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An einer großen, italienischen Oper soll demnächst das Stück Macbeth aufgeführt werden. Als die Diva Cecova, die ursprünglich für die Hauptrolle vorgesehen war, eines Tages aufgrund der Arbeitsverhältnisse die Flucht ergreift und auf der Straße von einem Auto überfahren wird, muss dringend Ersatz gefunden werden. Die Wahl der Verantwortlichen fällt dabei sofort auf das junge Nachwuchs-Talent Betty (Cristina Marsillach). Diese zögert zuerst, die Rolle anzunehmen, da sie sich vor dem Fluch fürchtet, der angeblich auf dem Stück lasten soll. Doch trotz ihrer Bedenken wird die Aufführung zu einem großen Erfolg und sie selbst über Nacht zu einem umjubelten Star. Einziger Wermutstropfen ist die Tatsache, dass sich während des Stückes ein Scheinwerfer wie von selbst aus der Verankerung löste und beinahe ins Publikum krachte und zudem eine Leiche gefunden wurde - vom Mörder jedoch fehlt jede Spur.

Kurz darauf kommt es zu einem weiteren, unerklärlichen Zwischenfall. Ein Fremder hat sich Zutritt zu dem Requisitenabteil der Oper verschafft und dabei nicht nur zahlreiche, für die Aufführung benötigte Raben getötet, sondern auch Bettys Opernkleid zerschnitten. Dieses Ereignis ist jedoch nur der Auftakt für eine Reihe grausamer Ereignisse, in die Betty fortan direkt involviert wird. Am selben Abend dringt ein Unbekannter in ihre Räumlichkeiten ein, fesselt sie und heftet ihr eine Nadel-Vorrichtung unter die Augen, die sie daran hindert, ihre Augen zu schließen. Daraufhin muss die junge Frau mit ansehen, wie ihr Freund von dem Eindringling bestialisch abgeschlachtet wird. Sie selbst wird daraufhin von ihm freigelassen und flieht, kann jedoch nicht verhindern, dass in der darauf folgenden Zeit weitere, scheußliche Morde geschehen, die alle nach dem selben Schema ablaufen. Wer steckt hinter den Taten? Gemeinsam mit dem Polizisten Alan Santini (Urbano Barberini) macht Betty sich daran, den Mörder zu entlarven und muss erkennen, dass dessen Taten unweigerlich mit ihrer eigenen Vergangenheit verknüpft sind...


Von vielen Fans wird Dario Argentos "Opera" als sein letztes, großes Werk betrachtet, während einige darin schon einen langsamen Qualitätabstieg erkennen wollen, der sich in späteren Produktionen leider noch viel deutlicher abzeichnet. Fakt ist, dass "Terror in der Oper", so der geläufige deutsche Titel, in der Tat das Ende einer Ära des legendären, italienischen Kult-Regisseurs einläutete. In diesem Werk vereinte der Meister des Giallo noch einmal alle Trademarks, die ihn über die Jahre so unverwechselbar werden ließen, was dem Werk oftmals eine Nennung im selben Atemzug mit Titeln wie "Suspiria" oder "Deep Red" einbringt. Nach "Opera" verschlug es Argento kurz darauf in die USA, wo er zwar weiterhin solide Werke auf die Beine stellte, dabei aber immer mehr seinen klassischen Stil aufgab, den seine Verehrer so an ihm schätzen.

Dem Horrorfilmfan ist es unmöglich, auf Dauer an "Opera" vorbeizukommen, da hier mit Recht einer der Klassiker des Genres vorliegt. Zwar erreichte Argento hiermit nicht mehr ganz die Klasse von Werken wie "Tenebrae" oder "Phenomena", dennoch weiß das Werk insgesamt doch zu überzeugen. Wer "Opera" im Übrigen für eine Neuerzählung des klassischen "Phantom der Oper"-Stoffes hält, der täuscht, da das Werk eine eigenständige Geschichte erzählt, die viele Merkmale eines Giallo aufweist und nur am Rande an den vielfach neu interpretieren Roman von Gaston Leroux erinnert. Erst 11 Jahre später, im Jahr 1998, erschien mit "Dario Argento's Das Phantom der Oper" die eigentliche Auseinandersetzung des Italieniers mit der Thematik.

Schon in "Opera" boten sich Argento umfangreiche Möglichkeiten, sein Verständnis für visuelle Ausdruckskraft vielfältig umzusetzen, denn das im Film zu sehende Opernhaus ist nahezu ideal für die vielen optischen Spielereien des Regisseurs. Eindrucksvolle Kamerafahrten durch die riesige Oper lassen den Zuschauer bereits nach wenigen Minuten staunen und sind über den ganzen Film hinweg verteilt. Besonders eindrucksvoll bleibt dabei die Szene in Erinnerung, in der das Geschehen kurzzeitig aus der Sicht eines Raben stattfindet, der unter der Decke des Opernhauses seine Runden kreist, während sich das Publikum unterhalb in regelrechter Panik befindet. Was in einem Argento weiterhin natürlich ebenso wenig fehlen darf, sind die obligatorischen Perspektiven des Mörders, die hier ebenfalls für einige hochinteressante und geradezu intensiv-spannende Kamerafahrten sorgen.

Die Story an sich ist durchaus annehmbar, wenngleich unlängst bekannt sein dürfte, dass das Erzählen einer Geschichte noch nie zu den Stärken Argentos gehörte. Im Falle von "Opera" greift sich der Regisseur da selbst unter die Arme und entwickelt mit einer Mischung aus inszenatorischer Brilianz und intensiver Gewalt einen derartigen Sog, unter dem die Story schnell zu einer zweitrangigen Angelegenheit wird. Sonderlich viele, langweilige Passagen sind in dem Werk zwar nicht zu verzeichnen, doch in punkto Spannung haben die Gewaltszenen stets die Nase vorn, die eigentliche Story verliert sich dabei gerne mal in etwas unbeholfenen Dialogen. Wenn es dann aber mal zur Sache geht, dann lässt Argento seine typische Härte keinesfalls vermissen und geht mal wieder aufs Ganze. Besonders die "Augen-Falle", bei der Betty jeweils eine Reihe rasiermesserscharfer Nadeln unter beiden Augen befestigt wird, hat es regelrecht in sich und sorgt für mehrere, beinahe schon physisch schmerzvolle Sequenzen für den Zuschauer. Doch auch davon abgesehen geht es hier mit anderweitig ausgerissenen Augen und extrem blutigen Messermorden nicht gerade zimperlich zu, weshalb filminteressierte Menschen mit schwachen Nerven dieses Werk wohl eher meiden sollten.

Neben den optischen Leckerbissen (ein weiteres Highlight ist die Szene, in der eine Frau durch ein Schlüsselloch erschossen wird und der Zuschauer den exakten Weg der Kugel verfolgen darf) überragt natürlich, wie gewohnt, die musikalische Untermalung. Prächtige, orchestrale Stücke geben dem Geschehen eine ungemein fesselnde Atmosphäre und könnten treffender nicht gewählt sein. Einziges Ärgernis sind die Metal-Stücke, die Argento teilweise für gewisse Szenen auswählte und die, wie schon bereits in seinen vorangegangenen Werken, mehr als unpassend wirken. Einigen Leuten mag das konträre Verhältnis zwischen Klassik und Rock in Argentos Werken zwar als kunstvolles Stilmittel erscheinen, doch Fakt ist, dass diese Stücke in keinerlei Hinsicht in den Gesamtkontext passen wollen und den Szenen jede Atmosphäre nehmen. Die Schauspieler bringen ihre Rollen dafür zumindest großteils gut rüber. Gerade Cristina Marsillach wurde für die Hauptrolle genau richtig besetzt und spielt die verängstigte Betty überaus nachvollziehbar und realistisch.


"Terror in der Oper" oder auch "Opera" ist nicht das beste Werk Argento's, doch eines der letzten, großen Erzeugnisse des italienischen Giallo hat man hier auf jeden Fall vor sich. Der Film vereint gekonnt Stilmittel dieses Genres mit den gewohnten Tademarks des Kult-Regisseurs und macht daraus, vor der opulunten Kulisse einer Oper, einen durchaus faszinieren, sehenswerten und für Fans unverzichtbaren Film. Einige Mankos sind dabei allerdings schon zu nennen, so ist aus Argento über Nacht natürlich noch immer kein fabelhafter Geschichtenerzähler geworden und desweiteren ist die Auswahl der Rockmusik noch immer nicht ganz nachvollziehbar. Horrorfans, die mal wieder einen richtigen Klassiker des Genres sehen wollen, soll dies aber nicht daran stören, diesem Werk auf jeden Fall eine Chance zu geben.

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