Mit unumwundenem Selbstvertrauen gingen die Regisseure Robert Rodriguez und Quentin Tarantino an ihre selbst auferlegte Aufgabe heran, dem alten Exploitationfilm der 60er, 70er und mit Abstrichen 80er Jahre sowohl ein Denkmal als auch einen gelungenen, den alten Vorbildern in nichts nachstehenden, Vertreter zu widmen. Ist dieses Unterfangen nun gelungen?
Die Verquickung von Huldigung mit genretypischen Beiträgen musste wohl scheitern. Zu sehr klaffen jene Herangehensweisen auseinander, denn eine Hommage, die eine reflexive Betrachtung unumgänglich macht, schließt einen direkten, so naiv wie primitiven Umgang geradezu aus. Das was heute den Charme dieser in den hintersten Ecken der Videotheken schlummernden Filme ausmacht, war ihre Unbekümmertheit beim Einsatz naiver filmischer Mittel und vieles mehr. Es waren Filme, die schnell heruntergekurbelt wurden, wenig Inhalt und eine maximale Ausbeute an allerlei reißerischen „Stimulanzen“ anbot. Viel Gewalt, viel Sex und ein oft aus dieser beschränkten Sichtweise resultierendes Fremdschäm- oder in weiterer (abgestumpfter) Hinsicht Unterhaltungspotential. Da mag es dann ein wenig absurd klingen, wenn feste, längst am finanziellen Olymp in Hollywood angekommene Größen, wie Rodriguez und Tarantino sich anschicken einen „Grindhousefilm“ zu drehen.
Die für diese Art Filme benötigten Ingredienzien haben die Beiden schon in ihren früheren Filmen ausgiebig zum Besten gegeben. Dem trashigen, sleazigen haben sie immer schon ihr Herzblut geschenkt und ewige Treue geschworen. Ausgiebig wurden sie zitiert, ironisiert oder wie vor allem bei Tarantino zum Ausgangspunkt ihrer Filme selbst gemacht. Etwas gelang ihnen aber bisher nie. Bei aller Zitierfreude und nerdiger Betonung, ist ihnen nie auch nur im Ansatz ein „astreiner“ Vertreter dieses so verehrten Subgenres gelungen. Es wäre wohl auch zu viel verlangt einen vorsätzlich schundigen Film zu machen. Lieber rettet man sich mit allerlei Anspielungen auf das Genre, einem selbstreflexiven Gestus und augenzwinkernden Zitaten aus der Bredouille, bevor man selbst in dem brackigen Gewässer solcher unschicklicher Machwerke landet. Man möchte zwar am enormen Unterhaltungswert jener „Schundfilme“ mitnaschen, sich aber nicht die Blöße geben, dies alles ernst zu nehmen und sich im Zuge dessen einer vielleicht hämischen Kritik aussetzen. Das Zitat fungiert hier ausschließlich als Rettung vor dem Genreallerlei und Abgrenzung vom gewöhnlichen (Trash-)Genre. Nicht zu letzt war somit auch eine leicht selbstbesoffene Nerdkultur leichter zu ködern, die bei erkennen der ausgestellten Anspielungen sich selbst die Schulter bezüglich ihres Filmwissens tätscheln konnte.
Robert Rodriguez darf diesen nostalgischen Rückblick mit Planet Terror eröffnen. Eine wilde, absurde Tour de Force aus Zombies, eitrig aufplatzenden Geschwüren, faustgroßen Shoot-Outs, und einer Menge A-Liga-Stars.
Nach einem Giftgasaustritt verwandelt sich ein Großteil der Bevölkerung eines kleinen Kaffs in Texas in zombieähnliche Kreaturen. Die Stripperin Cherry Darling (Rose McGowan) und ihr mysteriöser Lover Wray (Freddy Rodriguez) kämpfen nun innerhalb einer immer kleiner werdenden Gruppe gegen diese Zustände an, an der auch die Armee keine unwesentliche Schuld trägt.
Der Eindruck, des Kindes im Süßigkeitenladen, dessen Augen größer als der Magen sind, kommt unweigerlich auf. Sollte Rodriguez jemals tatsächlich das Bestreben gehabt haben, einen Vertreter eines Exploitationfilmes zu machen, so wird dies bereits in den Anfangsminuten für Nichtig erklärt. Es helfen noch so viele künstlich erzeugte Kratzspuren, Brandlöcher und Tonaussetzer nichts, wenn Rodriguez es sich in seinem leicht größenwahnsinnigen Unterfangen, so viele Stars wie nur irgend möglich durch seine Filme zu hetzen (siehe: Once upon a Time in Mexico, Sin City etc.), nicht nehmen ließ, u.a. einen Bruce Willis etwas verloren durchs Geschehen stapfen zu lassen. Wer kann der kann, mag man hier einwerfen, aber dieser Starkult den Rodriguez hier betreibt, ist nicht nur leicht penetrant - zumal es nicht bei einem dieser Promiauftritte bleibt - sondern er bleibt unpointiert und hat nichts mit dem vorbildhaften Subgenre zu tun.
So sonnt sich Rodriguez eitel in seinen Möglichkeiten, vergisst dabei aber völlig auf den Film. Wir haben ausladende Ekeleffekte, eine Menge Anspielungen auf andere - Pate stehende - Filme, viele ach so angesagte Superstars, aber weder Dramaturgie noch Dynamik. Es ist ein wenig verwunderlich, dass gerade auf eines der größten Attribute des Grindhouse- bzw. Exploitationfilms vergessen wurde. Bei aller oft gegebenen Unprofessionalität und lähmend idiotischen Storys hat man bei den gelungensten Vertretern (auf die man sich hier wohl auch beruft) ein enormes Unterhaltungspotential hervorgezaubert. Es waren jedenfalls keine großen Actionszenen, keine nerdige Selbstironie und schon gar keine besonders populären Schauspieler, die diesen etwas rätselhaften Charme jenen Filmen einbrachten.
Als Grindhousefilm ist Planet Terror eine reine Themenverfehlung. Ansonsten sind die üblichen Schwächen von Rodriguez zu finden. Lässt man das Blendwerk mal beiseite, bleibt der Film für das was er uns erzählt, erstaunlich zäh und langatmig. Die Schauspieler staksen fast führungslos durchs Bild, die als Dialoge getarnten One-Liner, bedienen nur noch Klischees und wie sollte es anders sein, tendiert bei all der selbstverliebten Rezitiererei das Interesse an der Geschichte gegen Null. Planet Terror bleibt für das was er sein will, unglaublich mühsam und unoriginell, suhlt sich kleinkindlich erregt in einem Meer aus Anspielungen, Zitaten und postpubertären Zoten, ist aber auch oder gerade deswegen nicht in der Lage, das Genre unironisch und geradeaus zu bedienen.
Anders, unaufgeregter und mit dem für ihn typischen intellektuellen Subtext geht Tarantino mit seiner filmischen Huldigung um. Auch sein Film kann wenn überhaupt nur mit viel Mühe und gutem Willen zu einem Genrebeitrag gezählt werden. Während Rordriguez das Zombiegenre von Romero, Fulci sowie von Carpenters minimalistischen Endzeitfilmen ausgiebig zitiert hat, nimmt sich Tarantino dem altbekannten Slashergenre an und mixt es mit Russ Meyers Superweibern und dem Road Movie der 70er Jahre.
Eine vierköpfige Gruppe junger Frauen werden nachdem sie ausgelassen in einer Bar feierten von einem wahnsinnigen ehemaligen Stuntman (Kurt Russell) durch einen von ihm erzwungenen Autounfall ermordet. Dasselbe scheint sich kurz danach mit einer weiteren Frauengruppe zu wiederholen, mit dem Unterschied, dass diese Frauen enorm wehrhaft sind und schon bald der Killer selbst in große Schwierigkeiten gerät.
Der Unterschied zwischen den Regisseuren wird schnell augenfällig. Tarantino begnügt sich nicht mit einer simplen Rekonstruktion alter, vergilbter Lieblinge, sondern dringt in jenes scheinbar zur endgültigen Starre verkrustete Genre ein und wirbelt mit unbekümmert selbstsicherer Hand einmal kräftig um. Der größte Unterscheid zu Planet Terror ist das Formelhafte, das Akribische, dass Death Proof verfolgt und immer leicht zu brechen androht. Konnte Rodriguez sich noch unbeschwert den im Vergleich dazu großen Freiheiten des zitierten Splatter- und Zombiegenres bedienen und darin grobschlächtig fuhrwerken, versuchte sich Tarantino in dem fast dogmatischen Regelwerk des Slashergenres.
„Stuntman Mike“, der ikonische Mörder, ist nicht nur eine bis ins extrem übersteigerte Anspielung auf die ödipalen Messerschwinger des Genres, sondern auch eine direkte parodistische Herausforderung des darin innewohnenden Machismus. Selbstverständlich geht Tarantino diese immanenten Genreversatzstücke nicht rein akademisch bzw. entlarvend an. Sein aus dem Dickicht der Filmliebe geschulter Blick umgarnt und verehrt das zitierte Genre. Und dennoch, indem er das Genre auf seine ureigenen Regeln abhorcht und gegebenenfalls bizarr auf die Spitze treibt, offenbart Tarantino sein durchaus reflektiert kritisches Denken, dass dabei wie selbstverständlich neben den bekannten augenzwinkernden Huldigungen seinen Platz findet. Death Proof ist durchaus mehr als eine Hommage, die sich willkürlich Szenen aus dem üppigen Fundus der Filmgeschichte zusammenklaubt und halbwegs stringent aneinander reiht. Tarantino fragt nach dem charakteristischen Mustern des Genres, nach seinen Ansprüchen und verfolgten ideologischen Subtexten. Dabei nimmt er sich auch die Freiheit, eine wilde Mischung der Rollen und ihrer dazugehörigen Klischees durchzunehmen. „Stuntman Mike“ ist nicht nur ein Horror-Maniac, sondern daneben auch ein Figurentypus den man aus Road Movies der 60er und 70er Jahre kennt. Sei es Walter Hills Driver, George Millers Mad Max, Sarafians Vanishing Piont oder auch Dennis Hoppers Easy Rider, ihnen gleich war ein spezieller, sehr männlich orientierter Freiheitsgedanke, der Ausdruck in ihren motorisierten Vehikeln fand. Dass diese nun von einem alten ausgedienten Stuntman zum Mordinstrument pervertiert werden um schrille und selbstbestimmte Frauengruppen rücksichtslos zu zermatschen, spricht für die Ironie und den intensiven Blick von Tarantino. Zumal der Spieß sich bald umdreht und unser manischer Macho angesichts der durchgeknallten Weiber nur noch schluchzend und winselnd um Gnade bettelt.
Will man den Begriff Grindhouse noch einmal bemühen, bleibt festzuhalten, dass weder Planet Terror noch Death Proof diesem wirklich gerecht werden. Während Death Proof eine wundersame, nicht unkritische Subgenrereflexion mit einem sich daraus ergebenden großen Unterhaltungswert ist, ist man geneigt Planet Terror als Splatter- und Ekelquatsch mit wacklig unnötigem Meta-Anspruch abzutun. Den Film als einzelnes Werk zu beurteilen fällt angesichts der so unterschiedlichen Herangehensweise beider Regisseure recht schwer. Sehenswert sind sie letztlich aber beide, auch wenn man seine Erwartungshaltung(en) jeweils darauf abstimmen muss. Beim einen ist viel, beim anderen weniger zu erwarten.