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„Das Urteil von Nürnberg“ ist in mehr als einer Hinsicht ein bemerkenswerter Film. Dabei müsste er von seiner Geschichte her ein eher dröges Machwerk sein. Er erzählt von einem der letzten Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg, bei dem sozusagen zum Abschluss deutsche Richter vor Gericht stehen. Der für den Prozess ernannte Richter Haywood (Spencer Tracy) erlebt dabei den Kampf des Militär-Staatsanwaltes Lawsen (Richard Widmark) gegen den deutschen Verteidiger Rolfe (Maximilian Schell) um das Schicksal des ehemaligen Justizministers Janning (Burt Lancaster). Dieser Kampf wird überschattet von dem Beginn des kalten Krieges, die zwangsläufig zu der Frage führt, wie die westlichen Siegermächte zukünftig mit ihrem potentiellen Verbündeten Deutschland umgehen wollen.

Schon durch die Auflistung der Schauspieler wird klar, dass man hier etwas Besonderes geboten bekommt. Da in den Nebenrollen noch Marlene Dietrich, Judy Garland und Montgomery Cliff auftreten (die Rolle von Shattner als Adjutant ist weniger beeindruckend), kann der Zuschauer zu recht mit großem Starkino rechnen. Und es wird ihm geboten. Widmark und Dietrich spielen sich selbst, machen das aber routiniert und gut. Tracy und Lancaster leisten bemerkenswertes, kommen aber nicht ansatzweise an Schell heran. Ich halte zugegebener maßen nicht viel von Herrn Schell als Schauspieler. Aber in diesem Film gibt er alles und hat zu Recht den Oscar für seine Darbietung erhalten. Dabei muss zusätzlich noch anerkannt werden, dass es 1961 für einen deutschen Schauspieler ein sicher noch gewagtes Unterfangen war, in seinem Spiel Aussetzer zu liefern, die an das Gekreische eines Roland Freisslers erinnern. Aber auch Garland und Cliff zeigen Mut, indem sie, auf andere Rollen spezialisiert, eine gewöhnliche, dickliche Frau mittleren Alters und einen Schwachsinnigen spielen.

Ähnlich wie „Die 12 Geschworenen“ würde „Das Urteil von Nürnberg“ auf Außenaufnahmen verzichten können. Die Verfolgung des juristischen Vorganges ist in beiden Fällen interessant genug, dass die Filme keine weiteren Zutaten nötig hätten. In „Das Urteil von Nürnberg“ genügen die Dialoge, um den Zuschauer vollständig zu fesseln. Mal abgesehen von Peter Lorre in „M“ gibt es wohl kein eindringlicheres Eingeständnis von Schuld als den Monolog von Janning. Hier haben Lancaster, Mann (Drehbuch) und Kramer als Regisseur ganze Arbeit geleistet.

Was ebenfalls bei diesem Film bemerkenswert ist, ist das unglaublich differenzierte Bild der Deutschen und der Amerikaner. Während andere Filme dieser Zeit nur Nazis und Opfer darstellen, entsteht hier ein Bild der wohl abgewogenen Kollektivschuld, das auch die Schuld der sonst strahlenden Sieger mit abbildet. Mit Sicherheit ein mutiger Schritt, der auch das Entstehen neuer Schuld durch das Verschonen der Kriegsverbrecher im Zeichen des kalten Krieges berücksichtigt. Was mir außerdem gut gefallen hat ist die Betrachtung des begangenen Unrechtes. Das Vorführen von KZ-Filmen durch die Staatsanwaltschaft läuft in dem Film ins Leere, da die Kausalitäten zwischen dem Handeln der Richter und dem Genozid nicht hergestellt werden kann. Erst durch einzelne Unrechtsurteile wird klar, dass jeder Einzelfall am Ende in Summe die Bilder aus Dachau und Bergen-Belsen bildet. Und dass das erste kleine Unrecht nicht nur der Verlust von Unschuld ist, sondern zwangsläufig zu einer Eskalation der Rechtsfreiheit führen wird.

Was gilt es noch zu sagen? Die Musik des Films ist geglückt ausgewählt. Die Außenaufnahmen machen die Zeit kurz nach Ende des Krieges glaubwürdig lebendig. Alles ist stimmig und schafft ohne Pathos den Rahmen für einen rundum geglückten, mutigen Film, der nichts anderes als die volle Punktzahl bekommen kann. Wertvoll und spannend zugleich.

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