Horror geht auch mal anders – nicht immer mit Messer schwingenden Psychopathen, blutrünstigen Dämonen oder waldweise verteilten Eingeweiden, sondern mal leise und subtil.
Daß sich disfunktionale Familien für solche Fälle ganz hervorragend eignen, wußte nicht erst Tobe Hooper, als er das „Texas Chainsaw Massacre“ entwarf, so viel Degeneration ist manchmal gar nicht nötig. Es genügt, wenn die Familienmitglieder einfach nicht gut für einander sind...
Georg Ratcliffs Spielfilmerstling „Joshua“ ist einer von dieser Sorte, bei der man denkt, nach „Das Omen“ würde man den ganzen Dreh kennen und dann kommt es doch anders, ganz ohne Teufelsbesessenheit.
Der titelgebende Joshua ist nämlich ein scheinbar nur kurioser Neunjähriger, der ein wenig zu intelligent für sein Alter ist. Und, wie sich herausstellt, auch für den Rest seiner Familie.
Die macht nämlich nur scheinbar einen ganz stabilen Eindruck, bis innerhalb kürzester Zeit die Brüche im Gefüge augenfällig werden.
Gerade mit einem Schwesterchen gesegnet, scheint es erst so, als fürchte der musikliebhabene Junge lediglich, die Aufmerksamkeit seiner Eltern zu verlieren, von denen er sich eh aufgrund seiner Interessen entfremdet fühlt.
Aber in Wirklichkeit liegen die Gründe viel tiefer, denn mit kindlicher Lösung entwickelt er einen subtilen Plan, um das zu erreichen was gut für ihn ist...
Das größte Manko von Ratcliffs Film ist, daß er in zwei ungleiche Teile zerfällt, von der leider nur die erste Hälfte originell ist. Die läßt den Zuschauer nämlich im Unklaren darüber, ob es sich um ein Drama, einen Psychothriller oder einen Familienfilm handelt. Und fügt dem Geschehen so manchen schrägen Gag hinzu, wenn sich der stille Junge zwischen Klavierspiel und Faszination für Ägyptologie bewegt.
Der Fokus liegt aber scheinbar auf Familiendrama und da geht es bald richtig zur Sache. Die Mutter leidet, wie schon bei ihm vor Jahren an schweren Wochenbettdepressionen, noch dazu ist das Schwesterlein ein Quäkkissen vor dem Herrn. Der Vater (dargestellt von einem viel zu schludrigen Sam Rockwell) ist zwar scheinbar ein Macher in der Bank, aber er ist auch ein seichter Schwätzer und Blender, der nie richtig persönlich wird und stets im entscheidenden Moment zu lange in der Distanz bleibt. Schon allein, wie er mit Ipod und Rockmusik nach Hause schlendert und seinen Schlüssel in den Flur ballert, zeigt deutlich, daß sein Sohn ihm in Sachen geistige Reife um Jahrzehnte voraus ist. Die Schwiegermama schließlich ist ein Opfer erlösungsreligiöser Volldröhnung geworden, nur der sensible Onkel findet den rechten Draht.
Natürlich ahnt man schon bald, das hier keine Gefangenen gemacht werden, aber die Psychoklaviatur (Hund, Bauarbeiten in der Wohnung drüber, Klavier, Celloscore) machen den Zuschauer genauso mürbe und sensibel für die Spannungen wie gleichzeitig auf der Leinwand. Viel zu sehen ist da nicht, aber spätestens wenn in der Schule die leeren Meerschweinchenkäfige von einer seltsamen Todesserie zeugen, sind die Pferde gesattelt.
Dumm ist nur, daß sobald das klar ist, der Film an Originalität reichlich einbüßt. Ist der Junge erst mal als Psycho identifiziert (Debutant Jacob Kogan kommt tatsächlich mit zwei Gesichtsausdrücken aus), dann reitet alles unausweichlich dem Sonnenuntergang entgegen. Erst wird die Mama mürbe gemacht, bis die Klappse angewärmt wird, dann ist der Rest der Familie dran, selbst als Vatern was ahnt, geht nichts mehr.
Es ist diese offensichtliche Unausweichlichkeit, die man entweder als beklemmend (wenn man so etwas mag) oder einfallsarm (wenn man so etwas nicht mag) bewerten kann, auf jeden Fall geht man hier mit der nötigen Konsequenz vor – was den Film dann doch bei den Psychothrillern stranden läßt, aber bei den eher blutarmen.
Immerhin, „Joshua“ ist keine Ware von der Stange, wie sie seit Jahren als DVD-Auswertung breit getreten wird, aber er nötigt seinem Publikum Ruhe und Geduld ab und kokettiert bis zur Halbzeit mit dieser gewissen Sperrigkeit.
Ob die geistige Überlegenheit und der perfide Plan eines (selbst genialen) Neunjährigen würdig ist, bleibt dahingestellt, man kann es als Unlogik abtun, aber da wurden in Horrorfilmen schon ganz andere Schoten gerissen. Das clevere Konstrukt lohnt sich jedenfalls als schöne Abwechslung zum Thrilleralltag – ob sich die Kinobesucher mit so einem, von der Machart her eher dem Arthaus zuzuordnenden Thriller anfreunden können, bleibt dahingestellt.
Wenn aber solche Gurken wie „Godsend“ es in die Kinos schaffen, hat „Joshua“ auch seine Chance verdient. Wenn auch nur „for one week only“. (7/10)