Review

“Auge um Auge”

Lange Zeit zeigte sich Hollywood wenig an politisch-brisanten Stoffen interessiert. Das 9/11-Trauma hat nicht nur das Interesse an einer kritischen, filmischen Auseinandersetzung mit Ursachen, Wirkung und Folgen des Anschlags gefördert, sondern überdies eine regelrechte „Politthriller-Welle“ losgetreten. Immer häufiger entstehen Filme, die die Rolle der USA bzw. des Westens im Dickicht aktueller Brandherde thematisieren. A-List-Stars wie Nicoals Cage, Leonardo di Caprio, George Clooney oder Jamie Foxx sind inzwischen (wieder) bereit, sich für derartige Projekte einzusetzen und - trotz teilweise kommerzieller Verpackung der Filme - auch einiges zu riskieren. Produktionen wie World Trade Center, Lord of War, Syriana, oder Blood Diamond sind Ausdruck einer Entwicklung, die noch vor 10 Jahren in dieser Form nicht denkbar gewesen wäre. Immer mehr rückt dabei der „Kampf gegen den Terror“ in all seiner Komplexität und Undurchsichtigkeit in den Fokus der Filmemacher. In diesem Zusammenhang ist auch Peter Bergs Operation: Kingdom zu sehen.

Nach einem Bombenattentat auf eine US-Siedlung mit über 100 Toten in Riad, entsendet das FBI ohne Wissen der eigenen Regierung ein vierköpfiges Expertenteam, um den örtlichen Behörden bei der Aufklärung des Anschlags behilflich zu sein. Dort ist man wenig begeistert von der amerikanischen Einmischung, fügt sich aber zähneknirschend, da der für den fraglichen Bezirk zuständige saudische Prinz die Aktion (aus „politischen“ Gründen) befürwortet. Den Agenten wird der örtliche Polizeichef Colonel Al-Ghazi (Ashraf Barhom) als „Aufpasser“ zugeteilt. Sein Auftrag: Die Amerikaner von jeglicher aktiven Mitarbeit ausschließen und möglichst unversehrt nach fünf Tagen in ein Flugzeug Richtung Heimat verfrachten.
Der leitende Agent Ronald Fleury (Jamie Foxx) ist natürlich wenig angetan von der ihm zugedachten Statistenrolle. Mit einer klug dosierten Mischung aus Hartnäckigkeit, Ehrlichkeit und diplomatischer Raffinesse gelingt es ihm schließlich, den Prinzen und Al-Ghazi dazu zu bewegen, sein Team aktiv an den Untersuchungen zu beteiligen. Vor allem die immer besser funktionierende Zusammenarbeit und die damit einhergehende gute Chemie zwischen Al-Ghazi und Fleury trägt sehr schnell Früchte und zieht schließlich den Kreis um die mutmaßlichen Attentäter immer enger. Am Ende kämpfen sie Seite an Seite gegen einen gemeinsamen Feind.

Das klingt nach der üblichen - mehr oder weniger geschickt getarnten - Patriotismusschiene der Marke „Wir zeigen den fiesen Terroristen mal, wo der Hammer hängt!“? Glücklicherweise ist Operation: Kingdom kein solcher Film.
Natürlich gibt es - zumindest auf den ersten Blick - auch Einiges bemängeln. Dass ein Trupp FBI-Spezialisten (wohlgemerkt eine Bundespolizei mit inneramerikanischen geheimdienstlichen Aufgaben) nach Saudi-Arabien geschickt wird, um einen Terroranschlag aufklären zu helfen, erscheint zunächst reichlich unglaubwürdig. Im Film wird dieser Umstand mit der Hartnäckigkeit und den guten Beziehungen des FBI-Chefs „erklärt“, der es schafft, die Aktion inoffiziell in die Wege zu leiten.. Am Ende muss er sich dafür dann auch politisch rechtfertigen.
Auch, dass die Ermittlungsarbeiten erst durch amerikanisches Expertentum in Gang kommen und letztendlich den entscheidenden Impuls zur Aufklärung erhalten, hinterlässt einen faden Beigeschmack. Hier schleicht sich wieder einmal durch die Hintertür der Überlegenheitsanspruch der USA hinein. Dem gegenüber steht allerdings der unbedingte Aufklärungswille Al-Ghazis sowie die Bereitschaft des saudischen Prinzen, diesen zu unterstützen.
Des weiteren ist auch das Mitwirken einer weiblichen FBI-Beamtin an der Mission wohl mehr dramaturgischen und publikumswirksamen Aspekten geschuldet, als einem authentisch-realistischen Szenario. Es ist kaum vorstellbar - auch für die in solchen Situationen oftmals etwas naiv auftretenden US-Behörden -, in einer dermaßen aufgeheizten Situation einen (sicheren) zusätzlichen Kriegsschauplatz aufzumachen. Dass die Rolle der Frau in Saudi Arabien nicht einmal ansatzweise westlichen Konventionen entspricht, ist kein Geheimnis. Folgerichtig darf Agentin Mayes (Jennifer Garner als Forensik-Expertin) auch nicht der Audienz beim Prinzen beiwohnen und wird auch sonst von den saudischen Sicherheitskräften eher feindselig behandelt. Mann kann Regisseur Berg zugute halten, dass er genau diese Problematik zeigen wollte, um die Gegensätzlichkeit der Kulturen noch stärker herauszuarbeiten. Hinter Sinn und Unsinn von Garners Figur bleibt zumindest ein dickes Fragezeichen.
Schließlich gehorcht vor allem die finale Actionsequenz gängigen Genreklischees und nagt an dem bis dato hyperrealistischen Stil des Films. Nicht nur, dass keiner der vier FBI-Agenten bei einem Hinterhalt ernsthaft verletzt wird. Vielmehr gelingt es ihnen auch noch, eine numerisch wie waffentechnisch überlegene und überdies strategisch weit besser positionierte Gegnerschar vollständig auszuschalten. Hier erinnert der Film sowohl positiv wie negativ an Ridley Scotts Black Hawk Down. Die inhaltliche Plausibilität wird im Kugelhagel grandios inszenierter Actionszenen regelrecht in Fetzen geschossen. Die brachiale Gewalt der Schusswechsel und das damit einhergehende Chaos aus Adrenalin, Angst und Blut wird förmlich spürbar. Tontechniker, Kameraleute und Actionchoreographen leisten hier vor allem im Zusammenspiel fantastische Arbeit. Nur eben glaubwürdig bezüglich Verlauf und Ausgang der Auseinandersetzung sind besagte Szenen kaum.

Der Film ist keineswegs - wie fälschlicherweise in zahlreichen feuilletonistischen Beiträgen und seitens der Macher behauptet - völlig neutral. Er ist vornehmlich aus US-amerikanischer Sicht erzählt und enthält ein paar mehr oder weniger auffällige Aspekte, die dem amerikanischen Überlegenheitsdenken Vorschub leisten. Im Prinzip wird der Fall allein von den vier FBI-Beamten gelöst, einschließlich seiner gewaltsamen „Abschließung“.
Allerdings ist der Film auch genauso wenig völlig einseitig. Saudi Arabien wird keinesfalls als ausschließlich von militanten Terroristen bevölkertes „Reich des Bösen“ diffamiert. Sowohl bei der saudischen Führungsschicht wie auch den Behörden ist klar der Wille erkennbar, den Terroranschlag aufzuklären und die Drahtzieher zur Rechenschaft zu ziehen. „Hüben wie drüben“ zeigt der Film tödlichen Hass, unvereinbare Gegensätze aber eben auch Mitgefühl und den Versuch, die jeweils andere Seite zu verstehen.

Allein schon das Anliegen, die Verfahrenheit der Situation im Nahen Osten aufzuzeigen, ohne mit simplen Schuldzuweisungen um sich zu werfen, ist aller Ehren wert und letztlich auch die große Stärke des Films. Würde der Film mit der Ausschaltung der Terroristen enden, könnte man ihn durchaus auch als Propaganda(mach)werk abstempeln.
Der Schluss jedenfalls relativiert die durch das finale Actionfeuerwerk entstandenen Misstöne, indem er die beidseitige Gewalt als sinn- und letztendlich wirkungslos entlarvt. Nichts bringt die Trostlosigkeit, Verworrenheit und den Pessimismus des Konflikts mehr auf den Punkt wie der folgende Satz: „Keine Angst, wir werden sie alle töten.“
Diese ausschließlich von Wut und Hass zeugenden Worte sind nicht nur die letzte Botschaft des sterbenden Terrorchefs an seine kindliche Tochter. Mit denselben Worten versucht Agent Fleury seine Kollegin Mayes „aufzubauen“, nachdem sie vom Tod eines engen Freundes durch den Terroranschlag erfahren hatte.

Fazit:
Der Vorwurf, bei Operation: Kingdom handle es sich lediglich um einen Actionthriller mit politischem Anstrich, geht m.E. an Anspruch und Ziel des Films vorbei und wird ihm nicht gerecht. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Operation: Kingdom ist eine um Objektivität bemühte, politische Stellungnahme bzw. Momentaufnahme zur völlig verfahrenen Post-9/11-Problematik. Die Thriller- und Actionelemente sind hier der Anstrich. Eine nicht unclevere Idee, da somit ein breiteres Publikum mit diesem politisch brisanten Thema konfrontiert und im Idealfall zum Nachdenken angeregt wird.
Letztlich bleibt trotz der oben angeführten Kritikpunkte ein kraftvolles und aufwühlendes Stück Polit-Kino. Kurz: Der Film ist intelligentes Entertainment für ein politisch interessiertes (Erwachsenen-)Publikum. Dass solche Filme wieder von US-Majorstudios finanziert und produziert werden, ist eine gute Nachricht. Mir jedenfalls ist nicht bange um die Zukunft des häufig (zu Unrecht) als perspektivlos und niveaulos abgekanzelten modernen Hollywoodkinos.

(8/ 10 Punkten)

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