Viele Filme haben sich den 2. Weltkrieg als Schauplatz zu Nutzen gemacht und ihre Geschichte in diesen Kontext eingebettet. So entstanden unzählige Kriegsfilme, Thriller aber auch Horrorfilme und Exploiter unterster Schublade. Jedoch ist mir kein weiterer Spielfilm bekannt, der sich mit den Nürnberger Prozessen befasst. Dies macht „Das Urteil von Nürnberg“ schon zu etwas Besonderem:
Es ist schwer das komplexe Geschehen des Filmes in wenigen Worten zusammenzufassen ohne etwas zu verfälschen oder das Irritierungen aufkommen. Handelt der Film auf den ersten Blick vom Verlauf der sog. Juristenprozesse, auf welchen der Film auch basiert, so wird einem bei näherem Hinsehen klar, dass es hier um viel mehr geht, als um ein bloßes Verurteilen. Es werden immer wieder essentielle Fragen zur Schuld, Mittäterschaft usw. aufgebracht, welche auch heute noch nicht beantwortet sind. Hat das Volk wirklich nichts mitbekommen von den Verbrechen der Nazis? In wie weit sind Staaten wie die USA, Großbritannien mit schuldig an Hitlers Machtübernahme und den daraus resultierende Aufstieg des Dritten Reiches? Wie weit kann man das eigene Rechtsempfinden dem des Staates zurückstellen? Solche Fragen regen zum Nachdenken an und machen den Film meines Erachtens so wertvoll. Genauso wird auf eine schwarz-weiß Malerei verzichtet und die Deutschen nicht als das Tätervolk dargestellt. Neben diesen inhaltlichen Vorzügen bietet der Film ansonsten eine sehr gute Spannungsverteilung, welche ihn trotz der hohen Laufzeit keineswegs langweilig macht. Auch wird die sehr angespannte Atmosphäre immer wieder geschickt durch Szenen aus dem Alltag oder anderen Ereignissen aufgelockert. Trotzdem sind auch in diesen Phasen die Grundideen des Filmes allgegenwärtig. Gegen Ende des Filmes, besonders durch den Filmbeitrag des Staatsanwaltes, wird der Zuschauer auf eine innere Zerreißprobe gestellt und auch das Ende hinterlässt ihn nicht wirklich entspannter.
Diese besondere Atmosphäre wird sehr durch die gebotenen Bilder transportiert. Mit langsamen Kamerafahrten und kaum Schnitten wird einem ein authentisches Gefühl von Zeit übermittelt. Ausgezeichnet sind auch die Einstellungen, in denen die Kamera langsam fast 270° um den Kopf des Redners herumfährt oder die schnellen Brennweitenwechsel auf ein Gesicht zu. Viele dieser Stilmittel werden in heutigen Filmen sträflich mißachtet.
Genauso exzellent ist die sich immer im Hintergrund haltende Musik. So wirkt sie nie aufdringlich fügt sich aber harmonisch in das Gesamtkonzept ein.
Ein weiteres Highlight des Filmes sind sicher auch die Schauspieler. Allein Spencer Tracys Darstellung des Richters, wie er unsicher in eine neue Welt gestoßen wird, nicht genau weiß, wie er reagieren soll, kaum aus sich herauskommt und dann gegen Ende eine Entscheidung trifft, welche doch für ein Raunen sorgt, macht den Film sehenswert. Sein Spiel ist überzeugend und authentisch, dabei schafft er es mit einer bewundernden Sicherheit die Unsicherheit des Richters zu verkörpern. Weiterhin haben wir Richard Widmark als Staatsanwalt. Ein recht unsympathischer Kerl, der seinen eigenen Feldzug gegen die Deutschen führt. Auch ihn kann man nur loben. Mit Burt Lancaster gibt es einen weiteren großen Hollywood Star, der hier eine beachtliche Performance liefert. Lancaster spielt Ernst Janning, den höchsten Angeklagten, welcher eigentlich fast den ganzen Film über schweigt und mit kaum einer Rührung am Prozess teilnimmt. Er hat eigentlich nur einen richtigen Auftritt, doch dieser reicht aus, um Lancasters Talent unter Beweis zu stellen. Weiter geht es mit dem Who is Who Hollywoods: Marlene Dietrich spielt die Rolle einer Offizierswitwe, deren Mann bei den vorherigen Prozessen zum Tode verurteilt wurde. Wenn Marlene Auftritt ist immer gewisses Maß Ungewissheit im Raum, man weiß nie genau, wie sie reagieren könnte, sodass sie ein bisschen wie eine Unbekannte fungiert. Doch die ganzen Darstellungen werden noch von einer getoppt: Maximilian Schell als Anwalt der Angeklagten. Was er hier darbietet ist teilweise schon atemberaubend. Man nehme sich nur die Szene, in der er die Zeugin Irene Hoffman vernimmt. Seine Vehemenz und seine Aggressivität in diesem Abschnitt sind einfach furchteinflößend gut.
Auch in weniger wichtigen Rollen findet man hier weitere große Namen: Judy Garland, Montgommery Clift, William Shatner und Werner Klemperer.
Abschließend ist zu sagen, dass „Das Urteil von Nürnberg“ ein großer, anspruchsvoller Film ist, den man gesehen haben sollte. Klare Empfehlung: 9/10