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Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Japaner so einen Fetisch mit ihren Haaren haben. Dass sie auf schöne und lange Haare stehen und so etwas sehr bewundern, und in japanischen Horrorfilmen fällt ja auch immer wieder auf, dass das Grauen eigenartig oft mit Haaren einhergeht.

EXTE kann da als Beispiel, als Satire und als Hommage in einem stehen. Am Hafen werden Container voller Menschenhaar gefunden – Und eine Mädchenleiche. Bei der Obduktion der Leiche verliebt sich der hochgradig fetischisierte Gerichtsmediziner (oder sowas ähnliches) Yamazaki in die Leiche, stiehlt sie, und nimmt sie mit nach Hause. Dort fängt das Haar des toten Mädchens an wie wild zu wachsen – Nicht nur aus dem kahlgeschorenen Kopf, sondern auch aus Augen, Mund, und überhaupt allen Körperöffnungen. Und mit wie wild zu wachsen meine ich wahre Kaskaden an dichtem, schwarzem Haar, das alles bedeckt. Yamazaki freut sich, sein Fetisch sind eben Haare. Schnell realisiert er, dass die Tote schlechte Laune hat, und dass ihre Haare töten können. Also nimmt er ein paar Stränge Totenhaar, besucht die Schönheitssalons der Stadt, und bietet diese Stränge als Hair Extensions an. Hier kommt die eigentliche Hauptfigur ins Spiel, die angehende Stylistin Yuko Mizushima, die mit ihrer Freundin Yuki zusammen ein kleines Appartement bewohnt und regelmäßig üblen Ärger mit ihrer Schwester hat, die wiederum die eigene kleine Tochter Mamita bei Yuko abstellt. Yuko heftet für eine Prüfung ihrer Nichte eine dieser Extensions an, ohne zu wissen, dass die Haare nur eine Aufgabe haben: Ihren Träger auf grausamste Weise ins Jenseits zu befördern …

Klingt wild? Ist wild! EXTE ist aber nicht nur ein typischer Japan-Horror der möglicherweise etwas haarigen Art. Quasi im Wash-and-Go werden auch noch Strähnchen wie Coming-of-Age und Drama gestreift, Kindesmisshandlung und Fetischismus thematisiert, und das ganze wird toupiert mit einem wahrlich grimmigen und bemerkenswerten Humor. Trotz seiner, für Sion Sono-Verhältnisse fast konservativ zu nennenden Haartracht, surft Sono durch die Narration wie eine wildgewordene Pippi-Langstrumpf-Frisur. Die Erzählperspektive bleibt zwar größtenteils bei Yuko, kaschiert das aber sehr geschickt, so dass sich vor dem Auge (also quasi unter dem Pony) des Zuschauers viele verschiedene Haarstränge auftun, die sich erst allmählich zu einem Zopf vereinigen und ein großes Ganzes ergeben. Die Rolle des durchgeknallten Yamazaki bleibt sehr lange im Unklaren, genauso wie der Sinn der Subhandlung um Mamita sich erst gegen Ende entflechtet. Aber bis dahin hat man sich von dem dichten Lockengewirr der Geschichte und den Bildern der hübschen Frisuren längst gefangen nehmen lassen und freut sich, dass es Filmemacher wie Sion Sono überhaupt gibt. Schwere Empfehlung für alle, die sich an Japan-Horror längst eine Glatze gesehen haben und denken, dass sie alle möglichen Farbschattierungen bereits kennen …

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