Sommer 1958: In einer amerikanischen Kleinstadt verbringt eine Gruppe Kinder unbedarft ihre Sommerferien. Für den 12 jährigen David (Daniel Manche) soll sich plötzlich alles auf den Kopf stellen, als er eines Tages beim Krebsfangen die 16 jährige Meg (Blythe Auffarth) kennenlernt, mit der er sich auf Anhieb sehr gut versteht. Wie sie ihm erklärt, sind sie und ihre kleine Schwester Susan (Madeline Taylor) nach einem tragischen Autounfall, der ihren Eltern das Leben kostete und Susan eine bleibende Lähmung einbrachte, in die Obhut von David's Nachbarin Ruth Chandler (Blanche Baker) übergeben worden. Ruth genießt unter den Kindern der näheren Umgebung eine besondere Beliebtheit, da sie die Kleinen stets rauchen und trinken lässt und sich zwar durchaus autoritär und herrisch, aber dennoch gänzlich anders als alle anderen Erwachsenen verhält. Als Meg und Susan zu ihr kommen, soll sich jedoch alles ändern.
Während sich zwischen David und Meg langsam eine zarte Liebe anbahnt, behandelt Ruth die beiden Mädchen bereits nach kurzer Zeit deutlich schlechter. Sie stellt ihre eigenen Söhne deutlich über die Mädchen und beginnt allmählich, in der jungen und zur Frau heranreifenden Meg eine Bedrohung ihres eigenen Status zu sehen. Fortan entlädt die dominante und gebieterische Frau all ihren Zorn auf Meg, die stets nur versucht, ihre gelähmte Schwester vor den unberechenbaren Attacken der Frau zu schützen. Als verbale Angriffe bald auf körperliche Übergriffe wechseln, ahnt Meg noch nicht, dass das Leiden für sie und ihre Schwester erst beginnen soll. Ruth geht alsbald voll in ihrer Machtposition auf und hetzt auch ihre eigenen, sowie die Kinder aus der Nachbarschaft gegen die in ihren Augen minderwertige Meg auf. Das 16 jährige Mädchen wird im Keller des Hauses eingesperrt und ist dort gefesselt der brutalen Willkür ihrer Pflegemutter, sowie den Nachbarschaftskindern ausgeliefert. Ein unvorstellbar grausames Verbrechen nimmt seinen Lauf...
Wir leben in einer Zeit, in der die Medien den Menschen Gewalt als etwas Natürliches verkaufen. Der Tod wird zu etwas Alltäglichem, mit dem uns die Schlagzeilen, Nachrichten und Unterhaltungsprogramme regelrecht überfluten und uns so konstant abstumpfen lassen. Nach und nach sind wir bereit, die schrecklichsten Geschehenisse nicht nur hinzunehmen, sondern sie regelrecht an uns abprallen zu lassen. Entführungen, Vergewaltigungen und Morde spielen sich schließlich immer nur irgendwo in der weiten Welt ab, man selbst bekommt derartige Tatsachen nur fragmenthaft ins Bewusstsein injiziert und hat so keinerlei Grund, die Schonungslosigkeit der Realität näher als unbedingt notwendig an sich herantreten zu lassen. Durch Filme wie "Saw" und "Hostel" wird es Regisseuren neuerdings auch ermöglicht, zum Mainstream zu sprechen und diesen durch immer härtere Gewaltexzesse im Medium Film langsam gegenüber medialer Gewalt abstumpfen zu lassen. Doch es gibt sie immer wieder, die inszenatorischen Meisterstücke, die die Gewalt zurück auf ihren Kern führen und sie den Menschen in all ihrer Hässlichkeit in die Erinnerung drängen. Filme wie beispielsweise Michael Haneke's "Funny Games" oder Gaspar Noé's "Irreversible" unterliegen nicht der Unterhaltung, sie sollen wachrütteln und schockieren, gegebenenfalls mit äußerstem Nachdruck. 2007 erschien ein weiterer Film, auf den sich eine derartige Umschreibung nahtlos übernehmen ließe und der in seinem Willen zur Grenzüberschreitung bei vielen Zuschauern auf Ablehnung oder Protest stoßen dürfte. Die Thematik von "Jack Ketchum's Evil": Kindesmisshandlung in ihrer drastischsten Form.
Der Film behauptet von sich, auf wahren Begebenheiten zu beruhen - was in diesem Fall, im Gegensatz zu unzähligen anderen Beispielen, bei denen diese Werbe-Tagline einfach nur mehr Käufer anlocken soll, traurigerweise stimmt. "The Girl Next Door", so der Originaltitel des Films, ist die Adaption des gleichnamigen Romans des US-Schriftstellers Jack Ketchum, der darin tatsächliche Ereignisse aufgriff, die sich so im Jahre 1965 in Illinois abspielten. Nachdem ihre Eltern starben, kamen Sylvia Marie Likens und ihre Schwester Jenny damals in die Obhut von Gertrude Baniszweski. Die psychisch kranke Frau, die bereits viele eigene Kinder zu versorgen hatte, entlud bald ihre ganze Frustration auf die beiden Mädchen, besonders auf die 16 jährige Sylvia. Das Mädchen wurde in den Keller gesperrt, wo sie alsbald entsetzlichen Qualen und Torturen ausgesetzt wurde. Gemeinsam mit ihren eigenen Kindern und weiteren Jungen und Mädchen aus der Nachbarschaft quälte Baniszewski die hilflose Sylvia aufs Brutalste, malträtierte das Mädchen mit Schlägen, Tritten, heißen Nadeln und zwang sie sogar, Kot zu essen und sich eine Glasflasche vaginal einzuführen. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch starb Sylvia im Oktober 1965 an den Folgen der Folter. Der Fall sorgte nach seiner Aufdeckung für einen landesweiten Aufschrei der Fassungslosigkeit, es kam die Frage auf, wie sich ein derart schreckliches Verbrechen abspielen konnte, ohne dass jemand Verdacht geschöpft hatte.
Ketchum's Roman hält sich zwar durchaus eng an diese Tatsachen, nimmt jedoch auch einige Änderungen vor und transportiert das Geschehen zurück ins Jahr 1958. Aufgrund des kontroversen Inhalts galt der Stoff natürlich lange Zeit als unverfilmbar, bis sich der Filmemacher Gregory Wilson des Romans annahm und ihn wohl in genau der richtigen Zeit in den Kasten brachte. Während ein Großteil des Publikums mittlerweile langsam derart gegenüber medialer Gewalt abgestumpft ist, wird es bei "Jack Ketchum's Evil" wieder an seine Grenzen geführt - selbst die hartgesottensten Allesseher oder Horrorfreaks dürften ihre Probleme damit haben, diesen überaus eindringlichen Film ohne ein zutiefst mulmiges Gefühl in der Magengrube zu überstehen. Für den unbedarften oder gar zart besaiteten Filmkonsumenten hingegen ist das hier Gezeigte aber auf alle Fälle ungeeignet, da Gregory Wilson sein Publikum mit Bildern konfrontiert, die dieses so schnell nicht wieder abschütteln können werden.
Und dabei beginnt alles so harmlos. "Jack Ketchum's Evil" versetzt uns zurück in das Amerika der 50er, dessen Flair der Streifen sehr glaubhaft einzufangen vermag. Helle, freundliche Farben, gepflegte Vorstadtgegenden und schöne Naturidyllen vermitteln das Flair einer unbeschwerten Kindheit, keine Verunreinigungen scheinen dieses Bild zu kontrastieren. Der Zuschauer lernt einige Kinder kennen, die gerade an der Schwelle zur Pubertät stehen und langsam die eigene Sexualität entdecken, was sich in, bis dato harmlosen, Wahrheit oder Pflicht Spielen im Wald äußert. Es scheint eine normale, eine geschützte Welt zu sein, in der diese Kinder aufwachsen, geleitet von den gefestigten Moralvorstellungen ihrer Eltern. Die in der ganzen Nachbarschaft bekannte Ruth Chandler stellt dazu jedoch einen Kontrast dar. Sie, eine Frau in ihren vierzigern, ist Anlauf- und Treffpunkt der Kinder aus der Nachbarschaft und bietet ihnen Gelegenheit, den Regeln ihrer Eltern zu entfliehen. Ruth raucht, trinkt und flucht selbst, nimmt vor den Kindern kein Blatt vor den Mund und macht aus ihren Launen keinen Hehl. Die Frau ist für die Kinder Vorbild und Autorität in einem.
Schnell nimmt das anfangs farbenfrohe Gesamtbild einer heilen Welt die Grundzüge eines Dramas an. Die 16 jährige Meg, die mit ihrer gehbehinderten Schwester bei Ruth zur Pflege untergebracht ist, wird schnell immer fieseren Schikanen ihrer Ziehmutter ausgesetzt. Es entwickelt sich eine gefährliche Gruppendynamik gegen das neue Mädchen, die unbescholtene und gutmütige Meg wird nicht nur zur Zielscheibe Ruth's, sondern auch deren Kinder und kindlicher Anhänger. Nach und nach wird dem jungen Mädchen jegliche menschliche Würde genommen, sie wird als dreckige und wertlose Schlampe deklariert, die fortan im Zentrum der Verachtung steht. Das Publikum verfolgt das Geschehen bereits gebannt, aufgebracht, kann nur versuchen, sich eine Erklärung für das Geschehen auszumalen. Was treibt Menschen dazu, einem anderen jegliche Würde abzusprechen und sich als scheinbar übermächtige Kraft über diesen zu erheben?
Sobald Meg in den Keller gesperrt wird, nimmt "Jack Ketchum's Evil" Formen der Diabolität und absoluten Menschenverachtung an, gegen die Streifen wie der bereits genannte "Hostel" und ähnliche Folter-Spielereien wie lächerliche Kinderunterhaltung wirken. Gregory Wilson fährt ein wuchtiges Brett an schmerzenden, menschlichen Abgründen auf, die einen unvorbereitet an einem wunden Punkt treffen, so manchen Zuschauer vollkommen verstört zurücklassen werden. Der Unterschied zu derzeit grassierenden Sado-Horrorfilmen liegt auf der Hand: Während diese durch immer brutalere Gewalt-Wettbewerbe langsam an Glaubwürdigkeit einbüßen, wird einem hier nichts anderes als die Realität vorgeführt. Keine blutigen Gore-Schlachtereien. Stattdessen ein junges Mädchen, das tagelang nackt in einen Keller gefesselt und dort von einer fanatischen Frau, sowie den Nachbarskindern gequält, verletzt, erniedrigt und vergewaltigt wird. "Jack Ketchum's Evil" geht dabei nie so weit, gezielt auf ausufernde Gewalt zu setzen, vielmehr deutet er die grausamensten Geschehenisse, wie das Verstümmeln weiblicher Genitalien mit einem Bunsenbrenner, lediglich an und lässt sie somit im Kopf des Zuschauers abspielen. Doch gerade damit erreicht Gregory Wilson das eigentliche Ziel: Manch einer wird bei dem Gezeigten mit den Tränen kämpfen, viele andere mit dem Gedanken spielen, den Film abzubrechen und der Tortur eine Ende zu bereiten. Gleichzeitig verbreitet "Jack Ketchum's Evil" jedoch auch eine unglaublich intensive Sogwirkung, die einen bis zum bitteren Ende an die grausame Geschichte fesselt.
Dieser Film provoziert, schockiert und wird den meisten noch lange nachgehen. Dennoch wäre es falsch, die mitunter negativen Gefühle, die dabei entstehen können, gegen den Film selbst zu richten. Bedacht werden sollte dabei, dass es sich hierbei um nichts anderes als die Verfilmung einer wahren Tat handelt, was wieder einmal beweist, dass das Leben selbst die grausamsten Geschichten schreibt. Filme wie "Jack Ketchum's Evil" erinnern uns daran, dass es sich nicht nur um irgendwelche Namen handelt, wenn in den Nachrichten mal wieder von entführten Kindern zu hören ist, sondern um Menschen, deren Leben durch ein kleines Ereignis für immer aus der Bahn geworfen und zerstört wird. Der Streifen zeigt dabei nichts anderes als eine schonungslose Nahaufnahme eines derartigen Missbrauchsopfers, dem wir innerhalb von 90 Minuten durch ihre schreckliche Tortur folgen und dabei wohl nur erahnen können, wie in derartiges Gefühl über Stunden, Tage oder Wochen ausgebreitet wirken mag.
Aus rein inszenatorischer Sicht ist dabei nichts zu bemängeln. Der Filmcrew stand offensichtlich kein immens hohes Budget zur Verfügung, dennoch stört man sich daran zu keinem Zeitpunkt. "Jack Ketchum's Evil" baut eine wesentlich intensivere Atmosphäre als viele ähnlich gelagerte Machwerke seiner Art auf und braucht dazu auch keine Starbesetzung. Blythe Auffarth, bekannt aus vielen Serien, schafft es, die Leiden der hilflosen Meg absolut glaubhaft erscheinen zu lassen und reißt sofort die Sympathien des Publikums an sich. Sie ist das typische heranwachsende Mädchen, das der Gewalt, die ihm plötzlich entgegengebracht wird, nichts entgegenzusetzen hat und bei allem nur den Schutz ihrer kleinen Schwester im Sinn hat. Dem gegenüber steht Blanche Baker, die mit ihrem Charakter Ruth ein absolutes Monster schuf, dem man irgendwann nur noch mit Hass begegnet. Obwohl ein großer Teil des Casts aus Kindern oder Jugendlichen besteht, machen alle ihre Sache sehr souverän und überzeugend.
Das Drama "Jack Ketchum's Evil" entführt den Zuschauer zu einem absolut intensiven und verstörenden Horrortrip, dem man zuerst nur mit Fassungslosigkeit begegnen kann und das auf jeden Fall einer Aufarbeitung des Gesehenen bedarf. Der Film überschreitet, vor allem dadurch, dass die darin gezeigten Schandtaten und Gewaltakte an Kindern ausgeübt und von diesen durchgeführt werden, viele Grenzen und Konventionen und dürfte so manchen an dessen persönliche Grenze des Zumutbaren führen. Gregory Wilson schafft es, eine unheimlich beklemmende und zugleich spannende Spirale des Abstoßenden und Provokanten so zu zeigen, dass man dem Film für seine grundehrliche Überlieferung einer wahren Tat nur Respekt zollen kann. Wer mit starken Nerven ausgestattet ist, sollte "Jack Ketchum's Evil" definitiv eine Chance geben.