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Paul Schrader ist nicht klein zu kriegen. Selbst wenn man ihm seinen Film wegnimmt und verschandelt, wie das „Exorzist“-Prequel „Dominion“, er lässt sich nicht beirren und zieht sein Ding durch. Selbst, wenn es niemand mitkriegt. Und wer hat in Deutschland schon etwas von „The Walker“ mitbekommen? Niemand wollte den Film hier ins Kino bringen, trotz Starbesetzung. Erst Schraders „Adam Resurrected“ fand in Deutschland ein stärkeres Medienecho, natürlich wegen der allseits beliebten Thematik.

Selbstverständlich hat es „The Walker“ nicht verdient, vergessen zu werden, denn der Film ist ein sehr gelungener Politthriller, und dazu eine Variation von Schraders „American Gigolo“.
Carter Page III (brillant: Woody Harrelson) ist der „Walker“, ein Gesellschafter, der ältere, reiche Damen unterhält, Damen, die einflussreiche, mächtige Ehemänner haben. Er ist so etwas wie der erwünschte Paradiesvogel, die Frauen mögen ihn, die Männer haben keine Bedenken, da er schwul ist, aber achten tun sie ihn natürlich nicht.
Als Page seine Freundin Lynn (Kristin Scott Thomas) zu einem alten Bekannten fährt, entdeckt sie, dass er ermordet wurde. Sie will nicht mit dem Mord in Verbindung gebracht werden, bittet ihn, ihren Besuch geheimzuhalten. Page bleibt loyal und hält dicht, doch dafür bekommt er Probleme, da er den Tatort besucht und gesehen wird. Zuerst ist er verdächtig, dann schließt ihn die bessere Gesellschaft aus, und er beginnt mit Hilfe seines Freundes Emek (Moritz Bleibtreu) selbst zu recherchieren.

Wie in „American Gigolo“ sehen wir einen Mann, in diesem Fall eine Art Unterhalter für alte Schachteln (nicht viel würdevoller als Richard Geres Gigolo), der in eine Intrige gerät, die viel größer ist, als er denkt, und die er nicht kontrollieren kann.
Page wird gezwungen, seine gesellschaftliche Maske, seine ständige Höflichkeit abzulegen (genau wie sein Toupet am Anfang des Films, eine der eindrucksvollsten Szenen des Films), denn für ihn geht es irgendwann ums Überleben und um die Frage, ob seine Loyalität gerechtfertigt war oder nicht.
Doch Carter Page III hat auch die Last seines Stammbaums zu tragen, denn sein Vater war ein großer Politiker, der an den Watergate-Anhörungen beteiligt war und heute noch immer von Vielen seines Standes hoch geschätzt wird. Überall macht sich die Enttäuschung breit, dass Page nicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten und ein „großer Mann“ geworden ist. Gleichzeitig weiß Page, dass auch sein Vater keine weiße Weste trug- die Bigotterie der politischen Welt ist ihm nicht fremd.
Das Problem, in dem Page steckt, wird deutlich in Bryan Ferrys „Which Way to turn“, das immer wieder erklingt:

I didn’t know which way to turn
I didn’t know which way to turn
I can’t control my feelings if I tried
Right from wrong, from left to right

Der Song erinnert in seinem 80s-Style auch stark an Michael Beens Soundtrack zu Schraders „Light Sleeper“. Die pure Melancholie des Songs drückt perfekt die Stimmung des Films aus.

So reiht sich Carter Page III in die Reihe der einsamen, getriebenen Charaktere ein, die Paul Schraders dunkle Filmwelt bewohnen. Überhaupt ist „The Walker“ ein essentieller Film dieses Ausnahmeregisseurs, das Gefühl kriegt man schon, wenn man sich vergegenwärtigt, dass „The Walker“ auf einem Originaldrehbuch Schraders basiert, das erste seit „Forever Mine“ und „Bringing out the Dead“, beide von 1999.

Bleibt noch zu erwähnen, dass der Film auch bis in die Nebenrollen hervorragend besetzt ist, wir sehen u.a. Ned Beatty, Willem Dafoe (der in einigen von Schraders besten Filmen zu sehen ist), Lily Tomlin und Lauren Bacall.
Außerdem sei erwähnt, dass der Film Schraders kürzlich verstorbenen Bruder Leonard gewidmet ist, der viele Drehbücher mit seinem Bruder geschrieben hat, und die großartige Dokumentation „The Killing of America“ inszeniert hat.

„The Walker“ ist ein Highlight: subtil, spannend, aber zurückhaltend, was seine große Stärke ist. An den Kinokassen hat ihm das zwar auch nicht weitergeholfen, aber Paul Schrader hält das nicht vom Filmemachen ab, und das ist auch gut so.
Schrader ist der letzte New Hollywood- Maverick, der noch immer schwierige, unkommerzielle, berührende und wichtige Filme macht. Es gibt nicht viele, die es schaffen, ihr Niveau nahezu konstant zu halten, mir fallen allerhöchstens noch Woody Allen und David Cronenberg ein.

Klare Empfehlung!

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