Ein finsteres, morbides Meisterwerk (10/10)
Martha Beck, eine schwergewichtige Krankenschwester, die mit ihrer Mutter zusammenlebt, lernt über eine Einsame-Herzen-Agentur den gerissenen Ray Fernandez kennen. Für sie ist es Liebe, für ihn ein weiteres Opfer, denn Ray ist Heiratsschwindler und hat es nur auf ihr Geld abgesehen. Doch das ist Martha egal. Durch einen fingierten Suizid und die Abschiebung der Mutter ins Heim kann sie Ray an sich binden und fortan ist Martha offiziell Ray´s Schwester. Gemeinsam nehmen sie einsame Frauen aus. Anfangs bleiben ihre Opfer mit materiellen Verlusten zurück, spätere Opfer bezahlen mit dem Leben.
Die Morde des bizarren Pärchens sorgten 1949 in Amerika für Aufsehen. 1951 wurden die "Lonely Heart Killers" hingerichtet. Wer von beiden wen und wieviele Menschen ermordete wurde nie aufgeklärt.
Von dem Fall inspiriert schrieb der New Yorker Opernkomponist und Musikprofessor Leonard Kastle ein Drehbuch, welches zuerst vom damals noch unbekannten Martin Scorsese verfilmt werden sollte. Scorsese drehte einige Szenen, wurde aber nach einem Streit mit dem Produzenten gefeuert. Der ehemalige Cutter Donald Volkman übernahm die Regie, lieferte aber eine unbefriedigende Arbeit ab und so führte schließlich Kastle selbst Regie.
Es entstand ein Film mit einer ungewöhnlich bösen, subversiven Energie. Eine ultraharte Satire von einem Regisseur, der bis dahin nicht einen einzigen Film gedreht hatte. In schlichten Schwarz/Weiß gehalten, geschickt mit dem Licht spielend, weiß er genau was er dem Zuschauer zumuten kann. Das Töten des Kindes z.Bsp. hört man nur. Er spannt den Bogen des (Un-) Erträglichen genau so weit, das das Geschehene auch wirklich schockieren kann und nicht wie in vielen "Tabubruch-Filmen" nur lächerlich wirkt. Dabei unterstützen ihn zwei Darsteller, die passender nicht sein konnten: Tony LoBianco und Shirley Stoler SIND Ray und Martha (Stoler bekam die Rolle nur weil sich niemand traute ihr zu sagen, daß sie sie nicht bekommen sollte.) Kongenial auch der Einsatz von Gustav Mahlers Musik und Oliver Woods Kameraarbeit.
Zwei eigentlich harmlose Personen machen sich gegenseitig zu Mördern: ohne Martha hätte Ray die Frauen nur um ihr Geld gebracht und ohne Ray wäre Martha nicht mal annähernd kriminell. Doch Martha liebt Ray und er scheint sie zu lieben und das ist Marthas Problem - sie ist eifersüchtig und wie sich herausstellt mit Recht. Ihr letztes Opfer ist schwanger von Ray und vertraut sich fatalerweise Martha an. Mit einer Eiseskälte, die ihresgleichen sucht, versucht Martha die Frau mit Tabletten aus dem Weg zu räumen. Das klappt nur teilweise: ohne sich bewegen zu können, muß die Frau mitanhören wie Martha und Ray darüber beraten, wie sie wohl am besten zu töten wäre. Der Zuschauer sieht dabei nur die Augen des Opfers und die scheinen fast hervorzuquellen vor Entsetzen und Angst. Als sich das Paar aufs Erschiessen einigt und einer von beiden den Revolver holt (das ganze hört man nur) bleibt die Kamera immer noch auf den Augen. Schließlich wird der Frau der Revolver an die Schläfe gehalten und abgedrückt. Den Schuss hört man wieder nur - eine der intensivsten Filmszenen überhaupt. Man muß nicht sehen wie die Frau stirbt, ihre Augen und das was ihre (und unsere) Ohren hören mußten, sind um ein Vielfaches verstörender, als es ein vorgegebenes Bild hätten sein können. In einer Alternativfassung hört man Ray während dieser Szene übrigens noch urinieren.
Warum der Film nach seiner Premiere nur kurz in den Kinos lief, für Jahrzehnte verschollen war und erst in den 90´ern als Kult auferstand, läßt sich heute nicht mehr rekonstruieren.
1996 drehte Arturo Ripstein seine Version des Killerpärchens unter dem Titel "Profundo carmesi"
Leonard Kastle hat bis heute keinen weiteren Film gedreht. Leider.