrung nicht mehr selbst töten, er geht einfach in den Supermarkt und kauft es. Eine Gemeinde wie die hier vorgestellten Werwölfe, die Opfer ihres unzähmbaren Triebes sind, hat da einfach keinen Platz und wird in die Wildnis zurückgedrängt wie einst die Ureinwohner Amerikas ab dem beginnenden 16. Jahrhundert. So auch die Werwolfkolonie, die in einer abgelegenen Fauna jenseits der menschlichen Zentren haust und Rinder reißt. Viel fehlt da nicht zur traditionellen Vampirthematik, eine weitere Minderheit, bei der ein ähnliches Problem unter anderem in „Interview mit einem Vampir“ angedeutet wurde.
Auch eine Parallele zu „Blade“ kommt auf: ein Individuum (hier der aufstrebende Vampir Deacon Frost, da der Serienkiller) will sich nicht mehr mit der Selbstgenügsamkeit zufrieden geben und macht sich auf in das urbane Zentrum, um den Urtrieben freien Lauf zu lassen und die primäre Nahrungsquelle, den Menschen, anzuzapfen. Die verheerenden Folgen dieser „Selbstjustiz“ zeigen das Dilemma, dem sich die Minderheit ausgesetzt sieht: einerseits fehlt die Luft zum Atmen, die Freiheit, die eigene Kultur vollständig ausleben zu können; andererseits entsteht bei dem Versuch, diese Freiheit zu realisieren, großer Schaden.
Stets wird jedoch auch deutlich, dass der animalische Urinstinkt jedem Menschen anhaftet. Bei der Schlüsselszene mit dem Serienkiller läuft im Hintergrund ein Porno mit dem Fokus auf Macht- und Gewaltdependenzien; Karens Mann, eigentlich Vegetarier, wird im Laufe des Films selbst zu einem reißenden Tier; der Filmabspann ist nicht schwarz, sondern zeigt im Hintergrund das close-up eines bratenden Stück Fleischs. Es bleibt also zu fragen, wie viel von den Intentionen der Minderheiten auch in uns selbst steckt.
Kommen wir nun noch zum wirklich interessanten Aspekt, nämlich zur visuellen Gestaltung und zum Creature Design. Vorweg sei gesagt, dass die berühmte Verwandlungsszene aus „American Werewolf“ noch eine ganze Klasse besser aussieht, gewisse Ähnlichkeiten zwischen den Effekten beider Filme aber durchaus auffallen. Zudem bekommt man die Werwölfe und ihre Mutationen hier weitaus öfter zu sehen, was schon alleine auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass wir es hier mit einer ganzen Meute zu tun haben und nicht nur mit einem Individuum. Des weiteren werden viele Zwischenstufen gezeigt.
Die Gestalter erweisen sich dabei als überaus kreativ. Jeder Werwolf bekommt seinen ganz spezifischen Look. Gebiss, Augen, Fellkonstanz, Anatomie, Gesichtszüge, Verwandlungsstadien, all dies ist jedes Mal ein neues Erlebnis. Sicherlich arbeitet Dante verstärkt auch mit Schnitten, die gerade bei den schwierigeren Übergängen zum Einsatz kommen. Jedoch werden einige Mutationen auch in Echtzeit auf dem Bildschirm gezeigt. So sehen wir, wie Krallen und Zähne sprießen, wie die Schnauze länger wird und sich die Knochenstruktur verändert. Letzteres wurde offensichtlich durch Luftsäcke realisiert, die unter den Masken lagen und aufgebläht wurden.
Als Höhepunkt ist sicherlich die Verwandlung beim erneuten Aufeinandertreffen von Karen und dem Serienkiller zu bezeichnen. Man kann allerdings nicht leugnen, dass in dieser Szene auch viel zum Selbstzweck verkommt; offensichtlich ist die gezeigte Verwandlung lediglich eine Präsentation der Special Effects; ganz im Gegensatz zu der Szene aus „American Werewolf“, wo die technisch beeindruckende Transformation mit Leid und Qual der Figur einhergeht. Wenn das Endergebnis aber so gut aussieht wie hier, ist das durchaus zu verschmerzen.
Atmosphärisch bietet die beinahe märchenhafte Waldumgebung einen Schauplatz, der für die surrealen Vorkommnisse den perfekten Nährboden bietet.
Das ironische Ende zeigt dann einen letzten Werwolf, der wohl vom Design her als Hommage an Lon Chaney Jr.'s Darbietung des Wolfsmenschen aus den 40ern zu verstehen ist.
Insgesamt ist Joe Dantes Genrebeitrag einer der kleineren Klassiker, die vorwiegend durch die spektakulären und noch heute sehenswerten Verwandlungseffekte an Popularität gewannen. Bleibt der Beginn noch dramaturgisch etwas schwach ausgearbeitet, erzählt der Regisseur zumindest ab dem zweiten Drittel atmosphärisch dicht eine spannende Geschichte, die oberflächlich von der Vergangenheitsbewältigung einer Journalistin mitten in einem Werwolflager handelt, hinter dem Vorgang zudem noch interessante gesellschaftskritische Ansätze bietet. Sollte man als Genrefan gesehen haben.