Der verheerendste Krieg der Menscheitsgeschichte hat sein Ende gefunden. 55 Millionen Menschen haben ihn mit ihrem Leben bezahlt, Europa liegt in Trümmern. Nun ist es an den Siegermächten, im Sinne der "zivilisierten Welt" über die Geschlagenen zu richten...
Regisseur Yves Simoneau versammelte für seine handwerklich sehr solide Verfilmung des Jahrhundert-Prozesses in Nürnberg 1945 ein beachtliches Staraufgebot vor der Kamera, welches durch Chefankläger Alec Baldwin angeführt wird. Selbiger hat zwar äußerlich wenig mit seinem historischen Vorbild Robert H. Jackson gemein und sieht insgesamt etwas zu sehr nach schnittigem US-Boy aus, liefert aber rein schauspielerisch eine gute Performance ab.
Mit dem "schnittigen US-Boy" wäre zugleich ein entscheidendes Problem des Filmes angesprochen: Man merkt doch immer wieder, daß es sich um eine typische US-Produktion handelt. Äußern tut sich dies vor allem in Form der teils wirklich übertrieben hinterhältig und böse dargestellten deutschen Angeklagten (unter anderem "Stürmer" -Chefredakteur Streicher oder Alfred Jodl, überzeugend eigentlich nur Brian Cox als Reichsmarshall Hermann Göring) und ihren amerikanischen Sauberman-Pendants auf der Anklägerseite des liebevoll rekonstruierten Gerichtssaals. Anscheinend ist dies jedoch ein generelles Problem amerikanischer Filme betreffend des zweiten Weltkrieges, wie es uns nicht zuletzt Steven Spielberg bereits merhfach eindrucksvoll vorgemacht hat.
Aber kommen wir zum eigentlichen Filmgeschehen zurück: Unabhängig von der Art und Weise der Inszenierung stellt sich natürlich die Frage nach wahrhaftiger Gerechtigkeit oder plakativer Siegerjustiz. Ein sensibles und umstrittenes Thema, das bis heute heiss diskutiert wird - und überraschenderweise auch von Yves Simoneau den Umständen entsprechend relativ akurater Filmversion zumindest am Rande aufgegriffen wird. Einer relativ hohen Autenzität - so man bei einem amerikanischen Spielfilm davon sprechen kann - sind im Weiteren originale historische Aufnahmen sehr zuträglich, die nicht nur den Film einleiten sondern auch während des Prozesses als (seinerzeit wirklich gezeigte) Beweismittlel auftreten.
Bliebe nicht letztlich aufgrund seiner vielleicht wohl eher unbewussten, immer wieder durchschimmernden Schwarz-Weiss-Zeichung (auch im Bezug auf die russische Seite) ein leicht fader Nachgeschmack, so würde ich "Nürnberg - Im Namen der Menschlichkeit" glatt eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen. Als historisch wertvollen Beitrag will ich Simoneaus Zweiteiler ebenfalls nicht ansehen, weswegen ich letztlich doch für eine Wertung von "nur" 6 Punkten entscheide. Wer sich wirklich informieren will, sollte lieber gleich die Originaldokumente in Text-, Bild- und Tonform sichten. "Nürnberg - Im Namen der Menschlichkeit" verleiht dem Jahrhundertprozess lediglich das massenkompatible und wenig komplexe Spielfilmgerüst.