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"Einem unbestechlichen Bullen traue ich nicht."

So unsinnig dieses Filmzitat auch klingt, für Sidney Lumets zeitlosen Polizeiklassiker "Serpico" ist es symbolträchtig. Der Polizeiapparat, der im eigentlichen Sinne etwas Unumstößliches, Gefestigtes und Vertrauenswürdiges darstellen sollte und dazu da ist, Vegewaltiger, Mörder, illegale Buchmacher und andere Verbrecher hinter Gitter zu bringen, driftet in diesem Film selber sehr in den den dreckigen Sumpf finsterer Machenschaften.

Frank Serpico, nach "Hundstage" wieder Lumets zentrale Figur, spielt die titelgebende Hauptrolle. Zu Beginn sieht man ihn blutüberströmt, wie er gerade ins Krankenhaus chauffiert wird, mit einer Wunde im Gesicht und in kritischem Zustand. Danach folgt knapp 2 Stunden die Geschichte des Frank Serpico, seine polizeiliche Laufbahn und sein Weg bis hin zu dieser Rückbank eines Polizeiwagens, auf der er jetzt angeschossen sitzt und ins Krankenhaus gebracht wird. Serpico ist nicht der gnadenlose Superbulle mit Superman-Fähigkeiten, wie man es aus vielen anderen Action- oder Polizeifilmen kennt, sondern ihn zeichnet ein Wesenszug aus, der viel wichtiger, aber leider umso seltener ist. Frank Serpico ist nämlich auf höchster Ebene idealistisch und moralisch. Er hält Nichts von unsauberen Ermittlungsmethoden und entlockt seinen festgenommenen Verbrechern kein Geständnis mit sinnlosen Schlägen, sondern er geht mit ihnen Kaffee trinken, ohne Handschellen, widmet sich ganz dem Menschen selber, nicht einmal wirklich dem Verbrecher und redet mit ihnen.

Leider bemerkt er jedoch bald, dass er mit diesen humanen Methoden nicht weit kommt, denn seine Kollegen sind allesamt bis in die Haarspitzen korrupt. Sie fahren jeden Tag ihre Runde und treiben Schutzgeld von sogenannten Kunden, die sich auf der "Liste" befinden, ein. Geld, das die Verbrecher bezahlen müssen, damit die Polizisten ihren Mund halten und über ein paar Straftaten hinwegsehen. Egal, an wen sich Serpico wendet oder mit wem er zusammenarbeitet, früher oder später kommt er immer wieder in den Genuss von fehlender Moral und nicht vorhandenem Rückgrat. Seine Kollegen fügen sich einander, sie halten alle zusammen und welche, die nicht mitmachen, die sich an das Gesetz im eigentlichen Sinne halten, das sind die Außenseiter, die nicht nur gemobbt werden, sondern teilweise sogar deswegen um ihr Leben fürchten müssen. Klar lässt das Frank nicht kalt und diese Korruptionen bestimmen sein Leben. Leider auch sein Privatleben. Von seinem unglaublichen Idealismus angetrieben, gibt es für ihn auch in seinen eigenen vier Wänden nichts Anderes mehr, als darüber nachzudenken, wie man gegen diese unechten Polizisten vorgehen könnte.

Dabei ließ er sich oft, auch zwangsweise, versetzen, da er eine Zusammenarbeit mit korrupten Kollegen einfach nicht übers Herz brachte, doch immer wieder wird er Zeuge geldeintreibender Polizisten, deren unmoralisches Verhalten denen sogar ihr ganzes Leben finanziert. Serpico möchte von alledem nicht viel wissen und verzichtet stets auf seinen Anteil. Das ist seinen Kollegen natürlich ein Dorn im Auge, da sie Angst haben, dass Serpico mit seinen Erfahrungen an die Öffentlichkeit geht und alles publik macht. Doch genau das ist Serpicos Problem. In einem Strudel von Korruption, Macht und Geldgier weiß er nicht, wem er noch trauen soll und wer überhaupt noch solch Werte wie Moral und Gewissen kennt. Bis er eines Tages einen fatalen Entschluss fasst.

"Serpico" ist mehr als nur ein Polizeifilm. Es ist das traurige Porträt eines Außenseiters, der eigentlich keiner sein sollte. Frank Serpico mimt den Menschen, den Polizisten im herkömmlichen Sinn. Pflichtbewusst, hart, aber vor allem gerecht. Er will nicht der Freund der Verbrecher sein, doch er sieht es nicht als nötig an, ihnen mit Schlägen zu drohen oder mit irgendwelchen Folterungen Geständnisse zu erzwingen. Als er zwei Vergewaltiger auf einem Schulhof dingfest macht, wird ihm von seinen Vorgesetzten gesagt, er könne von Glück reden, dass ihm kein Verfahren an den Hals gehängt wird. Wegen unerlaubtem Betreten des Schulgeländes. Schon da wird klar, dass der ganze Polizeiapparat Dreck am Stecken hat. Frank Serpico, ein Mann mit dem Gefühl für Recht und Unrecht, ausgestattet mit alltäglichen Prinzipien und Moralvorstellungen, wird zum Außenseiter, weil er nicht ein Spielball der Gesellschaft, der habgierigen, machtbesessenen Kollegen werden möchte. Allesamt sind sie mit in diesen Sumpf verwickelt, selbst Inspektoren oder Staatsanwälte.

Doch Serpico hat nicht nur ein Gewissen, sondern er beweist auch Idealismus und Rückgrat, indem er bis zuletzt gegen das Unrecht in den eigenen Reihen, wo er natürlich längst als Feind angesehen wird, ankämpft.

"Serpico" ist daher nicht nur Film, sondern auch Spiegelbild der Gesellschaft. Sicherlich darf man das nicht Alles eins zu eins übersetzen, aber genau für so etwas ist ja das Medium Film dar. Zum Glück will es nicht andauernd nur unterhalten, sondern man kann ja auch kurzweilig pikante Probleme ansprechen. Die korrupten Polizisten sind Zeichen der heutigen Gesellschaft, in der Geld und Macht wichtiger als alles Andere sind, erst recht wichtiger als menschliche Grundsätze über die Moral und Normen. Der Film zeigt das schonungslos auf und nicht nur einmal scheint man zu glauben, dass die Korrupten auch noch als Sieger hervorgehen. Solchen gibt es in "Serpico" nicht zu 100 Prozent, doch fiebert man mit Frank und seiner aussichtslosen Situation mit, weiß man gegen Ende, dass Idealismus, Moral und Normen nicht immer unerhört und nutzlos bleiben.

9/10 Punkte

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