Mitchell Lichtenstein ist der Sohn von Pop-Art Künstlerlegende Roy Lichtenstein und man muß beim Ansehen seines Regie-Erstlings konstatieren, daß er sich einiges vom Vater abgeguckt hat. Schon sein Filmtitel "Teeth" erinnert an die strahlendweißen Zähne der lächelnden Blondinen, die oft die Gemälde seines Vaters bevölkern, auch wenn hier anderer Zähne gemeint sind. Und ähnlich wie früher bei dessen comicähnlichen Pop-Art Werken polarisiert sein Film das Publikum in der Frage, ob es sich bei "Teeth" um ein trashiges Teenie-Filmchen oder ein bewußt plakatives und in der Charakterisierung vereinfachendes Kunstwerk handelt.
Bei genauer Betrachtung stellt sich die Frage gar nicht, denn Lichtenstein macht schon in der ersten Szene klar, wohin die Reise geht, als er die Kamera über blühende Baumwipfel zu zwei rauchenden Kraftwerk-Kühltürmen führt und von da zu einem nahegelegenen Bungalow, vor dem zwei Kleinkinder - Junge und Mädchen - in einem Planschbecken sitzen. Die beiden streiten sich und als er ihr "seins" zeigt und "ihres" sehen will, büßt er dafür mit einem blutig gebissenen Zeigefinger. Es zeigt sich bei den eilig herbeilaufenden Eltern, daß sie keine Geschwister sind, sondern das sich sein Dad und ihre Mom zu einer harmonischen Familie zusammen finden wollen...
Szenenwechsel, ungefähr 15 Jahre später. Die äußeren Umstände mit dem nahegelegenen Kraftwerk haben sich nicht geändert, aber aus dem glücklichen Familienleben ist nichts geworden. Sohn Brad (John Hansley) ist zu einem sexbesessenen Rüpel geworden, der sich in seinem Zimmer einen Kampfhund hält. Er hasst seinen Vater, interessiert sich nicht für seine totkranke Stiefmutter und belästigt seine Stiefschwester Dawn (Jess Weixler) mit sexuellen Anspielungen. Dazu fällt auf, daß er seine Freundin, mit der er den gesamten Tag im Bett rumhängt, immer nur anal nimmt - er scheint eine regelrechte Phobie gegenüber dem weiblichen Geschlechtsorgan zu haben.
Dawn dagegen engagiert sich bei der in amerikanischen Schulen verbreiteten Bewegung, sich für die Ehe aufzuheben und bis dahin keinerlei körperliche Berührungen mit dem anderen Geschlecht zuzulassen. Sie zeigt sich dabei als besonders überzeugendes Exemplar, das geschickt Reden halten kann und bei den in der Schulaula inszenierten Massenveranstaltung als Vorzeige-Jungfrau vom Lehrpersonal benutzt wird. Da sie auch besonders hübsch ist, provoziert das bei der nicht so überzeugten männlichen Jugend erst recht Ambitionen, sie vom rechten Weg abbringen zu wollen..
Aus dieser Ausgangssituation hätte man jetzt ein in der Tradition von "American Pie" daher kommendes Kommödchen machen können, doch die Gefahr besteht keine Sekunde, denn Lichtenstein ist viel zu direkt für dieses Ansinnen. Er hält sich nicht mit pubertierenden Fantasien und ausladenden Erfahrungen der meist gescheiterten Art auf, sondern kommt schnell zur Sache. Dabei ist er in jeder Hinsicht drastisch und nimmt kein Blatt vor den Mund, so daß "Teeth" nicht die Verlogenheit und versteckte Spießigkeit der scheinbar so "freizügigen Komödien" aufweist, bei denen für die freakigen Dinge immer nur die Außenseiter da sind, während die hübschen Menschen letztendlich in einer anständigen monogamen Beziehung landen. Außerdem verzichtet Lichtenstein völlig auf irgendwelche Sprüche und komische Situationen, sondern bleibt jederzeit ernsthaft in seiner Beobachtung, auch wenn er durch eine bewußt einseitige Haltung die geschilderten Ereignisse überzeichnet.
So begegnet Dawn bei einer ihrer Veranstaltungen Tobey. Beide verlieben sich auf den ersten Blick ineinander und sind zunehmend irritiert zwischen sexueller Anziehung und ihrem Willen, es nicht zulassen zu wollen. In diesen ersten Minuten des Film wirkt "Teeth" wie eine romantische Liebesgeschichte zwischen zwei pubertierenden Teenagern, sensibel und im Timing angemessen beobachtet. So landen sie beide in einer wunderschönen an einem kleinen See gelegenen Höhle, die in der Gegend für amouröse Begegnungen berühmt ist. Doch während sie noch in letzter Sekunde die Notbremse ziehen will, kann er nicht mehr gegen seine Triebe ankämpfen und vergewaltigt sie. Doch das bekommt ihm gar nicht, denn seine plötzlichen lauten Schreie zeugen davon, daß irgendetwas nicht nach Plan gelaufen ist und als dann sein abgetrennter Penis auf dem Höhlenboden liegt, stellt sich heraus, daß Dawn wohl noch an einer anderen Stelle über ein kräftiges Gebiss verfügt...
Lichtenstein läßt hier nichts aus, was die verklemmten und verlogenen sexuellen Ansichten seiner Landsleute verdeutlicht und provoziert damit bewußt. Die Darstellung des Sexualkunde-Unterrichts mit einem Lehrbuch, das zwar einen Penis zeigt, aber die Vagina mit einem riesigen sternförmigen Aufkleber verdeckt und einem Lehrer ,der nicht in der Lage ist ,ein Wort für das weibliche Geschlechtsorgan in den Mund zu nehmen, wirkt auf uns Europäer natürlich unfreiwillig komisch, ist aber nahe an der us-amerikanischen Realität. Doch Lichtenstein geht weit darüber hinaus, denn bei ihm kommen die Männer grundsätzlich schlecht weg, da es sich hier ,mit Ausnahme von Dawns Stiefvater, fast ausschließlich um Vergewaltiger und miese Typen handelt, die nur an ihren eigenen Vorteil denken.
"Teeth" wird fast ausschließlich aus Dawns Sicht erzählt und geht bewußt übertrieben mit den alltäglichen Ängsten von Frauen um. So begegnet Dawn bei ihrem ersten Besuch beim Frauenarzt genau dem Exemplar, vor dem frau am meisten graut. Nicht nur läßt er sie ständig auf dem Gynokologen-Stuhl herum rutschen, auch nimmt er keinerlei Rücksicht bei seiner Untersuchung ihrer Vagina, was dann mit dem Verlust einiger Finger bestraft wird.
Lichtenstein vermeidet trotz des expliziten Themas jegliche voyeuristische oder gar pornografische Darstellungen. Einzig das männliche Geschlechtsorgan taucht regelmäßig im Bild auf, doch wird ihm dabei immer übel mitgespielt. Dazu gibt es auch immer mal wieder verdutzte Männer zu sehen, die plötzlich unten ohne dastehen. Die Gore-Effekte gehen dabei nicht zu sehr ins Detail, erfüllen aber ihren plakativen Zweck.
Es handelt sich hier um ein klassisches B-Movie und den unbekannten Gesichtern ist es zu verdanken, daß man sich vorbehaltlos auf die Geschichte einlassen kann. Dazu schafft es Dawn, daß man sich mit ihr identifiziert, da ihre Verhaltensweise immer nachvollziehbar und nie übertrieben ist. So entsteht auch eine zunehmende Spannung, die letztendlich in einem Showdown mit ihrem Bruder kulminiert. Nur in der letzten Szene gleitet der Film in eine billige Frau-Mann-Auseinandersetzung ab, die vielleicht noch einen Lacher provozieren sollte, aber zum vorherigen Charakter des Films, der zwar immer von leichter Hand inszeniert ist, dabei aber nie vordergründig wirkt, nicht passt.
Fazit : Lichtensteins Erstlingswerk ist eine überzeugende Mischung aus Teenagerfilm, beißende Satire auf sexuelle Verklemmtheit, Rachefilm am männlichen Geschlecht und dezentem Horror. Dabei keineswegs vordergründig eine Komödie, aber oft in der Darstellung der surreal anmutenden Situationen beißend komisch.
In der Optik als B-Picture angelegt mit unbekannten Schauspielern und dezenten Gore-Effekten, bietet dieser Film, der in seiner sexuellen Sprache jederzeit direkt ist, eine Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten. Ob eher dezent als überzeichnete Darstellung der erwachenden weiblichen Sexualität in der Pubertät, ob als Umkehrung der überlegenen Position auf das weibliche Geschlecht, ob als Sezierung der gesellschaftlich verankerten sexuellen Verklemmtheit gerade gegenüber dem weiblichen Geschlecht oder einfach als Ausleben möglichst plakativer Fantasien sei jedem selbst überlassen, genau wie der Fakt, ob man daran Freude hat oder sich ärgert.
Der Film hat es verdient auch nach Deutschland zu kommen. Das er ins Kino kommt ist kaum vorstellbar, aber wenigstens in die Videotheken sollte er gelangen (9/10).