Review

VORSICHT! Dieses Review enthält Spoiler!

Wirklich, wirklich schade! Hat eigentlich wirklich irgendjemand hier das Buch zuvor gelesen? Wenn ja, wie kommt es dann zu derart ausufernden Lobeshymnen?
Vor etwa fünf Wochen habe ich zufällig am Bahnhofskiosk Ketchum´s „Girl next door“ gefunden, und war nach dem ersten Drittel dermaßen gepackt und schockiert, dass ich das Buch nicht mehr weglegen konnte. Das Buch hatte diesen seltenen Autounfall-Effekt, also dass man zwar angewidert ist, aber dennoch hinschauen bzw. in diesem Fall weiter lesen muss. Bei der Recherche im Netz zu weiteren Büchern Dallas Mayrs (so der Name, der sich hinter dem Pseudonym Ketchum versteckt) und den wahren Hintergründe, stieß ich dann auf die Verfilmung. Meine Erwartungshaltung wurde umso mehr gesteigert, als sich keine Videothek in meiner Nähe meines Wunsches annahm, diesen Film ins Sortiment mit aufzunehmen.

Also wartete ich ein paar weitere Wochen um mir dann letztendlich den Film, von Gallileo-Medien mit einem ziemlich übertrieben reißerischen Cover und dem dämlichen deutschen Titel „Evil“, kaufen zu können. Doch meine Erwartungen wurden so sehr enttäuscht wie kaum jemals zuvor.

Klar, die Darsteller machen ihre Sache gut (was man von der dt. Synchro mal wieder nicht behaupten kann, vor allem Susan klingt unheimlich schwach), Blythe Auffarth mag etwas zu alt sein, aber Blanche Baker kommt der Ruth in meiner Vorstellung schon extrem nah.
Der Soundtrack geht ok, allerdings hätte ich mir ob des 50-er Jahre Szenarios etwas mehr zeitgenössische Musik gewünscht, anstatt des normalen Scores (ich erinnere hier mal an den grandiosen „Stand by me“). Die Kameraarbeit ist für einen lower-budget-flick auch angemessen, wenn auch nicht immer passend. Dennoch von dieser Seite gibt es kaum etwas zu meckern.

Nun jedoch zur Umsetzung des Buches, und die ist schlichtweg mies. Ich verstehe ja, das einige Szenen herausgenommen bzw. nur angedeutet wurden. Ich möchte auch nicht sehen, wie ein junges Mädchen mit einer Flasche vergewaltigt oder anuriniert wird. Nur verlieren die ständig gesteigerten Grausamkeiten so einiges an Wirkung. Das Buch (ebenso wie der reale Fall) ist nun mal grausam. Entweder ich gehe als Regisseur bei einer solchen „Skandal-„Verfilmung aufs Ganze, oder ich verzichte eben auf eine Umsetzung des Werks.Eigentlich schon zu Beginn bezeichnend, dass der Vergleich des erwachsenen David sich nur auf ein Beispiel von Schmerz bezieht. Er erzählt hier davon, dass seine Exfrau einmal zwischen zwei streitende Katzen geriet, die ihr schmerzhafte Wunden beibrachten. Er sagt dann, sie habe keine Ahnung von Schmerzen … . Im Buch jedoch bringt er ein weiteres Beispiel, von dem er behauptet auch dieses käme dem Schmerz, den er (zumindest) mit ansehen musste, nur näher, wäre aber immer noch nicht vergleichbar. Doch bei diesem Beispiel geht es nicht um keifende Katzen sondern einen grauenhaften Autounfall.Die Grausamkeiten im Film mögen vll. einen „catfight“ toppen. Die psychische und physische Gewalt toppen aber tatsächlich einen Autounfall (und der im buch beschriebene ist tatsächlich furchtbar). Klar hat man Mitleid mit der kleinen Meg, natürlich ist das alles furchtbar und widernatürlich. Doch wirklich anzuwidern, dem Zuschauer ein schales Gefühl in der Magengegend zu verschaffen – das gelingt dem Film so gut wie nie.Auch der junge David kommt viel zu gut weg. Schon kurz nach dem Beginn von Megs Folter ist David skeptisch und wenig später ablehnend. Seine kritischen Kommentare und seine Verweigerungshaltung strafen den Taten im Buch lügen. Anfangs beteiligt sich David nämlich an den (zugegeben noch harmlosen) Foltermethoden. Bis zum letzten Viertel ist David fasziniert von der Gewalt, lässt sich von der gefesselten, nackten Meg in seinen Träumen verfolgen (und ich meine erotische Träume). Sein Wandel, Meg nicht mehr als Ding, als Sache anzusehen, sondern als hilflosen gepeinigten Menschen – der vollzieht sich erst – makaber, makaber, als eben Meg (und da komm ich wieder auf das Problem des Szenenauslassens) von oben bis unten mit Urin vollbesudelt, mit Kot gefüttert sämtliche erotischen Reize verloren hat. Dieser erotische Reiz, der entsteht natürlich auch aus Megs Stärke, aus ihrer heldenhaften Ablehnung Ruths, aus ihrer – vielleicht psychologische wichtigen - Fähigkeit die ganzen Grausamkeiten stark zu erdulden, immer in der Hoffnung, das Ganze müsse doch irgendwann aufhören. Davon ist im Film kaum etwas zu spüren. Hier ist sie nur das wimmernde Opfer, nicht die bewundernswerte Meg. Dabei macht doch gerade das den Hass aus den Ruth und die Kinder ihr gegenüber empfinden. Sie wollen ihre Stärke, ihren Stolz brechen. Im Film ist davon nichts zu spüren.Und nun zum größten Ärgernis: Das völlig verhunzte Ende. Wie war das noch im Buch? Da starb Ruth tatsächlich durch den jämmerlichen Ausbruchsversuch Davids, Susans und Megs? Und die Polizei war rechtzeitig da um noch ihren Tod festzustellen? Hä!??! Nicht nur, das es extrem unlogisch ist, das Mr. Cop sich hier keine Sekunde um die halbtote Meg kümmert – um dann David die letzten Atemzüge mit ihr allein verbringen zu lassen, nein, „Girl next door“ ging dann doch etwas anders aus. Ja, natürlich stirbt Meg. Aber eben, weil der Ausbruchsversuch NICHT funktioniert hat. David wird überwältigt und Meg von Ruth so oft mit dem Kopf gegen die Mauer geschlagen bis sie zuckend und wimmernd am Boden liegt. Bis Meg dann stirbt dauert es weitere 24 Stunden. 24 Stunden in denen David ihre Hand hält (um sie daran zu hindern, ihre Wunden apathisch immer wieder aufzureißen) und ihr gut zuredet. Als die Polizei endlich eintrifft ist Meg längst tot und Ruth stirbt dann doch 1. überraschender und 2. anders als im Film. Das ihre boshaften Entschuldigungen warum sie Meg so gequält hat fehlen, sei nebenbei auch erwähnt. Was aus den „lieben Kleinen“ geworden ist erfahren wir dann abschließend eben sowenig (böse Moral, nämlich das nach jahrelangen – aber viel zu geringen Haftstrafen – mindestens einer der Jungs schon angefangen hat, so weiter zu machen, wie Ruth), wie über Davids weiteres halbtotes Leben voller Alpträume und der Unfähigkeit eine gesunde Beziehung zu Frauen aufzubauen. Das plus die weiteren unter den Tisch gefallenen Kleinigkeiten (etwa Ruths Grausamkeiten an der kleinen Susan, die durch ihre körperliche Beeinträchtigung noch mehr schockieren als die an Meg, aber auch die Charakterisierung der Kinder aus der Nachbarschaft, von denen einige wirkliche Psychopaten sind) lassen für mich diesen Film zur größten Enttäuschung des bisherigen Jahres werden.

Wie gesagt, JA ich wollte Vieles von dem im Buch (übrigens auch nicht exploitativ) beschriebenen sehen, nur wer sich eines solchen Themas annimmt, muss nun mal Mut haben. Ganz oder gar nicht heißt die Devise. Zumal das grausame Ende durch einen Bunsenbrenner extremer gestaltet wurde als im Buch – also was jetzt ?! Bin nun gespannt auf „An american crime“, der ja ab 16 ist, aber das gleiche Thema hat – soll heißen, die Bewertung der Filmprüfstelle müsste doch gleich ausfallen, denn Kinder sind auch hier involviert.Bitte lasst mich nicht wieder im Stich!

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