Review

"Da unten leben die Indianer noch wie vor Urzeiten. Es ist das Land der Aquaras. Sie sind auch noch Kopfjäger. Und einige sind außerdem Kannibalen. Ich hab gehört, der Gott, den sie verehren, ist eine Art Tier. Glücklicherweise kommen sie selten in die Gegend wo wir landen. Aus dieser grünen Hölle sind nur wenige Forscher zurück gekommen, deshalb sind die Aquara-Indianer... [dramatische Pause] ...auch heute noch unbekannte Wesen."
(Professor Ibañez im Flugzeug zu seinen Begleitern)

Es ist eine bunte Schar schräger Vögel, die zum verbotenen Tal der Dinosaurier unterwegs ist, einer sagenumwobenen Ausgrabungsstätte mitten im brasilianischen Regenwald, die gleichzeitig eine Art Indianerreservat ist (von den bereits erwähnten Aquaras). Angeführt wird der lustige Haufen vom bärtigen Professor Pedro Ibañez (Leonidas Bayer), der seine hübsche Tochter Eva (Suzane Carvalho) mitgebracht hat. Ebenfalls mit von der Partie: Der angeberische Vietnam-Kriegs-Veteran John Heinz (Milton Rodríguez) nebst seiner den Frust im Alkohol ersäufenden Gattin Betty (Marta Anderson). Der Erotikphotograph José (Joffre Soares) mit seinen beiden heißen Models Belinda (Susan Hahn) und Monica (Maria Reis). Der Fossilien jagende Paläontologe und Indiana Jones-Wannabe Kevin Hall, ein sympathisches Schlitzohr, wie es im Buche steht, und gespielt von Michael Sopkiw, der zwei Jahre zuvor als Parsifal in Sergio Martinos 2019: Dopo la caduta di New York (Fireflash - Der Tag nach dem Ende) zu sehen war. Und natürlich der französische Pilot (Carlos Imperial), der vom Spruch "Don't drink and fly" nicht allzu viel zu halten scheint. Spätestens wenn das Flugzeug heftig zu wackeln beginnt, die Passagiere sich vor der Kamera wild hin und her werfen und der Pilot Wörter wie "Mon Dieu!" und "Merde!" zu murmeln beginnt, ist klar, daß eine ruppige Bruchlandung unmittelbar bevorsteht. Erste Opfer sind zu beklagen. Die Überlebenden wissen jedoch, was zu tun ist. Da sie von der Route abgewichen sind (es sollte ja keiner mitkriegen, daß sie einen Abstecher zum Tal der Dinosaurier machen), besteht keine Aussicht auf Rettung. Ihre einzige Hoffnung ist es, sich zum Fluß durchzuschlagen und diesem zurück in die Zivilisation zu folgen.

Das ist natürlich einfacher gedacht als getan, bahnen sich unsere Helden doch ihren Weg durch den Amazonas wie tapsige Baby-Elefanten durch einen eingeseiften Porzellanladen. Darüber hinaus lauern im Dschungel nicht nur die kopfjagenden Kannibalen, auch allerlei andere Dinge machen unserer Truppe schwer zu schaffen. Wie große Schlangen, abgebrochene Stöckelschuhe, saugende Blutegel, handfeste Prügeleien, tückischer Treibsumpf, nasse T-Shirts, machohaftes Verhalten, hungrige Krokodile, eine aggressive Lesbe, erbitterte Rivalitäten, fiese Piranhas und - last but not least - ein schmieriger fetter Sklavenhalter namens China (Andy Silas), der seine Gefangenen in Minen schuften läßt. Tja, der Dschungel ist nun mal kein Streichelzoo, wie wir alle spätestens seit Filmen wie Cannibal Holocaust und Cannibal Ferox wissen. Allerdings sei angemerkt, daß Nudo e selvaggio mit diesen beiden berüchtigten Schockern kaum etwas gemein hat. Tatsächlich fällt Michele Massimo Tarantinis unter seinem Pseudonym Michael E. Lemick in Brasilien gedrehter Streifen in die Kategorie "Abenteuerfilm" und macht sich gut im Doppelprogramm mit René Cardona Jrs. Treasure of the Amazon (Das Geheimnis der blauen Diamanten) oder Alan Birkinshaws Horror Safari (Söldner des Todes). Doch obwohl die Kannibalen nur eine Nebenrolle spielen, versüßen sie das launige Dschungelspektakel ungemein. Sie sorgen nicht nur für die saftigste Goreszene, sondern entkleiden auch vorsichtig unsere leckeren Hauptdarstellerinnen (besonders Suzane Carvalho, die 1989 leider die Schauspielerei an den Nagel hing und stattdessen eine recht erfolgreiche Karriere als Autorennfahrerin startete, ist eine Augenweide). Außerdem ist ihr Häuptling oder Medizinmann ein großer Fan von Dinosauriern, und so läßt er es sich nicht nehmen, mit seinem einer Saurierpranke nachempfundenen Handschuh kräftig über eine entblößte weibliche Brust zu kratzen, um das fließende Blut anschließend in einem blanken Totenschädel zu sammeln.

Die große Stärke von Nudo e selvaggio ist, daß er ungemein kurzweilig und abwechslungsreich ist. Die Zeit vergeht wie im Fluge, Langeweile kommt selten bis gar nicht auf, und unseren Helden dabei zuzusehen, wie sie (mehr schlecht als recht) gegen die Tücken des Dschungels ankämpfen und teilweise grausam abnibbeln, macht einfach einen Riesenspaß. Trotz der handvoll harten Szenen, die von Zeit zu Zeit recht beliebig ins Geschehen eingestreut sind, ist der generelle Ton meist eher locker, fast schon unbeschwert. Vor allem zu Beginn glänzt der Streifen mit einem Humor, der in Bud Spencer/Terence Hill-Prügelkomödien besser aufgehoben gewesen wäre. Nimmt man die schmissige Musik, die hanebüchenen Dialoge und die saudummen Aktionen der Protagonisten dazu, ist schnell klar, daß man diesen Film nicht wirklich ernst nehmen sollte. Zwar wird es gegen Ende ziemlich heftig, sleazig und unangenehm, aber die das Martyrium überlebenden Figuren nehmen es mit Humor, und der Zuschauer tut es ihnen schlußendlich gleich. Daß Tarantini, auf dessen Konto Filme wie Sette ore di violenza per una soluzione imprevista (Sieben Stunden der Gewalt), Poliziotti violenti (Blutiger Schweiß), Napoli si ribella (A Man Called Magnum), Brillantina Rock (Flotte Bienen auf heißen Maschinen), Sangraal, la spada di fuoco (Das Schwert des Barbaren), Femmine in fuga (Ausgestoßen - Frauen im Zuchthaus) und Il cacciatore di uomini (The African Game) gehen, mit Titten und Ärschen alles andere als geizt und manchmal sogar einen dichten Busch vor die Linse lotst, schraubt den Exploitation-Faktor zusätzlich in die Höhe. Erfreulicherweise verzichtet der in Finnland Dinosauruslaakson tuho genannte Streifen gänzlich auf Tiersnuff; zwar wird eine Schlange in einer kurzen Einstellung erschossen, aber dabei handelt es sich zweifelsfrei um eine Attrappe.

Nudo e selvaggio gewinnt weder einen Preis für große Kunst, noch einen für grimmigen Kannibalen-Horror, und schon gar keinen für spektakuläre Dinosaurier-Action. Aber er ist ein äußerst unterhaltsames Dschungel-Abenteuer, das man ob seiner Beine anknabbernden Piranhas, seiner Herz mampfenden Indios, seines hinreißend drolligen Flugzeugcrashs, seiner zahlreichen Nuditäten und seiner lässigen Camp-Attitüde einfach lieben muß.

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