Review

Ich kenne die Romanvorlage nicht, habe aber gelesen, dass sie bis zum Erscheinen dieses Films als „unverfilmbar“ gegolten haben soll. Das glaube ich gern, denn was Koen Mortier hier abgeliefert hat, ist bei weitem keine leichte Kost und setzt in filmischer Hinsicht sicherlich neue Maßstäbe: „Ex Drummer“ ist eine Komödie, ein Gewaltexzess, ein gesellschaftskritisches Drama und ein Kunstfilm zugleich. Ein Experiment sozusagen, an dem viele gescheitert wären. Nicht so Mortier und seine Crew, die es verstanden, diese abenteuerliche Mixtur ebenso unterhaltsam wie kunstvoll wie verstörend zu inszenieren. Schwarzhumorig, schräge, überzeichnete Charaktere, dargestellt von hervorragenden Schauspielern, Satire, verstörende, gewalttätige Szenen, surrealistische Momente, etwas Erotik, eine unvergleichbare Optik und ein großartiger, von zahlreichen Underground-Künstlern eingespielter Soundtrack – hier greift ein Rad in das andere und was zunächst widersprüchlich und konfus wirkt, fügt sich zu einem schwer verdaulichen Ganzen zusammen, das sich im Gedächtnis des Zuschauers festkrallt. Und mit eben jenem geht „Ex Drummer“ nicht gerade glimpflich um und bewirkt durch die kontrastreiche Erzählform, dass ihm das Lachen ein ums andere Mal im Halse stecken bleibt. So wechseln sich komödiantische Sequenzen, in denen die soziopathischen Protagonisten aus der Unterschicht wie lächerliche Schießbudenfiguren wirken, mit fiesen Magenschwingern ab, bis man fast schon erleichtert aufatmet, wenn die Kamera endlich wieder das sterile Luxusappartement der Hauptrolle in Form von Schriftsteller Dries einfängt und somit den Gegenentwurf zum permanenten Schmutz und Dreck, zu menschlichen Tragödien und Abgründen, präsentiert – allerdings ohne sich dabei auf eine Seite zu schlagen. Nach und nach lernt man die Charaktere zumindest oberflächlich kennen, während der Film auf sein vermeintliches Finale, den Auftritt der Band auf einem Festival, zusteuert. Dieses wird dann auch eines Finales würdig als chaotische, energiegeladene Gewaltexplosion gezeichnet, während der eigentliche, überraschende Showdown aber erst noch folgt. Konnte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch einige Parallelen zu Filmen wie „Trainspotting“ ziehen, fühlte ich mich nun unweigerlich an „Taxi Driver“ erinnert. Spätestens hier ist dann auch wirklich Schluss mit lustig und das vermeintlich reinigende Inferno besudelt den Richter, Rächer oder wofür auch immer er sich hält, selbst kübelweise mit Schmutz. In den finalen Einstellungen sprechen die Toten zum Zuschauer und verlassen erstmals ihre oberflächliche Darstellung, indem sie von Ihrer schwierigen Sozialisation erzählen. Mal abgesehen von ein, zwei trashigen Momenten (die überdimensionale Vagina-Kulisse, in der sich Dries und „großer Schwanz“ wiederfinden und einen Dialog führen z.B.) empfand ich „Ex Drummer“ bis zu diesem Punkt als nahezu perfekt. Das Ende hingegen erscheint mir wie eine aufgesetzte Moralkeule (oder die Parodie einer solchen?) und die Aussage des Films gibt mir Rätsel auf. Vielleicht gibt es aber auch gar keine, außer der vielleicht, dass die ganze Gesellschaft einfach total und hoffnungslos verkommen ist, haha.

„Ex Drummer“ ist ein hochgradig faszinierendes, polarisierendes, in seiner Inszenierung einzigartiges Filmerlebnis.

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