Review

Wenn ein neuer Film von Quentin Tarantino ansteht ist das Gerede groß. Wenn dann die Filme mit falschen Erwartungshaltungen zu kämpfen haben, wird oft die vergessen die Filme in einem objektiven Rahmen zu betrachten. Tarantino mag nicht der größte Regisseur überhaupt sein (wie es von vielen Fans propagiert wird), wäre aber bestimmt der erste der dieser Aussage selbst zustimmen würde. So litten vor allem „Jackie Brown“ und „Kill Bill: Vol. 2“ unter der Ungeduld mit der sie erwartet wurden. Die eigentlichen subtilen Qualitäten der Filme blieben dann aber leider allzu unbeachtet und zumeist wurden beide als „langweilig“ abgetan. Auch hier werden die feinen Details wahrscheinlich oft unbeachtet bleiben, dass „Grindhouse“ nicht wirklich massenkompatibel ausgefallen ist, beweist schon das bisher magere Einspielergebnis.

Mit Rissen und Verunreinigungen versehen wirkt das Filmmaterial wie eine angestaubte, leicht beschädigte Filmrolle und auch das dramaturgische Konzept imitiert auf denkbar realistischste Weise den Besuch in einem Grindhouse-Kino. Diese kleinen Lichtspielhäuser boten in der Blütezeit der Exploitation und des Pornofilms eine unendliche Vielzahl obskurer (Trash-)Filme weit abseits des Mainstreams. Heutzutage gehören diese speziellen Kinos der Vergangenheit an, eine große Zahl der damals produzierten Filme haben heute Kultstatus erreicht und sind teilweise durch ihre Seltenheit auch wertvoll für den geneigten Sammler. Da die Filme meist im Double Feature gezeigt wurden tat sich Tarantino mal wieder mit Rodriguez zusammen – und sie erschaffen ihr bisher am meisten ambitioniertes Werk. Perfekt abgerundet wird die Arbeit der beiden Meister des Trivialen durch die Fake Trailer. Keine neue Idee, schon die Independent-Firma Troma drehte in den 80ern zum Spaß Trailer zu fiktiven Filmen. Was dort aber nicht mehr als ein netter Gag ist fügt sich hier nahtlos ein in ein Gesamtkunstwerk ohne Vergleiche.

Schon der Beginn macht eins klar: Wer sich bisher wohl fühlte in den Händen der Kultfilmer, der wird auch hier kaum enttäuscht werden. Der Film beginnt mit einem der Fake Trailer, „Machete“. Unverkennbar geschrieben und gedreht von Robert Rodriguez, in der Hauptrolle Danny Trejo, ebenfalls zu sehen ist Cheech Marin (heißt in seinem kurzen Auftritt übrigens „Padre Benicio Del Toro“). Mit gelungener Atmosphäre zitiert sich Rodriguez hier mehr oder weniger selbst und verweist mehrmals sehr deutlich auf „Desperado“, zum Beispiel als Trejo auf das Autodach springt und durch das Dachfenster Leute niedermetzelt. Für digitales Kino kann ich mich zwar nicht wirklich begeistern – die hier erschaffene Optik belehrt mich aber eindrucksvoll eines Besseren. Schon hier fallen gewohnt lässige Sprüche und die staubige Kulisse geht Hand in Hand mit der passenden musikalischen Unterlegung. Willkommen im Grindhouse, hier finde ich es direkt gemütlich und mache es mir schon mal für knapp drei Stunden feinste Unterhaltung bequem.

PLANET TERROR:

Den Anfang macht Rodriguez und er legt einen blutigen Zombie-Streifen vor der sich gewaschen hat und mit jeder Menge Action aufwartet. Hauptdarsteller sind Naveen Andrews (Sayid aus „Lost“ endlich mal in einer gescheiten Kino-Rolle), Rose Mc Gowan, Josh Brolin und Michael Biehn. Doch der Cast platzt dermaßen über vor Stars, so dass ich beinahe die Auftritte von Bruce Willis und Tom Savini unter den Tisch habe fallen lassen. Rodriguez bleibt seinem eigenen Stil treu und orientiert sich am Inszenierungsstil seines Kultfilms „From Dusk Till Dawn“, der schon Jahre früher in dieselbe Kerbe hauen sollte. Auch die Story erinnert an FDTD, aber auch an etliche Klassiker wie „Return of the Living Dead“, Romeros Dead-Trilogie oder John Carpenters „Assault“. Was eklige Schleim-Effekte und beinharten Gore angeht, steckt „Planet Terror“ Filme wie „Re-Animator“ locker in den Schatten und kratzt leicht am Blutzoll von Peter Jacksons „Braindead“. Der hohe Temporeichtum sorgt für Kurzweiligkeit auf der ganzen Linie, das Ende begeistert mit schrägen Einfällen, überbordender Action und perfekt getimten Pyro-Effekten. Wieder mal gelingt Rodriguez eine ansprechende Choreographie des Wahnsinns und bei all der schrillen Überzeichnung gleitet er niemals ins Lächerliche und schafft es die Übersicht zu behalten, was ihm leider bei „Irgendwann in Mexiko“ gar nicht gelang. Doch nichts ist zu spüren von der konfusen Unsicherheit seiner schwächeren Werke und „Planet Terror“ reiht sich durch die ungeheure inhaltliche Dichte ganz klar in die Bestenliste seines Machers ein, neben „Desperado“, „Sin City“ und natürlich auch „From Dusk Till Dawn“.

Eigentlich steht es im krassen Widerspruch zum Gesamtkonzept, dass Rodriguez nicht auf klassischem Zelluloid drehte, doch die moderne Bildbearbeitung bietet bekanntlich mannigfaltige Möglichkeiten. Und so wirkt „Planet Terror“ in seinen besten Szenen wirklich wie ein 25 Jahre alter Kult-Streifen ohne jedwede tiefere Aussage. Die auf den ersten Blick flache Story wird verpackt in ein clever konzipiertes Drehbuch, sowohl die Figurenzeichnung als auch die pointenreichen Dialoge nutzen sämtliche Mechanismen des Subgenres Zombiefilm und gehen eine Symbiose ein mit dem Design des Films. Ohne zuviel zu spoilern möchte ich fest halten, dass „Planet Terror“ zwar einen guten Anfang macht aber von „Death Proof“ eindeutig übertroffen wird und es alleine wohl nicht auf die volle Punktzahl geschafft hätte. Der Score stammt auch wieder vom Regisseur selbst, schließlich übernimmt Rodriguez traditionell sehr viele Rollen hinter der Kamera – und seine größte Schwäche gereicht ihm hier kurioserweise zum Vorteil. Denn trotz stilvoller Optik und skurril gezeichneten Charakteren fehlte es Rodriguez als Drehbuchautor stets an der finalen Feinfühligkeit um seinen Figuren echte Plastizität zu verleihen. Durch diese Tatsache wirken seine Filme immer ein wenig oberflächlich und comichaft emotionslos – was sich im Skript zu „Planet Terror“ perfekt manifestiert. Dies ist das Metier des Machers, hier fühlt er sich wohl und das kann er einfach am Besten. Für tiefsinnige Charakterstudien ist kein Platz im Exploitation-Kino, hier zählt die gekonnte Überstilisierung gängiger Klischees.


Die Pause zwischen den beiden Filmen wird traditionsgemäß gefüllt mit weiteren Trailern (natürlich wieder zu fiktiven Filmen, gemunkelt wird allerdings das es eventuell Langfilmversionen für eine sofortige DVD-Auswertung geben soll) und macht richtig Fun, besonders wenn man ein wenig bewandert ist in den abseitigen Genres. Den besten Fake-Trailer inszenierte Multitalent Rob Zombie, der schon mit seinen beiden Regie-Arbeiten „House of 1000 Corpses“ und „The Devil’s Rejects“ bewies, welch ungeahnte Innovation er dem ausgelutschten Terrorfilm im Stande ist abzuringen. Sein kleiner Beitrag heißt „Werewolf Woman of The SS“ und alleine für den wunderbaren Titel müsste es einen Spezial-Preis geben. Eine königlich augenzwinkernde Hommage an das berüchtigte Naziploitation-Genre mit einer wunderbar kuriosen Story. Wie seine Spielfilme brilliert die atmosphärische Dichte im Trailer durch die exzellente Verquickung verstörend düsterer Brutalität mit schrillem Humor und detailliertem Set-Design. Udo Kier gibt sich die Ehre, ist aber nur kurz zu sehen. Die Idee, Naziploitation mit der gängigen Fu Manchu-Thematik und haarsträubender Sci-Fi-Werwolf-Action zu mixen kommt dem Crossover-Wahn der Exploitation-Filmer erstaunlich nahe und macht Appetit auf mehr. Besonders wenn man einen dreckig lachenden Nicolas Cage als Fu Manchu betrachten darf und Sheri Moon Zombie sowie Sybil Danning in den weiblichen Hauptrollen zu sehen sind. Was wäre dieser Film ein Fest! Werbung für eine mexikanische Tex-Mex Fast Food-Kette wird kurz eingespielt, auch eine nette Idee – und weiter geht’s mit den Trailern. Edgar Wright, bekannt durch seine hervorragende Zombie-Komödie „Shaun of The Dead“ liefert mit „Don’t“ einen ziemlich witzigen Beitrag, zeigt aber auch blutigen Splatter. Die Geschichte scheint im Mystery-Bereich zu liegen und von „Das Omen“ bis hin zu diversen Ghosthouse-Klassikern schafft es der junge Filmemacher Wright enorm viele Zitate in sein kurzes Filmchen zu packen. „Don’t“ ist schnell geschnitten und der Off-Kommentar trifft genau den marktschreierischen Ton mit dem die Vorbilder ehemals in den originalen Trailern angepriesen wurden. Den Abschluss macht Nachwuchs-Talent Eli Roth, der mit „Cabin Fever“ stark anfing, mit „Hostel“ einen recht anständigen Genre-Film inszenierte und der sich leider gerade mit „Hostel 2“ ins Abseits der uninteressanten Filmemacher begibt. Sein Segment „Thanksgiving“ ist ebenfalls ordentlich ausgefallen und in kalter, dunkler Optik gehalten – Roths Film scheint ein konventioneller Slasher mit einer Prise schwarzen Humors und hang zu ultrabrutalen Morden zu sein. Anschließend startet der zweite Film.

DEATH PROOF:

Platz für den Meister. Tarantinos Beitrag „Death Proof“ wirkt vielleicht nicht auf den ersten Blick als das Meisterwerk welches es im Endeffekt ganz klar ist, irritiert den Zuschauer mit einer im Vergleich zum Vorgänger sehr langsamen Erzählweise. Einmal mehr macht der Autodidakt klar wie sehr er das Kino und das Medium Film in seiner Gänze zu verstehen scheint – gerade die anscheinende Leichtigkeit, mit der Tarantinos Drehbücher den Genres ganz neue Perspektiven eröffnen, ist unnachahmlich und bleibt wohl unerreicht. Dasselbe, was ihm schon mit all seinen vorigen Regie-Arbeiten gelang, tritt auch hier wieder ein und wir bekommen nichts weniger zu sehen als einen filmischen Meilenstein der auch außerhalb der Compilation nur die Höchstnote verdient hätte. Seine Story ist ebenso trivial wie genial, purster Pulp in Reinkultur eben – und doch noch ein bisschen mehr. Vor Jahren setzte Tarantino seine eigene Messlatte bereits sehr hoch, schafft es aber wieder sie zu meistern, präsentiert uns erneut kultige Dialoge, dramaturgischen Feinschliff und eine exzellente Schauspielführung, vom geilen Soundtrack erst gar nicht zu reden. Was sich anhört als würde sich der gute Quentin nur wiederholen, liegt falsch, auch hier findet sich eine strikte Erweiterung des eigenen Universums. Darüber hinaus demonstriert der Kult-Regisseur auch seine visuelle Brillanz und erschafft viele denkwürdig komponierte Bilder. Nur wenig Action findet statt, was sich allerdings als großer Vorteil heraus stellt. Erstens hatte „Planet Terror“ bereits genug Krawall und Tempo, zweitens passt die ruhige Gediegenheit hervorragend zur Geschichte und drittens wirkt die sparsam dosierte Action umso effektvoller auf den Zuschauer. Am ehesten zu vergleichen ist „Death Proof“ mit „Kill Bill: Vol.2“, da Tarantino auch dort atmosphärische Bilder und geniale Dialoge in einem sehr ruhigen Film verband und überraschend wenig Blut fließen ließ. Die Stärken des dialoglastigen Drehbuchs sind klar auszumachen, man beachte die minutiös stilisierten Dialoge, schon immer eine Glanzseite Tarantinos, die auch in „Death Proof“ mit einem kultverdächtigen Satz nach dem anderen beeindrucken, dabei aber niemals aufgesetzt und billig konstruiert wirken.

In der Hauptrolle geht Kurt Russell auf wie schon seit Jahren nicht mehr, sein kantiges Gesicht und sein wunderbar differenziertes Einfühlungsvermögen verleihen ihm in dieser Rolle eine ganz besondere Größe. Hervor zu heben ist noch Rosario Dawson, die auch schon in „Sin City“ zu sehen war und einfach genau reinpasst in das Rodriguez/Tarantino – Universum. Die zahlreichen Cameos aufzulisten wird wohl wenig Sinn machen, Fans werden jedenfalls einige Gesichter erkennen.

Bereits in jedem seiner Filme huldigt Tarantino seinen Lieblings-Filmen und –Regisseuren, doch die hier kreierte Plattform lässt ungeheuren Handlungsspielraum, der in „Death Proof“ auch voll und ganz genutzt wird. Anders als bei „Planet Terror“ liegen die Qualitäten hier viel subtiler verborgen unter einer plakativen Oberfläche, die Rodriguez in seinem Film entweder nicht durchbrechen konnte oder wollte. Wie schon beim Ende von „Kill Bill: Vol.2“ schafft es Tarantino mit simplen Klischee-Vorstellungen zu spielen und diese, ganz im Sinne des Exploitation-Films, auch mal ad absurdum zu führen. Wer sich die Mühe macht hinter die Fassade zu blicken wird mit „Death Proof“ einen ganz und gar altmodischen und dennoch schwer innovativen Film entdecken. Doch wer nun denkt hier einen langatmigen Film vor sich zu haben, der irrt: soviel Facettenreichtum kann kaum ein anderer Film dieses bisherigen Kinojahres aufbringen. Und die Action kommt auch nicht zu kurz, die Auto-Stunts sind allesamt mit klassischen Methoden inszeniert und wirken dementsprechend lebensecht, auch technisch muss man also den Hut ziehen: So perfekte Verfolgungen gab es nicht mal im großartig inszenierten „Ronin“ zu sehen, auch hier werden also Maßstäbe gesetzt.



All die Klassiker zu nennen denen in den beiden Segmenten gehuldigt wird, würde den Rahmen einer normalen Besprechung völlig sprengen. Die beiden Regisseure verarbeiten hier hunderte, vielleicht sogar tausende Trashfilme jeglicher Richtung und definieren das Genre noch mal ganz neu. Möglich, dass viele Zuschauer neugierig werden auf die alten Sleaze-Filme, dennoch werden die Klassiker auch weiterhin nur einem Randpublikum gefallen. Alleine die geballte Star-Präsenz und die ungeheuer cool gestylte Optik des Films könnte falsche Hoffnungen wecken, denn obwohl man sich wirklich um Authentizität bemühte, die moderne Coolness spricht aber dennoch eine andere Sprache ein Film von H.G. Lewis. Wer sich aber dennoch in die Untiefen des Trash-Kinos wagen will, der kann viel entdecken – vorausgesetzt man bringt die nötige Aufgeschlossenheit mit.

Fazit: Wer hier noch motzt hat nichts kapiert! Das sage ich mit allem nötigen Nachdruck, denn besser hätte man eine Hommage a die glorreiche Hochzeit des Exploitation-Films nicht gestalten können. „Grindhouse“ setzt sein einzigartiges Konzept stimmig um und lässt keinen Zweifel daran das Rodriguez und Tarantino zu den ganz Grossen gehören. Denn wer verschiedene Genres derartig tiefgehend begreift und ihnen mit eigenem Talent ein Denkmal setzt, der zeigt (wie Tarantino schon in allen seinen vorigen Werken) wie intensiv die Liebe zum Kino sein kann.

10 / 10, weil nicht mehr geht

Ach ja: Wer sich über die geizige und unverschämte Vermarktung der Filme Tarantinos ärgert darf sich dafür bei den marktstrategisch immer profitabel denkenden Weinsteins bedanken – die beiden Filme zu trennen raubt dem Konzept jedenfalls viel künstlerische Konsequenz und wird sich nicht positiv auf den Zuschauer auswirken…

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