„Opera" von Dario Argento ist angesichts des Erscheinungsjahres 1987 eine sehr späte Variation des italienischen Giallos und wird oftmals als eines der letzten Highlights des Meisters der bildgewaltigen Genrebeiträge gesehen.
Für mich stellt dieser Film tatsächlich einen sehr beispielhaften Beitrag des Regisseurs dar, der allerdings bereits sehr ausgeprägt die negativen Aspekte seines Schaffens beinhaltet, die in Folge zu einem qualitativen Abstieg seiner Filme führen sollten. Die Vernachlässigung narrativer Strukturen zugunsten ästhetischer Programmatik macht sich bei „Terror in der Oper" schon sehr deutlich bemerkbar und auch der deutsche Titel verdeutlicht schon, wie hierzulande Argentos Werk als schlichter Bestandteil des kruden italienischen Kinos gesehen wird, das mit Schock, Blut und Effekthascherei seit spätestens Ende der Siebziger nur noch auf auf Zelluloid gebannte Triebbefriedigung reduziert wurde. Der betitelte Terror manifestiert sich hier bereits lange nach dem Zenit des Giallios als Mörder mit schwarzen Lederhandschuhen, hier zusätzlich mit Frischhaltefolie ummantelt, der einer jungen und gar nicht so aufstrebenden Opernsängerin nachstellt und seine schäbigen Spielchen mit ihr spielt.
Der Beginn, interessant aus der Perspektive einer klischeehaft nervigen und tyrannischen Diva gefilmt, erinnert nicht von ungefähr an den Klassiker „Das Phantom der Oper", von dem sich Argento aber weiter und weiter entfernt, so dass man allenfalls von einer sehr freien Umsetzung des Stoffes reden kann. So frei, dass Argento selbst 11 Jahre später den Stoff dann werkgetreuer verfilmen konnte.
So wie der Anfang gibt es dann immer wieder interessante Perspektiven, Motive und Sets zu bewundern, was dann auch der hauptsächliche Grund für den positiven Ruf des Films sein dürfte. Die Operninszenierungen und natürlich die Mordszenen sind handwerklich kreativ und nahezu durchgehend ansehnlich gestaltet und können so auch fesseln, während das Drehbuch und die grundsätzliche filmische Idee den Zuschauer auf der Ebene der Narration teils mit großer Vehemenz alleine lassen. Dieses Phänomen ist allerdings nur allzu bekannt und viele italienische Genrefilme weisen logische Brüche oder zumindest erzählerische Lücken auf, da sie sich nahezu gänzlich auf die Klaviatur der Genrekoventionen und eben das ausufernde Bedienen derselben konzentrieren. Aber wenn der aufmerksame Zuschauer permanent mit variantenreichen Spannungssequenzen konfrontiert wird, wünscht er sich doch eine alles zusammenhaltende Spannungskurve, die an einen durchgehenden roten Faden gebunden ist.
In „Opera" fehlt dieser nahezu allein dadurch, dass die Protagonistin sich permanent unerklärlich verhält und von einer Situation traumwandlerisch in die nächste taumelt, ohne einer erkennbaren Figurenpsychologie zu folgen. Addiert man nun die Überästhetisierung der einzelnen Sequenzen hinzu, bildet sich dabei eine (alb)traumhafte Atmosphäre, die jederzeit vermuten lässt, alles wäre nur Einbildung oder eben ein Traum. Man bezweifelt konkret das Wahre des Geschehens und befürchtet gewissermaßen eine Beliebigkeit, die dem Film einfach viel an Spannung nimmt. Thriller und die nächsten Verwandten funktionieren immer dann, wenn ein gewisser Naturalismus vorhanden ist. Diesen scheint Argento hier schon beinahe zu verteufeln, so dass man dann beinahe enttäuscht ist, wenn die Auflösung des Ganzen nichts Übernatürliches bereithält und das Publikum mal wieder mit einer ebenso hanebüchenen wie schnöden Psychologiseriung des Täterhandelns abspeist. Das ging in den Siebzigern noch eher durch, aber selbst "Vier Fliegen auf grauem Samt" wirkt hier im Vergleich durchdachter.
Ebenso unverzeilich wie das Ignorieren narrativer Standards ist die Komposition von Bild und Ton. Während das Bild gänzlich sich selbst verschrieben ist, wenngleich ich dabei der Optik eine zu ausgeprägte Videoästhetik vorwerfen würde, bricht Argento mit dem Einsatz von Metalsongs jede weitere Geschlossenheit ästhetischer Konzeption, so dass man den Eindruck einer unbeabsichtigten Bild-Ton-Schere hat. Auf der auditiven Ebene wird somit noch mehr verhunzt als es nötig gewesen wäre und mit klassischen Kompositionen hätte man hier und da noch etwas retten können. Aber wenn die Protagonistin nach dem erzwungenen Bezeugen eines brutalen Mordes anstatt die Polizei aufzusuchen und sich selbst in Sicherheit zu begeben durch das nächtliche und sehr belebte Rom stolpert, sich als Zeichen ihres aufgeschreckten Zustands dabei immer wieder an den Kopf fasst und dabei eine zeitgenössische Metalband läuft, dann ist es ganz offensichtlich: Eine Geschichte wollte Argento hier wohl nicht erzählen. Und man sollte es doch eher lassen, auf hochintellektueller Ebene aus diesem konfusen und nicht nachvollziehbaren Quatsch noch etwas herausinterpretieren zu wollen, das über das reine (und hier misslungene) Spiel mit Ästhetik hinausgeht.
Fazit
Argentos Ansatz, sich nach dem Ausflug in übernatürliche Horrorwelten wieder dem bodenständigeren Thriller widmen zu wollen, scheitert an einem in sich zu brüchigen Konzept. Er behält eine Visualität bei, die seltsam entrückt erträumte Welten zu öffnen scheint und stets das Abwegige und den Horror vermuten lässt, aber bettet dies in eine viel zu lose Erzählung ein, die schon fast als Zeichen der Verachtung cineastischer Grundregeln verstanden werden muss. Keine der Figuren verhält sich ansatzweise nachvollziehbar, so dass einem diese auch vollkommen egal sind und Spannung gar nicht erst aufkommen kann.
Bei alledem liefert Argento aber durchaus reizvolle Sequenzen und beeindruckende Bilder, die folglich aber leider für sich stehen müssen, da sie keinen entsprechenden Rahmen finden, der ihnen mehr als den Eindruck der reinen Selbstzweckhaftigkeit zukommen ließe.
So muss ich für mich „Opera" bedauerlicherweise trotz der unbestreitbaren Qualitäten als gescheiterten Versuch sehen, dem italienischen Genrekino einen bedeutenden Beitrag zu ergänzen. Dafür hätte es einfach ein besseres Drehbuch gebraucht.
Argento mag ein begnadeter und visionärer Erschaffer von Bilderwelten sein - ein guter Erähler ist er nicht. Und somit erfüllt er auch nur einen Teil eines guten Filmemachers. In Folge sollten dann aufgrund von schrumpfenden Budgets seine Möglichkeiten des virtuosen Bebilderns stetig eingeschränkt werden, was dann in logischer Folge zu den entsprechenden Ergebnissen führte.
Für mich markiert „Opera" also weniger einen letzten Geniestreich als vielmehr den Anfang vom Ende Argentos, der sich leider nicht von der Abwärtsspirale des italienischen Kinos seit dem Ende der Siebziger lösen konnte, aber zumindest noch interessante Beiträge ablieferte, als alle anderen bereits schon filmischer Triebbefriedigung nachgingen.