Dario Argento’s Opera
Mit „Suspiria“, „Phenomena“, „Profondo Rosso“, „Inferno“ und „Tenebrae“ habe ich nun die bekanntesten und wohl bedeutensten Filme Dario Argento’s gesehen und jener ist für mich kein Mysterium mehr. Die Stärken und Schwächen dieses Regisseurs scheinen unumstößlich und so stellte ich mich auch auf diese ein, als ich seinen ebenfalls hochgelobten Giallo „Opera“ in meinen DVD-Player legte.
Ich habe längst nicht alle Argento Filme gesehen, dennoch wage ich die Behauptung, dass Opera wohl der edelste von ihnen, zumindest von den oben genannten ist. In Sachen Optik gibt es nur wenige, die Argento die Stirn bieten können. Zwar ist „Opera“ keine filmische Farbbombe wie „Suspiria“, dafür hat Argento zumindest im Vergleich zu den oben genannten nie bessere Kamerafahrten und Einstellungen abgeliefert. In dieser Hinsicht kann sich „Opera“ schon fast mit den ganz großen Epen aus der amerikanischen Filmindustrie messen.
Mal gleitet die Kamera majestätisch durch die Luft und fliegt aus der Perspektive eines Raben quer über die Köpfe der Zuschauer im riesigen Opernsaal, mal nimmt sie sich der Perspektive des Killers an und schleicht langsam die Treppenstufen hoch. In Bewegung ist sie jedenfalls fast immer, aber wackeln tut sie dabei nie. Seinen optischen Höhepunkt findet „Opera“ wohl in der berüchtigten Türspionszene. Eine wahnsinnig genial inszenierte Szene! So sehr wurde die Gewalt seit den Woo’schen Ballerorgien nicht mehr hochstilisiert.
Aber auch hier gilt leider: So sehr die elegante optische Darbietung auch überzeugen kann, inhaltlich hakt es mal wieder an allen Ecken und Kanten. Die Geschichte um eine aufsteigende, junge Opernsängerin, deren Bekannte nach und nach von einem wahnsinnigen Mörder abgeschlachtet werden dient wie üblich nur als Aufhänger und wird mit ihrem viel zu simplen, konventionellen und überraschungsarmen Verlauf ihrer optischen Verpackung keineswegs gerecht. Selbst das Ende erscheint ziemlich an den Haaren herbeigezogen.
Bisher vermochte nur „Suspiria“ die inhaltlichen Schwächen zu verdecken und den Zuschauer mittels der Optik voll in seinen Bann zu ziehen (wobei Optik und klassische Gruseleinfälle dort fantastisch harmoniert haben) – bei „Opera“ springt diese Schwäche doch zu sehr ins Auge. Am ärgerlichsten erscheint dabei wohl das oft völlig unnachvollziehbar dumme Verhalten der Hauptdarstellerin, bei dem man sich immer wieder an den Kopf packt und ihr am liebsten einen Klapps auf den Hinterkopf geben und sie dann in die entgegengesetzte Richtung schicken würde.
Glücklicherweise bedingt die Operthematik, dass „Opera“ auf musikalischer Ebene größtenteils Pluspunkte einsammeln kann, an wenigen Stellen kann es Argento aber leider wieder nicht lassen, spannende Szenen mit völlig unpassender Metalbegleitung zu unterlegen.
Einige gute Einfälle in der Story zwar sind vorhanden, durch die inhaltlichen Schwächen vermag aber im Gegensatz zu „Suspiria“ oder „Profondo Rosso“ nur selten wirkliche Spannung aufzukommen.
Übrig bleibt, wie so oft, eine optische Granate mit der Wirkung eines Knallfrosches. Diverse Einstellungen und Kamerafahrten bleiben beeindruckend im Gedächtnis und addieren sich mit den inhaltlichen Schwächen zu dem gewohnten Mittelmaß mit starker Tendenz nach oben. Dank seiner Vorzüge unterhält „Opera“ aber zumindest deutlich besser als „Tenebrae“ oder „Inferno“. Sein Meisterwerk „Suspiria“ wird Argento wohl nie mehr toppen.
Aber darauf hatte ich mich ja eingestellt. 6/10